Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Heidelberger Volksblatt (9) — 1876

DOI chapter:
Nr. 9 - Nr. 16 (2. Februar - 26. Februar)
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.44635#0047

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Kleiderpracht abthaten, um derentwillen vergebens ſo
viele Verordnungen und Verbote erlaſſen worden, —
auf ſo lange, bis die Regung der Reue vorüber, wo-
rauf es mit der Hoffarth noch ärger wurde, als zuvor.
Das Fräulein mochte von dem flehenden Ton Be-
nigna's mehr ergriffen ſein, als es eingeſtehen wollte,
ja, es ward gerade aus Scham über dieſe innere Nach-
giebigkeit äußerlich um ſo abweiſender. Auch war es
jetzt zu ſpät zur Umkehr.
Die Dämmerung war hereingebrochen und verſchie-
dene Vermummte ſtrichen durch die Gaſſen, weil das
Wetter aber ſo überaus unfreundlich geworden, ſich zu-
dem ein kalter Wind erhob, der das Schneegeſtöber in
Eiskriſtallchen verwandelte und ſie in empſindlicher Weiſe
mit den Seh⸗ und Athemorganen in Beziehung ſetzte,
ſo fühlte Niemand ſich zu längerem, als durchaus noth-
wendigen Aufenthalt im Freien verſucht, beeilte fich viel-
mehr Jeder, das Haus zu erreichen, in welchem er Be-
ſuch abſtatten wollte oder die Tanzläube und Bierſtube,
welche heute Schauplatz ſeines Vergnügens ſein ſollte.
Aus der katholiſchen Zeit war die überlußige, ja oſt
wüſte Feier des Faſchings beibehalten worden.
Engelbrechta trat unter den Schatten der Treppe und
ſchlang das mitgebrachte Tuch derartig um Kopf und
Geſicht, daß Jedermann ſie für eine verheirathete Frau
gehalten und ſelbſt ihr nächſter Verwandter ſie nicht er-
kannt hätte. Sie übereilte ſich damit eben nicht, während
ihre vor Angſt und Froſt bebende Begleiterin ſie noch
einmal, bei dem Andenken an ihre Mutter beſchwor, ihr
Vorhaben aufzugeben.
„Meine Mutter folgte ihrem Erwählten auch getroſt
in die Ferne — ebenſo wie Deine eigene!“ ſcherzte ſie,
verbot im nächſten Augenblick aber herriſch jedes weitere
Wort und ungeſäumte Entfernung.
Die Maske von vorhin nahte, vom Reichenbacher
Thor zurückkehrend. Hier, an der Treppe des Salzhauſes
war der Ort des Zuſammentreffens.
Benigna eilte nach Hauſe, um der Mutter mitzuthei-
len, was eben geſchehe. Dieſelbe liebte ihren ehemali-
gen Pflegling, vielleicht fand dieſelbe ein Auskunfts-
mittel, wo fie, das unerfahrene Mädchen, rathlos blieb.
Zu Engernſteins von Hainwald war weit — dort über-
dies Niemand als die greiſe Frau, welche ihren Seſſel
nicht verlaſſen konnte. Wo die Andern ſich befanden,
wußte ſie nicht, — Auſfſehen aber durfte um keinen
Preis erregt werden.
Auf halbem Wege kehrte Benigna um. Sie mußte
doch ſehen, aus welchem Thor die Flüchtlinge ſich ent-
Holang 1 6 bnen Anhaltepunkt zu ihrer etwaigen Ein-
olung zu haben. Ihr Haus war auch ganz fin
Schmiedfamilie nicht Lahemn. 0 gans f ſer, die
„Die Pferde ſind noch nicht da!“ flüſterte Thymo
der Vohtalin zu. „Es iſt freilich noch nicht ganz die

feſtgeſetzte Zeit, denn zu früh ſollte Joſt nicht kommen,

um nicht etwa Verdacht zu erwecken Er muß übrigens

augenblicklich da ſein, wenn es nicht inzwi
der Fall iſt. ö r inſchen ſchen

„Seid Ihr des Mannes auch gewiß?“ fragte Engel-
brechta beklommen. ö
(Fortſetzung folgt.)

Vermiſchtes.

(Ein intereſſanter Prozeß) wegen Rück-
erſtattung einer Heiraths⸗Courtage iſt augenblicklich bei
den Hamburger Gerichten eingeleitet. Der Sachverhalt
iſt folgender: Ein dortiger Kaufmann verlobte ſich vor
einiger Zeit durch Vermittelung eines daſelbſt wohnhaf-
ten Agenten mit einer jungen Dame in Schleſien. Als
Mitgift war ihm die Summe von 5000 Thlrn. ver-
ſprochen, die acht Tage vor der Hochzeit ausbezahlt wer-
den ſollten. Der Vermittler der Partie wartete jedoch
zur Erhebung ſeiner Courtage dieſe Zeit nicht erſt ab,
ſondern ließ ſich dieſelbe gleich nachdem die Verlobung
zu Stande gekommen war, von dem Bräutigam mit 250

Thaler auszahlen. Etwa vier Wochen vor der feſtge-
ſetzten Hochzeit ſtarb jedoch der Vater der Braut, und
erwies ſich der Nachlaß deſſelben als ſo geringe, daß die
Erben an eine Auskehrung des Heirathsgutes von 5000
Thalern nicht denken konnten. In Folge deſſen löſte der
Bräutigam das Verlöbniß und verlangt auch von dem
Heirathsvermittler auf Grund, daß das „Geſchäft“ nicht
perfect geworden, die Rückerſtattung der ihm gezahlten
Proviſion. Da ſich der Agent dazu nicht verſtehen will,
ſo iſt nunmehr der Ex⸗Bräutigam gegen ihn klagbar
geworden.

(Räuber im Waggon.) Wie das Veroneſer
Blatt „L'Adige“ vom 1. d. M. erzählt, wurde am Abend
zuvor in einem Eiſenbahnwaggon zweiter Klaſſe auf der
Bahnſtrecke Ala⸗Verona ein frecher Raubanfall ausge-
führt. Es befanden ſich in dem Waggon Prof. Stein-
hauſer aus Karlsruhe und ſeine Dienerin Anna Fetter.

Als der Zug ſich von Prescantina in Bewegung geſetzt,
öffneten plötzlich zwei Gauner die Thüre, ſtiegen ein, ge-
boten den Inſaſſen mit gezückten Meſſern St llſchweigen
und nahmen dem Profeſſor ſein ganzes Geld ab, gegen
4000 M. in Silber und Banknoten; dann gingen ſie
in ein anſtoßendes Coupee, in welchem ſich der Inge-
nieur Lubei aus Trient befand, um auch dieſen auszn-
rauben. Es entſtand ein Ringen und die Räuber muß-
ten leer abziehen; ſie ſtiegen dann, nachdem ſie den
Profeſſor nochmals bedroht, aus und flohen querfeldein
der Etſch zu. Der Raubanfall war zwiſchen den Sta-
tionen Domigliara und Pescantina, die eine Viertelſtunde
Fahrzeit von einander entfernt ſind, geſchehen. Der Zug
kam wegen der gepflogenen Nachforſchungen mit einer
Verſpaͤtung von 17 Minuien in Verona an. In Pes-
cantina wurden am 1. d. zwei Strolche verhaftet, welche
der That bezichtigt find. Es hat ſich vor Kurzem auf

derſelben Bahnſtrecke ein ähnlicher Vorfall ereignet.
 
Annotationen