Bezugspreis: Durch Botenzustellung u. Post monatl. 2.00 Lei der Geschäftsstelle
abgeholt 1.80 Einzelnr. 10 Erscheint roöchentl. 6 mal. Ist die Zeitung am Er-
scheinen verhindert, besteht kein Anrecht auf Entschädigung. Anzeigenpreis: Die Ispalt.
Millimeterzsile (46 mm br.) 7 Textteil: Die 70 mm br. Millimeterzoile 25 Bei
Konkurs u. Zwangsvergleich erlischt jed. Anspruch auf Nachlaß. Gerichtsst.: Heidelberg.
Srlmatzriluns mit ten Vrilssrn: Seimtag örr Serk/Seimatwarte
Schriftleitung und Geschäftsstelle: Heidelberg. Bergh. Str. 59/61, Tel. 7181. Geschäfts,
stunden: 7.30 bis 18 Uhr, Sprechstunden der Redaktion: 11.30 bis 12.30 Uhr. Anzeigen«
schlutz: 9 Uhr, Samstag 8.30 Uhr vormittags. Für fernmündlich übermittelte Auf«
träge wird keine Gewähr übernommen. Postscheck-Konto Karlsruhe Nr. 8108.
Unverlangte Beiträge ohne Rückporto werden nicht Wrückgssandt.
WMMail und Kunst / Aus drr Wrtt drr Frau / Sir Lrleitundr
Pfälzer Volk
Samstag, 25. Bai 1S3S
70. Jahrgang / Ar. 121
Die Sanktionsfrage vor dem Völkerbund
Sitzung des Ausschusses für die Prüfung von wirtschaftlichen und finanziellen Sanktionen
Die französische Denkschrift
DNB. Genf, 24. Mai.
Die französische Denkschrift zur Sanktions-
frage, die im wesentlichen juristischen
Charakter hat, geht davon aus, daß der Völker-
bundspakt zwar die gewissenhafte Einhaltung
aller Vertragsverpflichtungen zu einer wesent-
lichen Voraussetzung der internationalen Zu-
sammenarbeit und der Gewährleistung des
Friedens und der Sicherheit mache, aber keine
ausdrücklichen Bestimmungen über die Aufkün-
digung von Verträgen enthält, jedoch ergeben
sich aus den allgemeinen Pflichten des Völker-
bundes entsprechende Befugnisse des Völker-
bundsrates, so daß eine Abänderung des Pak-
tes nicht notwendig sei. Im Sinne der Ent-
schließung vom 17. April könne der europäische
Friede entweder dadurch gefährdet werden, daß
die einseitig aufgekündigten Bestimmungen eine
überragende politische Bedeutung haben oder
dadurch, daß mit dieser Aufkündigung Maßnah-
men einhergehen, wie die Herstellung von
Rüstungen oder die Anhäufung von kriegswich-
tigen Vorräten, aus denen sich begründete Zwei-
fel über die friedlichen Absichten des Vertrags-
brüchigen Staates ergeben. In einem wie im
anderen Falle handle es sich um eine Kriegs-
drohung. Aufgabe des Ausschusses sei es,
dem Rat Vorschläge zu unterbreiten, die einer
solchen Drohung wirksam entgegenzutreten ge-
statten. Um den Vertragsbrecher zu einer rich-
tigen Auffassung seiner Interessen und seiner
internationalen Pflichten zurückzubringen, müsse
die erste Sorge darin bestehen, ihm die Voll-
endung seiner Vorbereitungen unmöglich zu
machen. Es sei im allgemeinen nicht notwendig,
Maßnahmen in Aussicht zu nehmen, die das
gesamte Wirtschaftsleben des Landes
stören. Vielmehr sei es erforderlich und aus-
reichend, die begrenzte Anzahl von Fertigfabri-
katen und Rohstoffen zu bestimmen, die der ver-
tragbrüchige Staat sich außerhalb seines Gebie-
tes beschaffen müsse und deren Entziehung seine
Vorbereitungen hemmen würden. Bei allen
Ländern ohne Kriegsindustrie könne es genü-
gen, Waffen und Materialsendungen anzuhal-
ten. Für andere mit entsprechender Kriegs-
industrie bestehe die Aufgabe darin, ihre un-
mittelbare oder mittelbare Versorgung mit ge-
wissen, für diese Industrien unentbehrlichen
„Schlüsselprodukten" zu unterbinden.
Für Länder, die über alle wichtigen Rohstoffe
verfügen, müsse die beabsichtigte Maßnahme
einen anderen Teil ihrer Einfuhr treffen. Bei
allen schließlich trete das Finanzproblem, z. B.
Kreditsperre, ein. Die französische Denk-
schrift meint, daß dieses System erst voll wirk-
sam werden könne, wenn sich an ihm die nächst-
beteiligten Staaten im Rahmen der so oft be-
fürworteten Regionalabkommen beteiligten. Je-
denfalls sei die Mitwirkung der europäischen
Staaten, die die hauptsächlichsten Rohstoffmärkte
besitzen oder beherrschen, unerläßlich. Jedoch
dürfe das Vorgehen der nächstbeteiligten Staa-
ten dem Völkerbundsrat weder seine Vorrechte
nehmen noch ihn von seiner Verantwortung
entlasten. Die französische Denkschrift saßt ihre
Anregungen zusammen in dem Vorschlag, ein
Protokoll auszuarbeiten, das allen euro-
päischen Staaten zur Unterzeichnung offen-
stehen soll. In diesem Protokoll sollen sich die
Unterzeichner im Falle einer vom Völkerbunds-
rat festgsstellten Verletzung einer Verpflichtung,
die die Sicherheit der Völker und die Aufrecht-
erhaltung des Friedens in Europa berührt, da-
zu verpflichten, die Empfehlungen des Völker-
bundes auszuführen und sich außerdem über die
Maßnahmen zu verständigen, die notwendig
sind, um die Ausfuhr von Kriegsmaterial wie
von allen näher zu bezeichnenden Rohstoffen
und anderen Erzeugnissen nach dem Gebiet des
Vertragsbrüchigen Staates zu verhindern. Die
Durchführung dieser Verpflichtungen soll durch
die erforderlichen Abkommen allgemeiner oder
regionaler Art gesichert werden. Außereuro-
päische Staaten sollen im Interesse der Auf-
röchtyrhaltung des Friedens aufgefordert wer-
den, unter noch zu prüfenden Bedingungen die
Durchführung dieser verschiedenen Vereinbarun-
gen zu erleichtern. Die juristischen Ausführun-
gen der französischenDenkschrift legen besonderen
Wert auf den Nachweis, daß im Falle einer
! Entschließung des Völkerbundsrates über eine
Vertragsverletzung — diese Entschließungen sol-
len stets aufgrund von Artikel 11 des Paktes
erfolgen — die Stimme des beschuldigten Staa-
tes bei Berechnung der Einstimmigkeit nicht in
Betracht kommen könne. Sie erinnert anhand
früherer Entscheidungen des Haager Gerichts-
hofes an den Grundsatz, daß niemand Richter in
eigener Sache sein könne und erklärt, die fran-
zösische Regierung wünsche, daß dieser Grund-
satz heute formell registriert werde.
*
Wenn man sich das Zustandekommen des
Ratsbeschlusses vom 17. April vergegenwärtigt,
dann wird man daran zweifeln können, ob sich
die europäischen Völkerbundsmitglieder, ge-
schweige denn die Nichtmitglieder tatsächlich
ohne weiteres dazu hergeben und verpflichten
werden, eine Blankovollmacht dahingehend zu
erteilen, daß der Völkerbundsrat derartige
schicksalsschwere Entscheidungen von sich aus
trifft.
Einwände Spaniens
Die Sitzung des Genfer Sanktionsausschusies
DRV. Genf, 24. Mai.
Der Dreizehnerausschuß für die Prüfung von
wirtschaftlichen und finanziellen
Sanktionen im Falle künftiger Vertrags-
verletzungen ist Freitag nachmittag unter dem
portugiesischen Vertreter Caeiro da Matta zu-
sammengetreten. Massigli-Frankreich unterbrei-
tete die französische Denkschrift zur Sank-
tionsfrage, die, wie er hoffe, durch konstruktive
Anregungen anderer Vertreter ergänzt werde.
In der darauf folgenden Aussprache machte
Ma d a r i a g a-Spanien auf die Schwierigkei-
ten aufmerksam, auf die ein Aufbau des Sank-
Mussolini lehnt die
Emigungssormel ab
DNB Genf, 24. Mai.
Der Optimismus, der noch am Freitagmittag
besonders in französischen Kreisen über den ita-
lienisch-abessinischen Konflikt vertreten würde,
wird am Nachmittag nicht mehr für berechtigt
gehalten, nachdem bekannt geworden ist, daß der
italienische Regierungschef auch die letzte Eini-
gungsformel, die praktisch eine Vertagung der
Angelegenheit bis mindestens September vor-
sah, abgelehnt hat.
Die allgemeine Ungewißheit bringt es mit
sich, daß auch über die Dauer des Genfer Aufent-
halts des französischen Außenministers wider-
sprechende Gerüchte in Umlauf sind. An sich will
Laval schon heute nach Paris zurückkehren, um
gegebenenfalls Anfang nächster Woche, wenn es
der italienisch-abessinische Konflikt erfordern
sollte, wieder in Genf zu sein.
Doch Kompromiß?
DNB Genf, 24- Mai.
Nach einem Tag voll angestrengter Verhand-
lungen über den italienisch-abessinischen Streit,
die durch wiederholte Rückfragen in Rom fast
stündlich in einen neuen Abschnitt eintraten,
wurde gegen 23.00 Uhr im Völkerbundshause
mitgeteilt, daß die angekündigte Nachtsitzung
des Rates stattfinden werde.
Um 23.00 Uhr betraten Laval und Aloisi das
Völkerbundshaus, wo nach dem Eintreffen von
tionssystems stoßen würde, solange manche
Staaten und besonders gewisse Großmächte denk
Völkerbund nicht angehörten.
Gemeinsam mit den Sanktionen müßten wei-
ter nach Ansicht Madariagas die Kriegs-
vorbeugungsmaßnahmen entwickelt
werden. In diesem Zusammenhang sei zum Bei-
spiel die Inkraftsetzung des Abkommens über die
Verhütung des Krieges wünschenswert, sowie
der Abschluß eines Abkommens über den Waf-
fenhandel, die Waffenherstellung und die Auf-
stapelung von Waffen und Kriegsmaterial so-
wie die Verstärkung der Artikel 18 und 20 des
Völkerbundspaktes.
Madariaga hob weiter die technischen Schwie-
rigkeiten einer Anwendung von wirtschaftlichen
und finanziellen Sanktionen hervor. Interessant
schien ihm die in der französischen Denkschrift an-
geregte Verstärkung des Artikels 11.
In der Samstagssitzung wird Massigli auf
die Einwände Madariagas antworten.
Gefährliches Abenteuer französischer Militärflieger
DNB. Paris, 24. Mai
Ein gefährliches Abenteuer hatten zwei Mili-
tärflieger des Flugzeugstützpunktes von St. Ra-
phael zu bestehen, die in einem Aufklärungssluq-
> zeug nach Cuers unterwegs waren. In etwa 800
Meter Höhe geriet das Flugzeug in einen furcht-
baren Sturm, der den Apparat wie einen Spiel-
ball hin- und herschleuderte. Als eine Bö das
Flugzeug plötzlich herabdrückte, wurde der Be-
gleiter, der sich nicht angeschnallt hatte, aus sei-
nem Sitz geschleudert, während dem Flugzeug-
führer das Steuer aus der Hand gerissen wurve
und ihm der Leibgurt auf die Knie rutschte. Wie
durch ein Wunder fiel der Begleiter auf das
Schwanzende des Apparates, wo er sich an einer
Verstärkungstrosse festklammern konnte. Dem
Flugzeugführer gelang es mit großer Mühe, das
Flugzeug wieder in die Gewalt zu bekommen,
und mit abgestelltem Motor setzte er vorsichtig
auf flachem Felde zur Landung auf, die auch
glücklich verlief. Der Mechaniker hat nur unbe-
deutende Verletzungen erlitten.
Eden und Litwinow zunächst im engeren Kreise
eine abschließende Aussprache stattfand Wie
verlautet, ist in den späten Abendstunden eine
neue Antwort aus Rom eingetroffen, die eine
Vereinbarung auf der Grundlage ermöglichen
soll, daß der Völkerbundsrat den Parteien zu-
nächst eine angemessene Frist zur Durchführung
des Schiedsgerichtsverfahrens setzt und sich die
Parteien verpflichten, in dieser Zeit nicht zum!
Krieg zu schreiten.
AachWung
des Völkerbundsrats
Litwinow spricht
DNB Genf, 25. Mai.
Nach einer vertraulichen Beratung begann
Samstag nacht gegen 1.00 Uhr die öffentliche
Sitzung des Völkerbundsrates, aus deren Tages-
ordnung als einziger Punkt der italienisch- abes-
sinische Streitfall stand.
Litwinow eröffnete die Sitzung und entschul-
digte sich für die Einberufung zu so später
Stunde mit dem Hinweis auf die Wichtigkeit
der Frage und ihrer möglichst raschen Erledi-
gung. Auf seine Aufforderung nahm sodann
der Vertreter Abessiniens, der französische Völ-
kerrechtsprofessor Jede, am Ratstisch Platz,
Litwinow erinnerte an den italienisch-abessi-
nischen Freundschasts- und Schiedsvertrag von
1928, wonach bei Streitigkeiten, die auf dem
üblichen diplomatischen Wege nicht erledigt
werden können, eine gewaltlose Lösung ausge-
schlossen sei und ein Ausschuß von Schiedsrich-
tern gestellt werden soll. Dann legte er dem
Rat zwei Entschließungen vor.
Konferenz der britischen
und Dominienminister
Günstiger Eindruck der Führerrede
DNB. London, 24. Mai.
Der Parlamentsberichterstatter der „Times"
schreibt, auf der Zusammenkunft der britischen
und der Dominienminister sei die Rede Hitlers
geprüft worden. Es habe der Eindruck bestan-
den, daß verschiedene Punkte weiterer Aufklä-
rung bedürfen. Angeregt worden sei, durch den
britischen Botschafter in Berlin Erkundigungen
wegen genauerer Einzelheiten über verschiedene
Punkte einzuziehen. Die Frage einer Beratung
zwischen den Regierungen des Vereinigten
Königreiches und der Dominien sei ebenfalls er-
wogen worden. Dabei sei angeregt worden,
einen Plan aufzustellen, um angesichts der schnel-
len Aenderungen der europäischen Lage Ent-
scheidungen zu beschleunigen. Ueber diese Punkte
sei aber kein Beschluß gefaßt worden.
„Daily Mail" meldet, die britische Regierung
beabsichtige, den Führer unverzüglich über ihre
Ansichten bezüglich der Form eines Luftabkom-
mens in Kenntnis zu setzen. Wenn ein Einver-
nehmen darüber erreicht werden könne, sei eine
Konferenz der Locarnomächte einschließlich mit
Deutschland gegeben. Ferner berichtet das Blatt,
bei der Zusammenkunft zwischen britischen und
Dominienministern sei ein Vorschlag zur Erzie-
lung engerer Zusammenarbeit zwischen den Re-
gierungen des Britischen Reiches in außenpoli-
tischen und Verteidigungsfragen erörtert wor-
den. Der Gedanke sei, eine ständige Körperschaft
von Dominienvertretern in London zu bilden,
die in regelmäßigen Zeitabständen zur Prüfung
der internationalen Lage zusammentreten
würden.
„Daily Expreß" meldet sogar, daß ein derar-
tiger Beschluß angenommen worden sei. Wahr-
scheinlich werde die Körperschaft aus den Ober-
kommissaren der Dominien bestehen. Die Domi«
nienvertreter hätten es deutlich gemacht, daß sie
in Fragen der Außenpolitik mehr mitzureden
wünschten. Kabinetts- und Dominienminister
hätten einen günstigen Eindruck von Hitlers
Rede-
Audienz McDonalds beim König
DNB London, 24. Mai.
Ministerpräsident MacDonald wurde am
Freitag erneut vom König in Audienz emp-
fangen. Line erste Audienz hatte am 16. Mai
stattgefunden. Sie war in politischen Kreisen
allgemein mit der bevorstehenden Umbildung
der englischen Regierung in Zusammenhang ge-
bracht worden. Es varf als sicher angenommen
werden, daß die heutige Audienz Mac-Donalds
der Regierungsumbildung gedient hat, die nun-
mehr feste Gestalt anzunehmen scheint.
DleScaukenkrise vonLondon aus gesehen
DNB. London, 24. Mai
In London werden im Hinblick auf die vielver-
sprechenden Entwicklungsmöglichkeiten, die sich
für die europäische Lage nach den Reden Hitler-
und Baldwins ergeben, die innerpolitischen Er-
eignisse in Frankreich in ZußLMmenlmng mit der
neuen Frankenkrise mit größtem Interesse ver-
folgt. Man würde, wie der ,Star'. schreibt, e3
für sehr bedauerlich halten, wenn die Regieren-
Flandin über diese Krise in nnem Unaenblick.
stolpere, in dem Frankreichs Mitarbeit für
Verhandlungen über den Luftvakt und andere
Fragen benötigt werde. Immerhin sei es abvr
beruhigend zu wissen, da« Laval auch in einem
anderen Kabinett die Leitung d4r fw«röftschen
auswärtigen Angelegenheiten sichtlich betbehel-
ten würde.
Zum Luftpaktvorschlag schreibt der „Star", es
scheine, als ob Baldwin mit Hilfe der Minister-
Präsidenten der Dominions das Mißtrauen der
Ressorts gegen die baldige Einberufung einer
Konferenz zum Abschluß eines westeuropäisch««
Luftpaktes überwinden werde, ebenfalls da- Miß-
trauen gegen eine größere Konferenz, die sich
mit den umfassenderen Problemen der Sicherheit
in Europa und der Rüistung-sbegrenzunp tzefsffen
würde.
Der Abessinien-Streitfall