Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Heidelberger Volksblatt (70) — 1935 (Nr. 77-149)

DOI Heft:
Nr. 81 - Nr. 90 (5. April - 16. April)
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.43254#0049
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext

Bezugspreis: Durch Botenzustellung u. Post monatl. 2.00 bei der Geschäftsstelle
abgcholt 1.80 Einzelnr. 10 Erscheint wöchentl. 6 mal. Ist die Zeitung am Er.
scheinen verhindert, besteht kein Anrecht auf Entschädigung. Anzeigenpreis: Die Ispalt.
Millimeterzoile (46 mm br.) 7 Textteil: Die 70 mm br. Millimererzeile 25 Bei
Konkurs u. Zwangsvergleich erlischt je-. Anspruch auf Nachlaß. Gerichtsst.: Heidelberg.
Selnmirrltune mit den Beilagrn: Sonntag der SM/Lrlnmtamte


Schriftleitung und Geschäftsstelle: Heidelberg, Bergh. Str. 59/61, Tel. 7181. Geschäft»,
stunden: 7.30 bis 18 Uhr, Sprechstunden der Redaktion: 11.30 bis 12.30 Uhr. Anzeigen.
Mutz: g Uhr, Samstag 8.30 Uhr vormittags. Für fernmündlich übermittelte Auf.
träge wird keine Gewähr übernommen. Postscheck-Konto Karlsruhe Nr. 8108.
Unverlangte Beiträge ohne Rückporto werden nicht zurück-gesandt.
Mltnichakt und Kunst / Aus der Wrlt ter Frau / Sie Leleltunte

Pfälzer Sole

Samstag, 6. April isss

70. Jahrgang / Ar. 82

Oie Kulturpolitik im Dritten Reich
Gnm-sWche Aede -es Reichsminiflers Aust vor -en rheinischen Erziehern

DNB. Köln. 6. April.
Aus Anlatz des Kölner Besuchs des Reichs-
ministers für Erziehung und Volksbildung Rust
fand am Freitag abend in der Rheinlandhalle
in Köln eine große kulturpolitische Kundgebung
statt, an der die Erzieher der Rheinprovinz, so-
wie Führer und Führerinnen der HI und des
BdM und Abordnungen der DAF teilnahmen.
Schon lange vor Beginn der Kundgebung waren
die riesige fast 10 000 Menschen fassende Halle
sowie die Nebensäle überfüllt.
Nach einleitenden Ansprachen des Gauleiters
Staatsrat Erohe und des kommissarischen
LNerpräsidenten der Rheinprovinz Staatsrat
Terboven nahm Reichsminister Rust das
Wort zu einer grundlegenden Rede.
Deutschland ist für uns, so führte der Mini-
ster aus, niemals etwas anderes als die Summe
seiner Menschen. Der Nationalsozialismus ist
nicht gekommen, für irgendeine Ideologie den
Einsatz der Gefolgschaft zu fordern, denn jeder,
der zur Fahne kam, wußte, daß seine Aufgabe
nur sein konnte, am Neuaufbau des deutschen
Volkes zu helfen, mit dessen Bestand oder Unter-
gang auch sein Schicksal sich entschied. Leider gab
es in Deutschland eine Reihe von Menschen,
denen die Zielsetzung der nationalsozialistischen
Bewegung nicht ausreichte, und die forderten,
daß das deutsche Volk auch über eine gemein-
same Weltanschauung hinaus gesammelt werden
müsse in einer gemeinsamen Auffassung über
das, was jenseits von Volk und Raum liegt.
Sie wollten auch die religiöse Einigung des
deutschen Volkes auf das Programm der
Bewegung gesetzt sehen.
Adolf Hitler hat diesem Wollen nicht eine
Minute und einen Zentimeter Raum gegeben.
Eewih hat es in der Weltgeschichte Gestalten ge-
geben, die zu gleicher Zeit als religiöse Führer
und Völkische Freiheitshelden aufgetreten sind.
Der Führer hat niemals für sich den Anspruch
erhoben, auf diesem Gebiet auch nur teilweise
maßgebend zu sein. Diejenigen, die der Meinung
sind, daß auch eine religiöse Einigupg möglich
sei, müssen sich klar darüber werden, daß aus
den Mann, der diese Frage löst, schon seit 4 0 0
Jahren vergeblichgewartet wird. Es
ist niemand verwehrt worden, als religiöser Ge-
sandter diese große Aufgabe zu lösen, aber wir
haben ihn nicht gesehen. Luther hat nicht gesiegt
und auch die Gegenreformation hat den Kampf
nicht gewonnen. Deshalb ist Deutschland weder
ein Land des Protestantismus noch ein Land des
Katholizismus. Durch diesen innenpolitischen
Hader wird das deutsche Volk wohl krank, aber
niemals nach außen gestärkt. Wenn aber das
deutsche Volk in einem einzigen großen Willens-
einsatz seine Kräfte zusammenfatzt, dann wird es
-keine Macht der Erde geben, die dieses Volk
wieder in die Geschichte zurückzuwerfen vermag.
Adolf Hitler ist bei der Ablehnung des An-
spruchs einer religiösen Sendung nicht stehen
geblieben, sondern als Führer der nationalsozia-
listischen Bewegung weitergegangen. Er hat in
aller Deutlichkeit den Satz in sein Programm
hineingesetzt:
Der Nationalsozialismus bekennt sich zum
positiven Christentum.
Religiöse Sendung ist dazu da, die Menschen zu
bessern und sie in ihrem Leben und in ihrer
Verantwortung gegenüber den Mitmenschen und
gegenüber der Nation zu einer sittli n Grund-
haltung zu bringen. Wenn aber in verschiedenen
Kreisen geglaubt wird, daß der Streit um kirch-
liche Dinge fortgeführt werden mutz, dann soll
er dort ausgetragen werden, wo der Platz da-
für ist. Wir wollen das Kreuz auf den Kirchen
schützen, aber wir wollen das Hakenkreuz auf
den Thing- und Sportplätzen leuchten lassen. Wir
kommen niemanden ins Gehege und müssen for-
dern, dah man auch uns bei Lösung aller Pro-

bleme, die wir uns nicht selbst aufgeladen haben,
sondern die uns das Schicksal auf die Schultern
gelegt hat, nichts hineinrede.
Ich habe nicht gehört, daß in der katholischen
Kirche politische Doktrinen auf dem Index
ständen. Ich habe nicht gehört, datz dort jemals
ein Mensch etwa ausgestoßen worden wäre, weil
er Monarchist oder Republikaner war. Die
Kirche ist nach ihrer ganzen Art auf poli -
tische Fragen nicht eingestellt. Wenn
wir eine politische Glaubensgemeinschaft haben
wollen, warum verlangt man von uns, daß wir
uns unsererseits auf dem Gebiet der religiösen
Fragen betätigen? Zweimal hat der Führer
sein Wort gegeben, daß er nicht nur die Kirche,
sondern
auch ihre Bekenntnisse schützen
werde. Wenn aber wie heute in der großen
evangelischen Kirche eine volle Einheit über das
Bekenntnis nicht erreicht wird, dann ist es
natürlich auch für den Staat ungeheuer schwer,
sein Wort zu erfüllen. Der Schwierigkeiten, die
sich gerade in diesem Punkte uns entgegenstel-
len, bin ich mir voll bewußt. Aber gerade des-
halb will ich, daß alles geschieht, damit die maß-
gebenden politischen Führer, vor allem die Füh-
rer der Jugend, nach dem Befehl des Führers
handeln und damit die letzte Möglichkeit denen
nehmen, denen es nicht um Gott geht, sondern
um eine langsame Unterminierung einer Be-
wegung, mit der heute und für immer Deutsch-
land auf Gedeih und Verderb verbunden ist.
Ich muß nun heute sagen, daß es nicht mehr
angeht, in diesem Punkte zweierlei Marschrich-
tung zuzulassen Die Forderung, die Sie stellen
können, ist die, daß Ihnen in Ihrem religiösen
Empfinden und in Ihrer religiösen Zielsetzung
von uns keine Schwierigkeiten entgegengestellt
werden. Ich erkenne diese Forderung an. Ich

Das Ergebnis -er Rundreise
DNB London, 5. April.
Der Sonderkorrespondent der „Times" be-
faßt sich mit dem Ergebnis des kurzen Besuches
Edens in Prag. Eden habe feststellen können,
datz die Tschechoslowakei für den Fall,
daß Deutschland und Polen sich abseits halten
sollten, entschlossen sei, den Ostpakt mit
Frankreich und Sowjetrußland abzuschließen.
Freilich sei mit diesem Abschluß, wie der tschecho-
slowakische Minister des Auswärtigen, Benesch,
betont habe, noch nicht zu rechnen, solange
Laval seinen Besuch in Moskau und Warschau
noch nicht abgestattet habe. Von Polen erwarte
Dr. Benesch nicht mehr, daß es seinen Stand-
punkt ändern werde. Geschehe es doch, so sei
das umso besser. Auf alle Fälle werde der
Pakt Paris—Moskau—Prag Zustandekommen,
wenn ein annehmbarer anderer Weg nicht noch
gefunden werden sollte-
Der „Times"-Korrespndent nimmt an, daß
nach diesen Erklärungen Veneschs bei Eden
wohl kaum mehr ein Zweifel an der Aus-
sichtslosigkeit des Ostpaktplanes
vorhanden sein könne. Vermutlich sei Eden
nunmehr genötigt einzusehen, datz die einzige
brauchbare Methode der Sicherung des euro-
päischen Friedens nicht mit einem System regio-
naler Pakte bestehen könne, sondern in einer
umfassenden gesamteuropäischen Regelung.
Daß England nicht bereit sein werde,
irgendweleche weitere Garantien für gewiss«
Grenzen in Europa zu übernehmen, habe man
in Europa jetzt begriffen. Trotzdem aber sei
man auf dem Kontinent der Meinung, ein Eng-
land, das die Rolle des allgemeinen Friedens-

stelle die Gegenforderung: Für die
Jugend unseres Volkes, die einst in eiserner
Geschlossenheit, wenn sie Männer geworden sind,
beieinander stehen soll, muß es heißen: eine
Jugend steht unter einer Flagge, und sie ist da
(wobei der Minister auf die an der Kund-
gebung teilnehmende HI hinwies — Langan-
haltender stürmischer Beifall). Ich werde in
der nächsten Zeit mit verschiedenen Maßnahmen
dieser Jugend auch von mir aus noch stärker
unter die Arme greifen. Sie soll an uns nicht
nur Zeugen ihres jugendmutigen Ringens
haben.
Ich habe ein Wort an die Erzieher des Rhein-
lands zu richten. Wer sagt: Ich stehe zum
Staat, den frage ich: Wo ist der Beweis? Ich
will wissen, ob Du dafür sorgst, was später
kommt; für die Gegenwart sind Partei und
Staat da.
Der Erzieher ist für die nächste Generation da.
Wenn wir eine Generation weitergeführt haben,
wenn wir einmal an einer Generation einen
Beweis geliefert haben, dann liegt der deutsche
Weg offen. Wenn Du deutscher Erzieher sein
willst, mußt Du hier Deine Verantwortung füh-
len. (Begeisterte Zustimmung.) Ich will noch
ein Wort hinzufügen: Ich glaube an Dich, deut-
scher Erzieher, daß Du Deine Pflicht begreifst.
Und dann kommt die Stunde, wo der Erzieher
Dich fragt, ob er das Kind auch richtig geführt
habe in der Verantwortung vor Gott.
Ich unterschätze diese Gewissensbisse nicht. Aber
darüber braucht Ihr nicht mehr zu grübeln und
Euch zu quälen. Letzten Endes, glaube ich, kön-
nen wir immer bestehen, wenn wir sagen kön-
nen: Ich habe das getan, was ich vor meinem
deutschen Volk tun mußte. (Anhaltende stür-
mische Zustimmungskundgebungen.)

stifters spielen wolle, müsse sich auch bereit zei-
gen, an einem europäischen System teilzuneh-
men, das einen etwaigen Bruch des Friedens
abzuwehren bestimmt sei. In politischen Kreisen
Großbritanniens hersche der Eindruck vor, daß
die eben beendete Besuchs-Rundreise sich als
sehr wertvoll erwiesen habe. Aus den Ergeb-
nissne dürfe man zwar nicht die Hoffnung ab-
leiten, daß es leicht sei eine Lösung zu finden.
Zum mindesten aber habe die Reise nicht das
negative Ergebnis gehabt, feststellen zu müssen,
daß eine Lösung unmöglich sei. Ueberall herrsche
zwar allgemeine Unruhe, aber ein Anlaß zu un-
mittelbaren Befürchtungen sei nirgends zu ent-
decken. Wie schon gestern der Leitartikel der
„Times" betont auch dieser Korrespondent-
bericht, daß Großbritannien, gestützt auf das
große Ansehen, das es zurzeit genieße, in der
weiteren Entwicklung der Dinge eine führende
Rolle zu spielen haben werde.
„Lorriere della Sera"
verlangt Entschlüsse >
DNB Mailand, 5. April. „Lorriere della z
Sera" befaßt sich mit Aeutzerungen der englischen
Presse, wonach die Konferenz von Stresa ledig- -
lich dazu dienen soll, die italienische und die
französische Regierung über die Feststellungen!
Simons und Edens zu unterrichten. Dem Lor-!
riere ist dieses Programm zu bescheiden. Das!
Blatt erklärt, wenn die Konferenz von Stresa
Nutzen bringen solle, müsse sie den Ueber-
gang zu einer Aktion Varstellen. Es sei
zu hoffen, daß sowohl Frankreich als auch Eng-
land, dir sich bisher daraus beschränkt hätten, zu

Tiach der Rückkehr Edens

Ein Mordanschlag
gegen Roosevelt ausgedeckt?
DNB. Boston, 5. April. Bundesgeheimdienst-
beamte verhafteten am Freitag in dem Bostoner
Stadtteil Cambridge den 29jährigen Arbeitslose«
Thomas F. Murphy, der beschuldigt wird, einen
Mordanschlag gegen Präsident Roosevelt vorbe-
reitet zu haben. Wie von den Behörden erklärt
wird, hat Murphy am 27. März an Roosevelt
einen dreiseitigen Brief geschrieben, worin er sich
beschwerte, datz er keine Arbeit bekommen könnte.
Der Brief schloß mit dem Satz: „Ich werde Sir
ermorden, falls ich keine Antwort erhalte".

beratschlagen, dazu übergehen würden, Ent-
schlüsse zu fassen. Dafür sei Flandins Rede
ein gutes Anzeichen.
Ein aufschlußreicher Vries
Ein Brief des Völkerbundskommissars von
Danzig an den Völkerbund
DNB Danzig, 5. April.
In mehreren ausländischen Zeitungen wird
ein Brief des Völkerbundskommissars von Dan-
zig, Lester, an den Generalsekretär des Völ-
kerbundes, I. A. Avenol, veröffentlicht Die
größte Zeitung der schwedischen Universitäts-
stadt Lund. „Lunds Dagblad", veröffentlicht
diesen Brief im Wortlaut, der vom 22. Fe-
bruar datiert und der, wie sie schreibt, auf die
Verhältnisse in Danzig ein bezeichnendes Licht
werfe
In dem Brief heißt es wie folgt:
„Der Volkstag hat sich, seitdem ich nach Dan-
zig gekommen bin, ungefähr drei oder viermal
versammelt, und zwar nur für kurze Tagungen,
jedesmal etwa nur für ein bis zwei Stundern.
Gegenstand der Verhandlungen waren regel-
mäßig alltägliche Dinge, wie die Aufhebunrg
der Iyrmunität eines Abgeordneten usw. Die
Versammlung über die Auflösung des Volks-
tags hat gestern stattgefunden. Ich habe noch
keine Mitteilung über diesen Gegenstand erhal-
ten, aber der Marchese Giustiniani ist in
meinem Auftrag in der Sitzung anwesend ge-
wesen, und ich habe ein Memorandum des so-
zialdemokratischen Journalisten Brost erhalten.
Der Präsident des Senats sprach, indem er er-
klärte. warum er die Auflösung wünschte, und
er wurde bekämpft vom Führer der Zentrums-
partei und vom Führer der Sozialdemokraten.
Ich werde ihre Reden kurz zusammenfassen,
wenn ich einige Texte habe.
Einige Vorfälle haben sich ereignet, wobei es
ziemlich hoch herging.
Der Völkerbundskommissar schildert dann dis
bekannten Vorgänge in der Volkstagssitzung,
über die die Presse seinerzeit ausführlich berich-
tet hat, und zwar, wie er verschiedentlich er-
wähnte, aufgrund der Darstellung des Vertre-
ters der sozialdemokratischen „Volksstimme",
Brost Zur Erklärung bemerkt er, „daß die
Pressegalerie viel näher an der Regierungs-
bank liegt als die Diplomatengalerie, und datz
infolgedessen hier nicht alle Bemerkungen ge-
nau zu verstehen waren." Er faßt seinen Be-
richt in dem Urteil zusammen, datz „die Ge-
schehnisse für Parlamente nicht ungewöhnlich
sind", wobei er sich aber über das Verhalten
des Danziger Senatspräsidenten kritisch äuhert
und Gerüchte über sein früheres Auftreten im
Hafenausschuß wiedergibt Der Brief schließt
wörtlich mit dem folgenden Satz: „Brost steht
natürlich in einem Gegensatz zum Senat, weil
er bekannt ist als Kanal, der von der Sozial-
demokratischen Partei als Verbindung zu mir
benutzt wird. Dies zu Ihrer Information."
„Lunds Dagblad" kommentiert den Bries
wie folgt:
„Die Lage Danzigs, bildlich gesprochen, zwi-
schen Deutschland, Polen und dem Völkerbund,
verleiht deutlich den politischen Leidenschaften
eine erhebliche Schärfe, und man kann den an-
geblichen Kummer des Kommissars über dis
verwickelte Lage verstehen, vor allem, weil er
nach dem letzten Satz des Briefs nicht ganz frei
von Beeinflussung dasteht, eine Feststellung, di«
in einem mehr oder weniger öffentlichen Nktttv
stück recht bemerkenswert ist."
*
Hierzu bemerkt DNB: Wie erinnerlich, gia»
kürzlich durch verschißene ausländische ZsttNN-
 
Annotationen