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Heidelberger Volksblatt (70) — 1935 (Nr. 77-149)

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Nr. 141 - Nr. 149 (20. Juni - 29. Juni)
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Wissenschaft mt Kunst / Ans ter Wett ter Frau / Re Lesestunte

Pfälzer Sole

Freitag, 21. Juni 193S

70. Jahrgang / Ar. 142

Das Echo von London
»Ein weltgeschichtliches Ereignis von höchster Vedeutung"

DNV Berlin, 20. Juni
Unter der Überschrift „Adolf Hitlers Bei-
Hrag zum Frieden weist der „Völkische Be-
obachter" darauf hin, daß die deutsch-eng-
lische Flotteneinigung von der Presse der gan-
zen Welt als ein weltgeschichtliches Er-
eignis von höchster Bedeutung ausführlich ge-
würdigt wird. „Als bemerkenswerteste Tatsache
des Echos der internationalen Presse kann", so
schreibt das Blatt, „heute festgehalten werden,
daß die Blätter mehr und mehr das überragen-
de staatsmännische Genie des deutschen Führers
Adolf Hitlers zu würdigen beginnen und die
Bedeutung verstehen lernen, die die verantwor-
tungsbewußte Friedenspolitik des Führers für
den ganzen Kontinent hat." Der „Völkische Be-
obachter" fährt dann fort: „Das nationalsozia-
listische Deutschland kann heute mit Genugtuung
auf den bisher zurückgelegten Weg seines außen-
politischen Kampfes zurückblicken und es sieht
heute mehr denn je in Treue und Dankbarkeit
auf seinen Führer, dessen innere Größe und gei-
stige Ueberlegenheit, dessen Zielsicherheit und
unbeugsame Kraft Deutschland von einem zweit-
klassigen Staate zum gleichberechtigten
und gleichgeachteten Faktor der
Weltpolitik gemacht hat. Wenn die aus-
ländische Presse heute das Flottenabkommen ei-
nen Sieg Adolf Hitlers nennt, so ist gerade diese
Feststellung für das deutsche Volk die höchste
Ehre, und es weiß, daß der Mann, in dessen
Händen sein eigenes Geschick sicher ruht, auch den
Weg zeigen wird, um ganz Europa den Frieden
zu bringen."
London:
DNB London, 19. Juni
„Evening News" schreibt, Großbritannien
sei das einzige Land, von dem man annehmen
dürfe, daß es für Flottenrüstungen nicht mehr
Gelder ausgebe als es unbedingt müsse. Jetzt
habe sich auch Deutschland zu einer entsprechen-
den Mäßigung verpflichtet. Je mehr die anderen
Mächte diesen Pakt prüften, umsomehr würden
sie in ihm eine ehrliche Einladung zur
Kostenersparnis erblicken und zum min-
desten in einem besonderen Falle eine Auffor-
derung, keine Furcht zu haben. Diese Anspielung
ist zweifellos auf Frankreich gemünzt, dem auch
das liberale Abendblatt „Star" freundlich
mahnende Wort widmet. Frankreich, dessen
Wirtschaftslage verzweifelt sei, könne diesem
Abkommen beitreten und sogar eine Erweite-
rung herbeiführen, um unnötige Kosten zu
sparen.
Auch die große englische Provinz-
presse beschäftigt sich eingehend mit dem Er-
gebnis der Flottenverhandlungen. Der diploma-
tische Berichterstatter des „M a n ch e st e r Gu-
ardian" schreibt, das Abkommen könne vom
theoretischen Gesichtspunkt zweifellos kritisiert
werden. Aber es bleibe die Tatsache bestehen,
daß Deutschland, wenn es dies gewünscht hätte,
seine Flottenrüstungen ebenso über die im Ver-
sailler Vertrag festgesetzten Grenzen hinaus
hätte vermehren können, wie es unbehindert
seine Land- und Luftrüstungen vermehrt habe.
Die britische Regierung Habs diesen Umstand in
realistischem Sinne gewürdigt und sine prak-
tische Regelung getroffen. Der Berichter-
statter bedauert, daß nicht während der Bespre-
chungen eine engere Fühlung mit der franzö-
sischen Regierung genommen worden sei, gibt
aber zu, daß das deutsch-englische Abkommen die
deutsche Flottentonnage auf einen Stand fest-
setze, der beträchtlich hinter der französischen
Gesamttonnage liege. Theoretisch sei der franzö-
sische Versailler Vertrag-Standpunkt richtig;
aber es sei sehr die Frage, ob unter Umständen
eine bessere Regelung hätte gefunden werden
können. Die englisch-französischen und die eng-
lisch-italienischen Flottenbesprechungen würden
i« Kürze beginnen und anschließend auch die
WWW , sdvHsümWschen Flottenbefprochungsn.

Das Abkommen mit Deutschland werde in Lon-
don als eine unerläßliche Voraussetzung für
jedes allgemeine Flottenbegrenzungsabkommen
angesehen. — Die Provinzblätter stimmen
durchweg darüber überein, daß das Abkommen
für England das beste sei, was unter schwieri-
gen Umständen erreichbar wäre.
Der erste Lord der Admiralität, Sir Bolton
Eyres-Monsell, hielt am Mittwoch abend
im englischen Rundfunk eine Rede über den
deutsch-englischen Flotenvertrag, in der er das
Abkommen einen guten Anfang auf dem Wege
der allgemeinen Rüstungsbegrenzung nannte.
Paris:
DNV Paris, 20. Juni
Die Pressestimmen am Donnerstag sagen über-
einstimmend Eden einen kühlen Emp-
fang voraus. Immer wieder kommt zum Aus-
druck, daß nach diesem Beispiel Englands Frank-
reicht nicht mehr gehalten sei, vor jedem seiner
politischen Schritte andere Mächte zu befragen.
Man findet sogar eine Anregung, daß Frank-
reich manche seiner Verhandlungen vorteilhaf-
terweise jetzt vor England geheimhalten
solle.
Der „Petit Parisi en" meint, angesichts
ves neuen Abkommens, das ohne Frankreichs
Zustimmung abgeschlossen worden sei, werde
man in Paris die Absendung von Marinesach-
verständigen nach London wohl im Augenblick
nicht für angebracht halten, sondern mehr denn
je auf Handlungsfreiheit sehen. Eden werde in
Pariser amtlichen Kreisen die höfliche Aufnahme
finden, die seine sympathische Persönlichkeit ver-
diene, aber es sei nicht sicher, daß seine aufklä-
renden Erläuterungen den schlechten Ein-
druck werden verwischen können, den alle
Franzosen bei der Nachricht von dem plötzlichen
deutsch-englischen Abokmmen empfunden hätten.
Das Echo de Paris", betont, das Frank-
reichs Festlandpolitik sich jetzt nicht mehr von
der englischen Außer-Festlandpolitik hindern las-
sen dürfe. Frankreich brauche nun England nicht
mehr bei jeder Gelegenheit zu fragen. Es könne
jetzt freier eine Präsentivpolitik betreiben. In
gewissen Fragen habe Frankreich im Begriff ge-
standen, dem englischen Standpunkt Opfer zu
bringen. Das sei jetzt nicht mehr angebracht.
Das „Oeuvre" sagt Eden im Ouai d' Orsay
den kühlen und zurückhaltendsten Empfang vor-
aus. Kriegsmarineminister Pistri werde, wie
gestern Abend versichert worden sei, an dem
Essen, das zu Ehren Edens im Quai d' Orsay
am Freitag veranstaltet werde, nicht teilnehmen.
Laval werde den Vorschlag Edens, französische
Marinesachverständige nach London zu entsen-
den, wahrscheinlich dahin beantworten, daß von
einer solchen Mission nicht die Rede sein könne,
bevor nicht alle allgemein-politischen Fragen
ihre Regelung gefunden hätten.
Die Besorgnisse der französischen Oefsentlich-
keit über die politischen Folgen des deutsch-eng-
lischen Flottenabkommens kommen auch in der
Pariser Abendpresse am Mittwoch stark zum
Ausdruck. Der „Temp s" gibt zu, von den Be-
dingungen des Abkommens überrascht zu sein.
Er wie auch die meisten Blätter finden beson-
ders befremdlich, daß die britische Regierung
zwar Paris und Rom um Rat gefragt, aber am
gleichen Tage, als die Antworten aus Paris
und Rom in London eingelaufen seien, mit
Deutschland das Abkommen abgeschlossen habe.
Außerdem habe man die in den Antworten vor-
gebrachten grundsätzlichen Einwendungen nicht
berücksichtigt. Die von der englischen Regierung
verfolgte neue Methode scheine aber mehr Nach-
teile als Vorzüge zu haben. Jedenfalls sei sie
nicht geeignet, die allgemeine Regelung eines
Systems der kollektiven Sicherheit zu erleich-
tern. Im „Paris Soir" unterstreicht Sa ue r-
wsin vor allem die politische Bedeutung des
Am Mittwoch vormittag fand unter dem

Ribbendrop bei Baldwin
Weitere Klärung technischer Fragen/ Englische Einladung anparis

DNV London, 20. Juni.
Der Führer der deutschen Flottendelegation,
Botschafter von Ribbentrop, hatte am heu-
tigen Vormittag eine längere Aussprache mit
dem englischen Ministerpräsidenten Baldwin.
Anschließend nahmen die technischen Verhand-
lungen ihren Fortgang. Weitere Sitzungen sind
für Freitag und höchstwahrscheinlich auch für
Samstag vorgesehen . Es ist anzunehmen, daß
die deutsche Flottendelegation London nicht vor
Sonntag verlassen wird.
Die Unterredung des Botschafters von Rib-
bentrop mit Ministerpräsident Baldwin in der
Downingstreet 10 am Donnerstagvormittag
dauerte etwa 40 Minuten. Es war die erste
Begegnung des Botschafters mit Baldwin bei
seinem gegenwärtigen Aufenthalt in London als
Führer der deutschen Flottenabordnung.
Anschließend fand eine Unterredung Bald-
wins mit dem Völkerbundsminister Eden
statt, der sich am Freitag zu Besprechungen mit
der französischen Regierung über Fragen Les

Flottenabkommens und der europäischen Lage
nach Paris begibt.
»7
DNV London, 19. Juni.
Wie Preß Association erfährt, ist die franzö-
sische Regierung zur Entsendung von
Flottensachverständigen nach London
eingeladen worden ,um Vorbesprechungen für
die noch in diesem Jahre stattfindende Flotten-
hauptkonserenz zu führen. Es sei anzunehmen,
daß anschließend ähnliche Besprechungen mit ita-
lienischen und sowjetrussischen Sachverständigen
stattsinden würden,
*
DNV Paris, 19. Juni.
Im Kriegsmarineausschuß der Kammer sand
am Mittwoch ein Meinungsaustausch über das
deutsch-englische Flottenabkommen statt. Der
Ausschuß beschloß, den Außenminister und den
Kriegsmarineminister um Erläuterungen zu
bitten. Zum Vorsitzenden des Kriegsmarine-
ausschusses wurde der bisherige Vorsitzende
Cadoret wiedergewählt.

Abkommens. Er bezeichnet es als eine seltsame
Art der Zusammenarbeit, Frankreich vor eine
vollendete Tatsache zu stellen. Es seien nicht die
rechtlichen Bedenken, die Besorgnisse auslösten,
sondern die Erinnerung an die erst kürzlich ab-
geschlossenen Abkommen. England habe die Ab-
sicht, in voller Uebereinstimmung mit Frankreich
einen englisch-abessinischen Streitfall zu vermei-
den. Nach der neuesten Entwicklung werde La-
val es sich sicher zweimal überlegen, ob er
seine Politik mit der Englands bei der abessini-
schen Frage verknüpfte. Vor allem aber werde

Rundfunkrede Dr. Arias
DNB. Berlin, 20. Juni
Der Reichs- und Preußische Minister des In-
nern Dr. Frick wird am Freitag, den 21. Juni
1935 um 20.10 Uhr über alle deutschen Sender
zum Rotkreuztag sprechen.
Versammlungsruhe im Juli
DNB. Berlin, 20. Juni
Der „Völkische Beobachter" veröffentlicht fol-
gende NSK-Meldung:
Ter Reichspropagandaleiter der NSDAP, gibt
folgende Anordnung bekannt:
„Das erste halbe Jahr 1935 ist abgeschlossen.
Wieder haben in Tausenden von Versammlungen
die nationalsozialistischen Redner in unermüd-
licher Arbeit in Stadt und Land geleistet.
Das zweite halbe Jahr, insbesondere Herbst
und Winter, werden neue große Anforderungen
an ihre Kräfte stellen. Um ihnen die zur Erfül-
lung der bevorstehenden Ausgaben notwendige
Ausspannung und Zeit zur Erholung zu gewäh-
ren, ordne ich deshalb für den Monat Juli eine
absolute Versammlungsruhe an.
gez. Dr. Goebbels,
Reichspropagandaleiter der NSDAP."
Sammelpause bis Oktober
DNB. Berlin, 20. Juni
Der Reichs- und Preußische Minister des In-
nern Dr. Frick hat wegen der starken Bela-
stung der Volksgenossen mit Beitragsleistungen
oller Art und im Hinblick auf die bevorstehende
Inanspruchnahme ihrer Opferbereitschaft für das
Winterhilsswerk 1935—36 eine Sammel-
pause für die Zeit vom 1. Juli bis 30. Sep-
tember 1995 angeordnet. In dieser Zeit ist das
Sammeln auf Straßen und Plätzen und von
Haus zu Haus verboten. Die für diese
Sammlungen erteilten Genehmigungen sind
widerrufen.

Der französische Botschafter in Berlin Fran-
cois-Poncet ist am Donnerstag vormittag
von Ministerpräsident Laval empfangen
MM»,

Frankreich nunmehr von seiner wiederge-
wonnenen Freiheit starken Gebrauch
machen, wenn es sich daraum handele, eine
Frage mit Deutschland oder irgendeiner ande-
ren Macht zu regeln. Großbritannien habe einen
Präzedenzfall geschaffen. „La Presse" sagt,
das Abkommen bedeute das nicht zu bestreitende
Ende der französisch-englischen Zusammenarbeit,
wie sie in der Erklärung vom 3. Februar vor-
gesehen gewesen sei. Nach Stresa hätte man eine
europäische Zusammenarbeit zwischen Großbri-
tannien, Deutschland, Italien und Frankreich
herbeiführen müssen. Jede andere Politik müsse
notwendigerweise zur Zerstörung der englisch-
italienisch-französischen Front führen. „Laßt uns
wenigstens die italienischen Freundschaft hüten"
fordert das Blatt. Das „Journal des De-
bats" hält die Stunde für gekommen, daß
Frankreich in den Unerhaltungen mit England,
größte Offenherzigkeit zeige. Eden
werde zweifellos höflich empfangen werden. Er
täusche sich aber, wenn er durch einige freund-
liche Wort Frankreich für die englische Auffas-
sung zu gewinnen hoffe. Vor allem müsse Lon-
don wissen, daß Frankreich auf keinen Fall zu-
stimmen werde, die Luftfrage in der gleichen
Weise wie die Flottenfrage zu regeln.
Zum deutsch - englischen Flottenabkommen
schreibt das Wirtschaftsblatt „Agence Eco-
no m i q u e e t F i n a n c i ö r e" u. a-, die Eng-
länder hätten die Lehre aus der Tatsache ge-
zogen, daß die Franzosen zwei Jahre hindurch
juristische Einwendungen gegen ein 300 000-
Mann-Heer erhoben hätten, mit dem sich
Deutschland begnügt hätte . Weil französischer-
seits diese Forderung abgelehnt worden sei, be-
sitze Deutschland jetzt ein Heer von 550 000
Mann. England habe vorgezogen, eine zwar er-
hebliche, aber zahlenmäßig begrenzte Flotten»
aufrüstung Deutschlands zuzulassen, als dem
Risiko einer Aufrüstung gegenüberzustehen, die
durch kein Abkommen weder in der Gesamtton-
nage noch in den einzelnen Schiffsklassen be-
grenzt sei. Wenn jetzt über das endgültige Ab-
kommen in Paris französisch-englische Verhand-
lungen beginnen würden, so wäre es verlorene
Zeit, die Unterhaltungen auf den Teil V des
Versailler Vertrages zu lenken.
„Paris Midi" schreibt resigniert, das Ab-
kommen gebe Hitler trotzdem Recht, der sich von
gewissen Bindungen des Versailler Vertrages
befreit habe, während Frankreich sich zulange
auf Texte dieses Vertrages versteift habe, die
kein Leben mehr hätten.
„Jntransigeant" glaubt, daß mög-
licherweise die Pariser Besprechungen Edens sich
auch auf die Note erstrecken würden, die a«
Litauen wegen der deutschen Minderheit i«
Memelgebiet gerichtet werden soll.
 
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