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Heidelberger Volksblatt (70) — 1935 (Nr. 77-149)

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Nr. 81 - Nr. 90 (5. April - 16. April)
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Pfälzer Note_Donnerstag, 11. April 19ZS

70. Jahrgang / Ar. 86

Wolken über Stresa

Der Anstatt der Konferenz / Das Sonderabkommen Frankreichs mit Moskau

i

zum

Unter der Ueberschrift Der Zyklus der Erkun-
dungsreisen muß abgeschlossen werden, erklärt
der in Stresa weilende Direktor der „Tribuna",
man müsse jetzt wissen, was die Abmachungen
von Rom und London wert seien. Gerade die
gestrigen Unterhauserklärungen Simons hätten
den negativen Charakter seines Besuches in Ber-
lin nur verschärft. Umso befremdlicher sei es,
daß Simon im Donaupakt vorwiegend die Ver-
bindung der italienisch-französischen Verständi-
gung sehe und vergesse, daß dieser Pakt im
Schlußkommuniquä der Londoner Besprechungen
nicht enthalten sei.

Der König von Schweden ist am Dienstag in
Paris «ngetroffen.

Japan und das russisch-französische Abkommen
DNB. Tokio, 10. April
Tie Gerüchte über ein russisch-französisches
Gentlemen-Agreement haben in Tokio großes
Aufsehen hervorgerufen. In hiesigen politischen
Kreisen wird halbamtlich mitgeteilt, daß das
japanische Außenministerium demnächst nach Ein-
treffen der Botschafterberichte aus Moskau und
Paris Stellung nehmen wird. Ter japamsche
Botschafter in der Sowjetunion, Ota, hat heute
seine Rückreise nach Moskau angetreten. Nur
zwei japanische bedeutende Blätter nehmen zu
den neuen russisch-französischen Abmachungen
Stellung nud betonen u. a., daß das in Paris
zwischen Laval und Potemkin erzielte Gentlemen-
Agreement nicht ohne Rückwirkung auf die Poli-
tische Lage im Fernen Osten bleiben wird.

Handlungsfreiheit für die Wahrung des Rech-
tes. und der Gerechtigkeit Vorbehalten."
In hiesigen politischen Kreisen glaubt man
darauf Hinweisen zu sollen, daß auf diese Be-
stimmung auch das französisch-polnische Abkom-
men und das französisch-tschechoslowakische Ab-
kommen, die dem Locarnovertrag angehängt
sind, Bezug nehmen.
Artikel 3 des neuen Abkommens endlich be-
faßt sich mit einem „flagranten Angriff". Er
zieht § 1 des Artikels 16 des Völkerbundsver-
trages heran, in dem gesagt wird, daß ein Mit-
gliedsstaat des Völkerbundes, wenn er sich zum
Kriege entschließt, ibso facto so angesehen wird,
als ob er eine kriegrische Handlung gegen alle
übrigen Mitgliedstaaten begeht. Unter diesen
besonderen Umständen könnten also, so wird wei-
ter in französischen Kreisen erläutert, die Ver-
teidigungsmaßnahmen in einem gewissen Rah-
men selbsttätig in Wirksamkeit treten.

McDonald über seine Mission
DNB London, IM April.
Am Mittwoch fand unter dem Vorsitz Mac-
Donalds eine Kabinettssitzung statt.
Vor seinem Abflug nach Paris am frühen
Nachmittag gab Ministerpräsident MacDonald
einem Pressevertreter folgende kurze Erklärung:
„Wir beginnen jetzt unsere Mission für die
internationale Freundschaft, für die Zusammen-
arbeit, für die gemeinsame Sicherheit und für
den Frieden. Ich hoffe von ganzem Herzen auf
einen Erfolg. Wir werden alles versuchen "

Mussolini aus der Jsola Vella
eingetroffen
DNB. Stresa, 10. April.
Kurz vor 12.00 Uhr mittags traf Mussolini in
einem mehrmotorigen Wasserflugzeug über dem
Lago Maggiore ein. Der in der Sonne hell glän-
zende Apparat zog eine Schleife über dem Boro-
mäischen Inseln, legte dann an der Jsola Bella
an, die der Duce, wie es heißt, während der
Konferenztage nicht verlassen wird. Ein Motor-
boot legte sofort bei dem Wasserflugzeug an
und brachte Mussolini auf die Insel. Die Stunde
der Ankunft war geheim gehalten worden, doch
hatte sich das Gerücht von der bevorstehenden
Ankunft schon vorher verbreitet. Der Aufmarsch
der Faschistenorganisation, vor allem der Marine-
Lalilla und die verschärfte Absperrung waren
ein sicheres Anzeichen hierfür.
Heute abend 10.15 Uhr trifft die französische
Delegation unter Führung von Flandin und
Laval ein, während die englische Delegation erst
am Donnerstag früh erwartet wird. Auch der
englische und der französische Botschafter in Rom
werden während der Tagung in Stresa anwesend
sein.

Heute vormittag erste
Dreimächtebesprechung
DNB Stresa, 10. April.
Das Programm für die Konferenz von Stresa,
die am morgigen Donnerstag beginnt, wurde
am Mittwochnachmittag offiziell bekanntge-
geben.
Die französische Abordnung trifft am Mitt-
wochabend um 22.30 Uhr in Stresa ein. Sie
wird begleitet vom italienischen Botschafter in
Paris, Mussolini wird sie auf dem Bahnhof in
Stresa empfangen. Am Donnerstag um 8.30
Uhr kommt die englische Abordnung an. Auch
sie wird von Mussolini begrüßt werden.
Die erste Besprechung der drei Regierungs-
chefs und ihrer Außenminister im Palazzo Bor-
romeo auf der Jsola Bella ist für Donnerstag
10.30 Uhr bestgesetzt. Unz 13 Uhr veranstaltet
der italienische Ministerpräsident ein Frühstück
zu Ehren der englischen und französischen Ab-
ordnung, dem sich in den frühen Nachmittags-
stunden Motorbootsfahrten auf dem Lago Mag-
giore anschließen sollen. Für den Nachmittag
ist die Wiederaufnahme der Verhandlungen zwi-
schen den englischen, französischen und italieni-
sechn Staatsmännern vorgesehen. Offizielle Ver-
anstaltungen sind nicht geplant.
Die italienische Abordnung weilt bereits voll-
zählig in Stresa. Gleichzeitig mit Mussolini
landete der italienische Unterstaatssekretär im
Außenministerium, Suvich, im Wasserflugzeug
vor der Jsola Bella. Der Kabinettschef des
Duce, Botschafter Baron Aloisi, traf mit Unter-
staatssekretär Ciano, Minister Bianchert und den
übrigen italienischen Vertretern mit der Bahn
in Stresa ein.

Rußland - Polen
Ergänzungsabkommen Moskau—Prag
Abkommen Paris—Moskau
DNB. Prag, 10. April
Die Abendblätter geben eine Meldung des
Tschechoslowakischen Preßbüros aus Paris wie-
der, in der es heißt:
Außenminister Laval traf bei einem Essen
auch mit dem Gesandten der Kleinen Entente
und den Staaten des Balkanpaktes zusammen.
Er legte ihnen die Hauptgrundzüge des franzö-
sisch-sowjetrussischen Abkommens dar, das in der
allernächsten Zeit, höchstwahrscheinlich bei dem
Besuch Dr. Benesch' in Moskau, durch ein ähn-
liches russisch-tschechoslowakisches Abkommen er-
gänzt werden soll. Tie letzten technischen Moda-
litäten des französisch-sowjetrussischen Abkommens
werden in der nächsten Woche in Genf zwischen
Litwinow und Laval abschließend beraten werden.
Der Pakt wird noch vor dem 1. Mai in Moskau
unterzeichnet werden. Laval wird am 23. April
nach Sowjetrußland reisen.

Italien fordert bestimmte
Entscheidungen
DNB Rom, 10. April.
Am Vorabend der Dreierbesprechung von
Stresa betont die römische Presse nochmals über-
einstimmend und in sehr bestimmter Form die
Notwendigkeit, daß in Stresa Richtlinien für
eine gemeinsame Aktion der drei Westmächte
festgelegt werden müßten. Mit deutlichem Miß-
v-ergnügen wird das Wort Simons über den Er-
kundungscharakter der Besprechungen von Stresa
kritisiert und Front gegen die „britische Ver-
zögerungstaktik" gemacht.

Msionen
oder Verantwortung?
Zur Konferenz von Stresa
Es war am 11. Oktober 1925, da tagte auf
der anderen Seite desselben oberitalienischen
> Sees, an dem in naturschöner Umgebung Stresa
liegt, eine Konferenz der Mächte, unter denen
sich auch das hartbedrängte ohnmächtige Deutsch-
- land befand: es war die Konferenz von Locarno.
In Stresa wird nun alles darauf ankommen,
ob sich die Staatsmänner Englands, Frankreichs
' und Italiens bewußt bleiben, welche Pflicht und
Verantwortung sie vor nunmehr fast zehn Iah-
ren in Locarno übernommen haben. Denn dort
verpflichteten sich die Delegierten ihrer Länder
durch nochmalige feierliche Unterschrift, „die im
Art. 8 der Völkerbundssatzung vorgesehene Ent-
waffnung zu beschleunigen" und an den „vom
Völkerbund bereits aufgenommenen Arbeiten
hinsichtlich der Entwaffnung aufrichtig mitzu-
wirken und die Verwirklichung der Entwaffnung
in einer allgemeinen Verständigung anzu-
streben."
Ein Besinnen darauf und ein Handeln danach
wäre verantwortungsbewußt. Verhängnisvoll
für den Ausgang von Stresa wäre es aber,
wenn man weiterhin hinter Illusionen wie Ab-
rüstung, Militärbündnisse, Hegemoniestellung in
Europa jagen würde, alles letzten Endes mit
dem Ziel der Niederhaltung Deutschlands, und
wenn man noch glaubte, damit dem Frieden
Europas und der Welt zu dienen.
Eine verantwortungsbewußte Schlußfolgerung
aus jener Locarno-Verpflichtung, die noch ein-
mal die in der Völkerbundssatzung festgelegte
allgemeine Verpflichtung zur Abrüstung eindeu-
tig bestätigte, müßte endlich mit der Behaup-
tung, Deutschland hätte die gegenwärtige ge-
spannte Lage verschuldet, aufräumen. Wer ein-
seitig die Verträge verletzt hat, dürfte nunmehr
wohl klargestellt sein: doch diejenigen, die ent-
gegen ihren Verpflichtungen nicht nur nicht ab-
gerüstet, sondern im Uebermaß ausgerüstet haben.
An dieser Tatsache haben trotz gegenteiliger Be-
hauptung weder die Protokolle von Rom und
London etwas geändert, noch würden dahin-
gehende erneute, selbst „moralische Verurteilun-
gen" etwas ändern- Solche Feststellungen wür-
den auch keineswegs dazu beitragen, den wah-
ren Grund der gegenwärtigen ernsten Situation
in Europa zu treffen.
Denn worum geht es eigentlich in Stresa?
Um Entspannung und Befriedung der euro-
päischen Lage. Diese wird aber niemals durch
eine weitere Niederhaltung und Isolierung
Deutschlands aus der friedlichen Zusammen-
arbeit der Mächte erreicht werden. Versucht man
aber aus dem, was seither über die diplomati-
schen Verhandlungen der Kabinette in Vorbe-
reitung der Stresa - Konferenz bekannt wurde,
vorherzusagen, was uns die Zusammenkunft der
Ministerpräsidenten bringen wird, dann ist man
Fark versucht, so manche in der Weltöffentlichkeit
auftauchende Erwartungen in den Bereich der
Illusion zu verweisen.
Ein trauriges Bild der Verworrenheit und
Gegensätzlichkeit bietet sich dem objektiven Beob-
achter im Augenblick dar. Ueberall Gegensätze!
Gegensätze unter den drei beteiligten Regierun-
gen, Gegensätze innerhalb der einzelnen Regie-
rungen selbst, Gegensätze zu den verbündeten
Mächten, Gegensätze vor allem zu Deutschland
und Polen. Es ist wahrlich schwer, für Stresa
den Propheten zu spielen.
Schwache Hoffnung auf ein positives Ergebnis
bietet allenfalls England. Die Reise des
Lordsiegelbewahrers Eden hat gezeigt, daß der
von Deutschland immer mit guten Gründen be-
kämpfte Ostpakt tot ist. Bei aller Gespanntheit
der gegenwärtigen Lage gibt man dennoch in
England nicht die Hoffnung auf, daß man über
Stresa zu einer Besserung der Beziehungen mit
Deutschland gelangen könnte . Man hofft dies
durch eine größere Konferenz, an der auch
Deutschland teilnehmen würde, zu erreichen. Im
übrigen ist Ker« und Stern der englischen Pläne

Das Abkommen Paris -Moskau
Französische Abschwächungsversuche
Paris, 10. April.
Die bisherigen Veröffentlichungen über die
Erundzüge des französisch-sowjetrussischen Ab¬
kommens. das in Genf seine endgültige Form
erhalten und in Moskau unterzeichnet werden
soll, waren ziemlich unklar. Selbst in franzö-
sischen Kreisen war der Eindruck entstanden,
daß sich hier eine reglrechte Allianz anbahne.
Dieser Eindruck wird auch durch die nunmehr
bekannten Einzelheiten nicht behoben, sodaß ein
Blatt wie „La Presse" sein Urteil, es handele
sich um ein Bündnis, und ein Bündnis mit
Sowjetrußland bedeute den Krieg, voll auf-
rechterhält. Sehr bezeichnend ist auch, daß das
„Journal des Debots" seine grundsätzlichen Be¬
denken gegen den Bolschewismus zurückstellt und
im Hinblick auf die angebliche deutsche Gefahr
erklärt, bei der jetzigen Lage Europas könne
dieses Abkommen eine Notwendigkeit
werden. „Die in Aussicht genommene Kombi¬
nation scheint uns ein Höchstmaß von Vorteilen
und ein Mindestmaß von Nachteilen zu bieten."
In den zuständigen französischen Kreisen be-
müht man sich eifrig, den Eindruck, als wolle
man ein Bündnis mit Sowjetrußland eingehen,
zu vertuschen. Man betont, daß das grundsätz-
liche französisch-sowjetrussische Einvernehmen
lediglich auf den Völkerbundspakt bezugneh-
mende rechtliche Fragen kläre und daß dieser
„rechtliche Rahmen" erst später mit einem ge-
nauen Inhalt ausgefüllt werden solle. Gewiß
könne der zweiseitige Charakter des Abkom-
mens in seiner jetzigen Form auffallen, aber
seine Verwirklichung würde wahrscheinlich ein
gleiches Abkommen zwischen der Tschechoslowakei
und Sowjetrußland nach sich ziehen. Außerdem
könne die Formel auch von anderen Staaten
angenommen werden, was zur Verallgemeine-
rung des gegenseitigen Beistandes in Europa
führen könnte. Die Angaben aus unterrichteten
französischen Kreisen gestatten jedenfalls, sich
heute ein klareres Bild von dem sogenannten
grundsätzlichen Abkommen zu machen. Der erste
Artikel des Abkommens ist eine Art Präambel,
die auf folgende Artikel des Völkerbundsver-
trages Bezug nimmt: Artikel 10 (gebiets-
mäßige Unversehrtheit und politische Unab-
hängigkeit der Mitgliedsstaaten,), Artikel 16
(Sanktionsverfahren), Artikel 17 (Anwendung
dieses Verfahrens auf ein Nichtmitglied des
Völkerbundes). Die Präambel bezieht sich fer-
ner auf § 2 des Artikels 16 des Völkerbunds-
paktes. (Dieser Paragraph zieht, falls ein
Staat zum Kriege schreitet, die militärischen
Maßnahmen in Betracht, durch die man die
Achtung vor den Völkerbundsverpflichtungen
erzwingen könnte.)
Artikel 2 des neuen Abkommens betrifft
solche Streitfälle, die kein sofortiges Eingreifen
der Nichtunterzeichner erfordern. Dieser Artikel
greift zurück auf § 7 von Artikel 15 des Völ-
kerbundspaktes, aufgrund dessen die Völker¬
bundsmitglieder, falls der Völkerbundsrat sei-
nen Standpunkt nicht durchsetzen kann, „sich
 
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