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Heidelberger Volksblatt (70) — 1935 (Nr. 77-149)

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Nr. 131 - Nr. 140 (7. Juni - 19. Juni)
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Pfätzer Note

Donnerstag, 13. Zum 1S3S

70. Jahrgang / Ar. 135

Die Frontkämpfer als Garanten des Friedens
Scho der Erklärung des englischen Thronfolgers/Herzliche Ausnahme in Deutschland und England

DNV Berlin, 12. Juni.
Das Deutsche Nachrichtenbüro meldet:
Bekanntlich hat der Stellvertreter des Führers,
Rudolf Hetz, am 8. Juli v. Js. in einer großen
Rede in Königsberg den Frontkämpfern der
anderen Völker die Freundschaftshand hinge-
streckt. Auf der Pfingsttagung der „British
Legion", der großen englischen Frontkämpfer-
organisation, hat nun. wie bereits gemeldet, der
englische Thronfolger in einer Rede zum glei-
chen Thema das Wort ergriffen.
Dem Berliner Vertreter von Reuter, der
den Stellvertreter Les Führers um seine Mei-
nung zu der Rede des Prinzen von Wales ge-
fragt hat, wurde von Stellvertreter des Füh-
rers, Rudolf Heß, folgendes mitgeteilt: „Ich
begrüße selbstverständlich die Worte des Prinzen
von Wales. Wenn die englischen Frontkämpfer
nach Deutschland kommen wollen, so können sie
natürlich gewiß sein, daß sie von den deutschen
Frontkämpfern als Kameraden ausgenom-
men werden. Wenn der Frontkämpfergeist auch
in der Außenpolitik der verschiedenen Länder
mehr und mehr zum Durchbruch kommt, so wird
ein großer Schritt zum europäischen Frieden ge-
tan sein."
General Göring erklärte zu der Rede des
Prinzen von Wales: „Die Rede des Prinzen
von Wales kann man in der Tat begrüßen. Sie

deutschen Grenzen gehaltenen Rede seit Monaten
zuteil geworden ist."
Die liberale „News Chro nicle" erklärt
in einem Leitartikel: „Der Vorschlag, den der
Prinz von Wales jetzt formell unterstützt, ist
nicht etwas völlig Neues. Französische Front-
kämpfer haben schon im vergangenen Winter
Deutschland besucht. Die British Legion braucht
in dieser Angelegenheit nicht besonders gedrängt
zu werden. Die Erbitterung, die eine Art vor
Feindschaftskult zur vaterländischen Handlung
gemacht hat, hat an sich niemals unter den Sol-
daten Wurzel gefaßt. Während des Krieges
haben sie es aufgrund ihrer eigenen Erfahrun-
gen klar genug eingesehen, daß auch die „feind-
lichen" Soldaten leiden müssen. Die außer-
ordentliche Bedeutung der freimütigen Erklä-
rung des Prinzen liegt aber in der Wirkung,
die sie augenblicklich in Deutschland hervorge-
rufen hat. Keineswegs zum ersten Mal hat der
Prinz seine öffentliche Stellung kühn und wirk-
sam benutzt, um eine Aufmerksamkeit zu er-
zielen, wie sie ein anderer Redner kaum gefun-
den haben würde. Es ist ein außerordentliches
Stück öffentlicher Arbeit."
„Daily Herald" schreibt in einem Leit-
aufsatz: „Es wäre unsinnig, wolle man behaup-
ten, daß eine persönliche Fühlungnahme allein

ausreicht, um große politische Fragen zu lösen.
Ebenso ist es aber wahr, daß Lösungen leichter
gefunden würden, wenn das Gefühl nicht so
hartnäckig verbreitet wäre, daß der „Ausländer"
eine merkwürdig andersgeartete und sogar ge-
fährliche Person ist. Nur indem man mit Män-
nern und Frauen anderer Länder zusammen-
trifft, kann man lernen, wie wenig wir uns
unterscheiden und wie sehr wir dieselben sind."
Der englische Arbeiterführer Lansbury er-
klärte auf einer Versammlung am Dienstag-
abend, er freue sich, von dem Vorschlag des Prin-
zen von Wales zu hören. Er wünsche, daß der
Englische Gewerkschaftskongreß an Hitler schreibe
und ihn bitte, seine Kameraden zu empfangen,
damit sie sich in Deutschland umsehen können.
DNB Paris, 12. Juni.
Die Erklärung des englischen Thronfolgers
hat in Paris gewaltiges Aufsehen erregt. Die
Presse sucht zu ergründen, ob die Ausführungen
des Prinzen von Wales als eine politische
Kundgebung zu werten seien oder nur als eine
höfliche Geste zu gelten hätten. Einige rechts-
stehende Blätter versuchen, die Bedeutung dieser
Kundgebung abzuschwächen mit der Behaup-
tung, dem Thronfolger sei nichts anderes übrig
geblieben, als den Beschluß des Vorsitzenden der

„British Legion" zu bestätigen. (!) Nichtsdesto-
weniger muß der Londoner Berichterstatter des
„Echo de Paris" zugeben, daß die Worte
des Thronfolgers absichtlich in dem Augen-
blick der deutsch-englischen Flottenverhandlungen
gesprochen worden sind, um zu zeigen, daß Eng-
land keinerlei Vorurteile gegen
Deutschland hege. Die Außenpolitikerin
des „Oeuvre" betont, daß die deutsch-englischen
Flottenbesprechungen in London sehr volkstüm-
lich seien, was zweifellos den Schritt des Thron-
folgers beeinflußt habe.
*
DNB London, 12. Juni.
Der Vundesführer des englischen Front-
kämpferverbandes „British Legion", Major
Fetherstone-Eodley, hat einem Vertre-
ter der „Daily Mail" folgende Erklärung zu
seinem bevorstehenden Besuch in Deutschland ge-
geben:
„Unser Besuch wird mehr den Charakter einer
Informationsreise haben als sich mit endgül-
tigen Zielen zu befassen. Wir hoffen aber, daß
viele gegenseitige Probleme auf beiden Seiten
freundschaftlich erwogen und besprochen werden,
und es wird von Interesse sein, das Werk der
Frontkämpfer in Deutschland zu prüfen und zu
untersuchen, wie wir die Freundschaft der Front-
soldaten unserer beiden Länder fördern können.
Das ganze Unternehmen geschieht zur Förderung
des von der British Legion" kürzlich niedergeleg-
ten Grundsatzes, daß wir uns für eine Freund-
schaft in der Bruderschaft der Waffen einsetzen,
die keine Landesgrenzen kennt- Wir hoffen eine
Woche lang in Berlin bleiben zu können."

„Gesetze der härtesten Not"
Das Danziger Sparprogramm / Senatspra'sident Greiser vor -em Volkstag

ist geeignet, den Weltfrieden aufrecht zu
erhalten."
Botschafter v. Ribbentrop hat sich auf
Anfrage des Berliner Vertreters von Reuter
wie folgt geäußert: „Die Worte des Prinzen
von Wales auf der Tagung der britischen
Frontkämpfer werden in Deutschland überall ein
warmes Echo finden. Britische Frontkämp-
fer werden daher von den deutschen Frontsolda-
ten und von dem deutschen Volk in seiner Ge-
samtheit aufs herzlichste begrüßt werden. Er-
fahrungen mit Zusammenkünften von Front-
kämpfern haben uns gezeigt, daß es keinen bes- !
seren Weg zur Förderung freundschaftlicher Ver-
ständigung gibt als eine offene und ehrliche
Fühlungnahme zwischen den Männern, die an
der Front gestanden haben. Ich bin überzeugt,
daß der Geist, der in den meisten Frontkämp-
ferverbänden der verschiedenen Länder herrscht,
sich als eine große Hilfe für die Bemühungen
der verschiedenen Regierungen erweisen wird,
endgültig Frieden und Zusammen-
arbeit in Europa herbeizuführen."
*
DNB London, 12. Juni.
Die gesamte Morgenpresse berichtet an her-
vorragender Stelle und teilweise in großer Auf-
machung über die freundschaftlichen Worte des
Prinzen von Wales gegenüber Deutschland
und über die herzliche Aufnahme, die seine
Worte in Deutschland gefunden haben.
„Times" meldet aus Berlin: „Der Vor-
schlag, daß eine Abordnung der British Legion
Deutschland besuchen soll, steht im Einklang mit
den allgemeinen Bemühungen, die besonders von
dem Stellverdtreter des Führers Rudolf Heß
und von Botschafter v. Ribbentrop gemacht wor-
den find, eine internationale Aussöhnung durch
Zusammenarbeit der früheren Frontkämpfer zu
fördern. Wenn ein Besuch zustande kommt,
kann es als sicher betrachtet werden, daß sowohl
von den deutschen Behörden als auch von den
deutschen Frontkämpfern alles getan werden
wird, um ihn zu einem Erfolg zu machen."
„Daily Telegraph" überschreibt seine
Meldung: „Feinde im Krieg werden im Frie-
de« zusammentreffen!"
„Daily Expreß" meldet mit großen
Schlagzeilen: „Das ganze Deutschland wird den
Prinzen von Wales als Förderer des Friedens
begrüßen. Seine Rede hat die herzlichste Auf-
nahme gefunden, die irgendeiner außerhalb der

DNV. Danzig, 12. Juni.
Der Danziger Senat hat unter dem 11. Juni
1935 eine Verordnung erlassen, durch die bis
auf weiteres im Gebiet der Freien Stadt Dan-
zig eine Devisenbewirtschaftung ein-
geführt wird. Ihre Durchführung unterliegt
einer Devisenstelle, deren Aufgabe es ist, die
nach der Verordnung erforderlichen Genehmi-
gungen zum Erwerb und zur Versendung aus-
ländischer Zahlungsmittel, von Gold und Edel-
metallen und zur freien Verfügung über sie zu
erteilen. Das gleiche gilt für die Versendung
von inländischen Zahlungsmitteln ins Ausland-
Diese Beschränkungen gelten auch für die Mit-
nahme von in- und ausländischen Zahlungsmit-
teln usw. im Reiseverkehr ins Ausland, sofern
eine monatliche Freigrenze im Werte von 20
Gulden überschritten wird. Zuwiderhandlungen
gegen die Verordiung werden mit strengen Stra-
fen geahndet. Ausländische Zahlungsmittel und
Forderungen in ausländischer Währung dürfen
gegen inländische Zahlungsmittel nur von der
Bank von Danzig oder durch ihre Vermittlung
erworben und veräußert werden. Die Durchfüh-
rung der Devisenbewirtschaftung obliegt einer
Devisenstelle, die Lei der Bank von Danzig ein-
gerichtet ist. Im übrigen sind sieben Danziger
Bankinstitute zu sogen. Devisenbanken ernannt
worden. Während der Dauer der Devisenbe-
wirtschaftung bleibt die Devisenbörse geschlossen.
Die Festsetzung von Kursen ausländischer Zah-
lungsmittel erfolgt in Zukunft durch die Bank
von Danzig.
*
DNB. Danzig, 12. Juni.
Der Danziger Volkstag trat am Mitt-
woch nachmittag zusammen, um die Erklärung
des Senatspräsidenten Greiser über die Maß-
nahmen der Danziger Regierung entgegenzuneh-
men. Senatspräsident Greiser betonte zunächst
mit großer Offenheit, daß manche harten Maß-
nahmen der letzten Zeit von einem Teil der Be-
völkerung nicht verstanden worden seien, weil
die tieferen Ursachen in der überaus schwierigen
Struktur der Freien Stadt Danzig lägen. Poli-
tik in der augenblicklichen Situation zu machen,

bedeute daher für die Nationalsozialisten und
Frontsoldaten an der Spitze des Staates Ver-
zicht aus Popularität und lediglich Hin-
gabe an die Gesamtheit mit der nationalsozia-
listischen Einstellung des Dienens am Volksgan-
zen zur Herbeiführung einer gesicherten und
besseren Zukunft.
Der Senatspräsident ging dann auf die Außen-!
Politik ein, wobei er besonders hervorhob, daß
neben den völkischen Beziehungen zu Deutschland
auch die Beziehungen zum Völkerbund und zur
Nachbarrepublik Polen von gegenseitigem Ver-
ständnis getragen seien, und nahm dann ein-
gehend zur Währungsfrage und zur Haushalts-
politik Stellung.
Er ging zunächst nochmals auf die Abwer-
tung des Danziger Guldens sowie auf die An-
fang Juni erfolgte neue Attacke auf die Dan-
ziger Währung ein. Er betonte gegenüber fal-
schen Gerüchten, daß Polen in keiner Weise die
Absicht zum Ausdruck gebracht habe, eine Jnifi-
zierung der Währungen zu verlangen. Die Dan-
ziger Regierung sei fest entschlossen, den Dan-
ziger Staatsbürgern ihren Danziger Gulden zu
erhalten. Die Danziger Regierung habe sich nur
ungern zur Einführung der Devisenbewirtschaf-
tung entschlossen, da diese für die Freie Stadt
Danzig als Hafen- und Umschlagsplatz zwangs-
läufig auch erhebliche wirtschaftliche Nachteile
mit sich bringe. Jetzt gelte es, durch eine plan-
volle Wirtschafts-, Währungs- und Finanzpolitik
für die Danziger Währung wieder ein festes
Fundament zu schaffen, koste es, was es wolle.
Der Danziger Senat wisse sich mit der polnischen
Regierung darin einig, daß ein Abgleiten des
Danziger Guldens auch für Polen schwerwie-
gende wirtschaftliche Nachteile mit sich bringen
müßte.
„Wenn diese Gesetze der härtesten Not," so
schloß Präsident Greiser unter starkem Beifall
diesen Teil seiner Erklärung, „auch in das Schick-
sal einzelner Staatsbürger Eingreifen, so spielt
das für mich keine Rolle, denn das Schicksal
Danzigs und seiner Bevölkerung ist mir wich-
tiger als Einzelschicksale. Im Zeichen der Not
kann man nicht Rücksicht auf Einzelne nehmen;

denn Not biegt nicht nur Theorien, sonder«
bricht Eisen."
Der Senatspräsident machte dann nähere Mit-
teilungen über das einschneidende Sparpro-
gramm, das die Danziger Regierung in Aus-
sicht genommen habe, um ihrerseits in der Opfer-
leistung der Gesamtheit voranzugehen. Er kün-
digte im Personalhaushalt eine Einspa-
rung von mindestens 100 Lehrern und mindestens
500 Beamten an. Alle diese Personen werden
Gelegenheit erhalten, außerhalb der Danziger
Landesgrenzen eine wirtschaftliche Besserstellung
zu erreichen. Weiter werden nach der Erklärung
des Senatspräsidenten diejenigen Pensionäre, die
von Deutschland abhängen, sich mit dem Gedan-
ken vertraut machen müssen, die ihnen rechtlich
vom Reich zu zahlenden Rentenbezüge im Reiche
zu verzehren. Ferner sollen noch mehr als bisher
Erwerbslose ausfindig gemacht werden, die sich
freiwillig bereit erklären, Arbeit außerhalb der
Danziger Landesgrenzen anzunehmen. Außerdem
soll, ähnlich wie es teilweise bereits beim Frei-
willigen Arbeitsdienst in die Wege geleitet
wurde, auch der staatliche Arbeitsdienst, soweit
seine Mitglieder sich dazu freiwillig bereiterklä-
ren, in Deutschland untergebracht werden.
Schließlich werden auch Eingriffe und Sparmaß-
nahmen auf kulturellem Gebiet, insbesondere
beim Theaterwesen und bei der Technischen Hoch-
schule, durchgeführt werden müssen. Die natio-
nalsozialistische Danziger Regierung, die eine
ungeheure Aufbauarbeit geleistet habe, beweise,
daß sie gewillt sei, in dieser kritischen Situation
unerbittlich durchzugreifen.
In Zusammenhang mit der Bekanntgabe des
Sparprogramms richtete Senatspräsident Grei-
ser einen nachdrücklichen Appell an die Oppo-
sitionsparteien. Er betonte, daß die Einspa-
rungsmöglichkeiten, soweit sie den geplanten Be-
amtenabbau betreffen, zum Teil von einer Aen-
derung der Verfassung abhängig sind. Er werde
der Opposition Gelegenheit geben, zu den hierzu
erforderlichen Gesetzentwürfen Stellung zu neh-
men. Wenn die Opposition jedoch ihre Mitarbeit
in der Stunde der Not dem Staate gegenüber
versagen sollte, so würden andere Wege gesucht
 
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