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Heidelberger Volksblatt (70) — 1935 (Nr. 77-149)

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Nr. 121 - Nr. 130 (25. Mai - 6. Juni)
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WissrMaN und Kun» / Bus der WM der Frau / Sie AkMimdr

Pfälzer Note

Mittwoch, S. Mi 19ZS

70. Jahrgang / Ar. 129

Das Kabinett Bouiffon gestürzt

Zeanneney Nachfolger Vouissons? - Erregung in Paris - Zwischenfälle auf dem Opernplatz


vor¬


rasch handeln. Die
die wir von dem
verlangen, werden
abgelenkt werden.

Die Kanzlei des Führers der NSDAP, gibt,
der NSK zufolge, bekannt: Anläßlich der Pfingst-
feiertage bleibt die Kanzlei des Führers der
NSDAP, für den gesamten Parteiverkehr vom
Samstag, den 8. Juni bis einschließlich Mittwoch,
den 12. Juni geschlossen.

Regie-
die
ver-

DNB Genf, 4. Juni
Die 19. Internationale Arbeitskonferenz
wurde am Dienstag vormittag eröffnet. Die
Zahl der Teilnehmer hat sich gegenüber dem
Vorjahr etwas erhöht, obwohl von den 62
Mitgliedsstaaten der Internationalen Arbeits-
organisation nur 48 vertreten sind, darunter 31
durch vollständige Abordnungen, d. h. durch Re-
gierung-, Arbeitgeber- und Arbeitnehmerver-
treter. Die Gesamtzahl der Teilnehmer, d. h.
der Vertreter und der technischen Berater, be-
trägt 388-
Die Tagung begann mit einer Ansprache des
langjährigen Präsidenten des Verwaltungsrats
des Internationalen Arbeitsamtes, de M i ch e-
l i s-Jtalien, der über die bisherigen und künf-
tigen Aufgaben der Internationalen Arbeits-
organisation sprach. Er erklärte, das Interna-
tionale Arbeitsamt habe in der politischen Un-
gewißheit der Gegenwart eine große Rolle zu
spielen, indem es versuche, zu einem Gleichge-
wichtszustand in den industriellen und sozialen
Verhältnissen das seinige beizutragen. Das
Leben und Handeln des Einzelnen müsse sich
den Anforderungen des Staatslebens unter-
ordnen. Aber dieser Grundsatz schließe nichts aus
sondern fordere sogar das Recht aller Ange-
hörigen der Gesellschaft auf Leben und Arbeit.
De Michelis empfahl die baldige entschlossene

Das Beileid der belgischen Negierung
DRV. Brüssel, 4. Juni.
Die Nachricht von dem Tode des deutschen
Gesandten in Brüssel hat in den politischen
Kreisen der belgischen Hauptstadt und in der
deutschen Kolonie größte Bestürzung hervorge-
rufen. Fortgesetzt sind im Laufe des Vormittags
telefonische Anrufe eingetroffen, aus denen man
ersieht, daß der Vertreter des Deutschen Reiches
trotz seiner verhältnismäßig kurzen Wirksamkeit
in der belgischen Hauptstadt sich die wärmsten
Sympathien erworben hat. Auf dem Gebäude
der deutschen Gesandtschaft wehen seit heute
Vormittag die Fahnen des Reiches auf Halb-
mast. Der deutsche Geschäftsträger Dr. Bräuer
hat sofort dem Doyen des Diplomatischen Korps,
Nuntius Micara, und dem Hofmarschall des
Königs die Nachricht von dem Ableben des Ver-
treters des Deutschen Reiches persönlich über-
mittelt. Ministerpräsident und Außenminister
van Zeeland übermittelte dem deutschen Ge-
schäftsträger anschließend das Beileid der belgi-
schen Regierung. In den Räumen der deutschen
Gesandtschaft ist eine Liste ausgelegt worden, in
die sich bereits zahlreiche Persönlichkeiten ein-
getragen haben. Der Kreisleiter der NSDAP
hat sofort Anordnung getroffen, daß eine für
heute abend angesetzte Veranstaltung der Partei
in eine Trauerfeier der gesamten deutschen
Kolonie umgewandelt wird.

vor sich Verschlossen sieht, die Unternehmungs-
lust und das Vertrauen zur Zukunft zu wecken.
Gleichzeitig werden wir die moralische Gesun-
dung der Nation mit der Sorge einer raschen
und entschiedenen Gerechtigkeit wahren und den
republikanischen Staat verteidigen.
Wir werden nach außen hin unsere
Friedenspolitik fortsetzen. Weil Frank-
reich friedlich gesinnt ist, muß es ständig auf
die Landesverteidigung und auf die
kollektive Organisierung der Si-
cherung achten. Wir werden getreu unseren
Freundschaften und unseren Bündnissen alle zur
Mitarbeit aufrufen. Wir sind dem Völker-
bund ergeben und unsere Anwesenheit in Genf
wird eine tätige und wachsame sein. Die Män-
ner, auf denen die schwere Verantwortung der
Regierung liegt, wissen, daß das zu vollbrin-
gende Werk ihren ganzen Mut und ihren gan-
zen Willen in Anspruch nehmen wird. Sie wer-
den nur ein Ziel haben: nämlich handeln, auf
allen Gebieten handeln und
ausgedehnten Vollmachten,
Vertrauen des Parlaments
niemals von diesem Zweck
Sobald das Parlament wieder zusammentreten
wird, werden wir Rechenschaft ablegen- Das
Parlament wird uns nach unseren Taten be-
urteilen, das souveräne Parlament wird dann
sagen, ob wir die getreuen Beauftragten und
die guten Diener des Landes gewesen sind.

Präsident Lebrun empfing am Dienstag dem
französischen Botschafter in Berlin, Francois-
Poncet.

Bouissons Rücktrittsgesuch
DNB Paris, 4. Juni.
Bouisson hat sich mit seinen Ministerkollegen
ins Elysee begeben, um dem Präsidenten sein
Rücktrittsgesuch zu überreichen. Es ist bisher
nicht bekannt, ob dieses Gesuch angenommen
wurde. Jedenfalls wird viel bemerkt, daß ent-
gegen der sonstigen Gepflogenheit keine ent-
sprechende Mitteilung ausgegeben worden ist.

Der deutsche Gesandte
in Brüssel gestorben
DNB. Berlin, 4. Juni.
Am 4. ds. Mts. starb im 58. Lebensjahr der
deutsche Gesandte in Brüssel, Dr. Raban Gras
Adelmann von Adelmannsfelden.
Aus dem preußischen Verwaltungsdienst her-
vorgegangen, gehörte er lange Zeit dem Reichs-
ministerium des Innern an, wo er zuletzt in den
schweren Zeiten der Rheinlandbesetzung Stell-
vertreter des Reichskommissars für die besetzten
rheinischen Gebiete war. Am 1. Oktober 1930
wurde er in den auswärtigen Dienst übernom-
men und 1931 mit der Leitung des Generalkon-
sulats in Kattowitz beauftragt. Seit 1934 war
er Gesandter in Brüssel.
Das Auswärtige Amt beklagt in dem Dahin-
geschiedenen einen besonders begabten Beamten
von hervorragender Pflichttreue und bewährtem
Charakter. Es wird ihm stets ein ehrenvolles
Andenken bewahren.

Souisson lehnt
Regierungsbildung ab
DNB Paris, 5. Juni.
Der Präsident der Republik scheint entschlossen
zu sein, die durch den Sturz des Kabinetts
Bouisson ausgebrochene neue Krise so schnell als
möglich zu lösen, weil man andernfalls äußerst
ungünstige Auswirkungen auf die politische und
wirtschaftliche Lage und namentlich auf die Hal-
tung des Franken befürchtet. In politischen

Inangriffnahme der „Verfassungsrechte" der
Arbeiter, der gewerkschaftlichen Beziehungen,
der Tarifverträge, der Arbeitsstreitigkeiten und
des Schlichtungswesens.
Durch Zuruf wurde der frühere Arbeits-
minister der Südafrikanischen Union, Creß-
well, zum Präsidenten der Konferenz ge-
wählt.
Der neugewählte Präsident hielt darauf seine
Antrittsrede, die philosophische Betrachtungen
über den Einfluß des kulturellen Fortschritts
auf das Wirtschaftsdenken und -handeln ent-
hielt Die heute maßgebenden wirtschaftlichen
Auffassungen stammten noch aus Jahrhunder-
ten, in denen die menschliche Produktionsfähig-
keit völlig von der eigenen physischen Kraft des
Menschen abhängig gewesen sei. Die natürliche
Folgerung aus dem inzwischen eingetretenen
technischen Fortschritt, aus der immer stärkeren
Beherrschung der Materie durch den Menschen
und der sich daraus ergebenden Ausschaltung
von immer mehr Menschen aus dem Arbeits-
prozeß müsse die sein, daß der Mensch einen
immer weniger größeren Teil seines Leben-
dem hartem Ringen um das tägliche Brot zu
widmen habe und sich immer mehr der Ent-
wicklung seiner Anlagen und der Befriedigung
seines Höherstrebens hingeben könne.

Die Aussprache in -er Kammer
DNB. Paris, 4. Juni.
Nachdem der Abgeordnete Bonnefous in der
Kammer erklärt hatte, die Ermächtigungsgesetze
könnten nur vorübergehend Luft schaffen, man
müsse zur Staatsreform schreiten, fragte
der Abgeordnete de Lasteyrie, unter welchen Be-
dingungen die Regierung die Möglichkeit sehe,
internationale Verhandlungen über die Sta-
bilisierung der Währung einzuleiten.
Kürzlich habe Caillaux in einer Rede erklärt,
daß sich Frankreich in die Notwendigkeit versetzt
sehen könnte, seine Währung derjenigen der an-
deren Länder, die die ihrige entwertet haben,
anzupassen. Diese Anpassung, die nur eine An-
passung nach unten sein könne, wäre aber nichts
anderes als die Entwertung, und damit würde
man einen sehr gefährlichen Weg beschreiten.
Finanzminister Caillaux antwortete, daß
niemals, solange er Finanzminister sei, eine
Entwertung des Franken oder niemals ein
Eoldausfuhrverbot erlassen werden würde. Er
faste die Stabilisierung aller Währungen ins
Auge, ohne daß er dabei die Stellung des Fran-
ken im Verhältnis zum Gold aufgeben würde.
(Lebhafter Beifall.) Hierauf wurde die allge-
meine Aussprache geschlossen und zur Einzel-
beratung übergegangen, in der Ministerpräsi-
dent Bouisson das Wort ergriff.

Kreisen wurde im Lause des Abends Laval als
die geeignete Persönlichkeit für die Bildung
einer einigermaßen dauerhaften Regierung be-
zeichnet. Tatsächlich hat der Staatspräsident
den Außenminister empfangen und ihm gegen-
über anscheinend auch den Wunsch, die Regie-
rungsbildung zu übernehmen, geäußert. Ob
Laval abgelehnt hat, steht noch nicht fest. Man
erklärt hier, daß er den Präsidenten Lebrun
vorgeschlagen habe, es noch einmal mit Bouisson
zu versuchen, der jedoch aufgrund einer weiteren
Besprechung mit dem Staatschef erklärte: „Ich
nehme nicht an!"
Bouisson hat den Vertretern der Presse
mitgeteilt, daß er die Betrauung des Senats-
präsidenten Jeanneney vorgeschlagen
habe.
Die Folgen der Regierungskrise, in der man
das Anzeichen für eine Regime-Krise erblicken
könnte, haben sich im Laufe des Abends geltend
gemacht. Rechtsstehende Gruppen, vor allem
Mitglieder der royalistischen Action Francaise,
sind auf die Straße gezogen, um ihrem Unwillen
über die Lage Ausdruck zu geben. Im Quar-
tier Latin und auf den übrigen großen Boule-
vards herrscht ziemliche Erregung. Am Opern-
platz ist es zu bedauerlichen Zwischenfäl-
len gekommen in dem Augenblick, als die Be-
sucher der unter Furtwänglers Leitung
stehenden „Walküre"-Aufführung das Opern-
gebäude betraten. Junge Burschen, die den so-
genannten faschistischen Verbänden angehören,
versuchten, die Gäste am Betreten der Oper zu
hindern und führten einen Höllenlärm auf.
Ein starkes Polizeiaufgebot eilte auf zwei
Lastwagen herbei, um Weiterungen zu verhin-
dern. Mehrere Ruhestörer wurden verhaftet.
Ansammlungen von rechtsstehenden Studenten
und Angehörigen der Jeunesse patriote wurden
aus dem Luxemburgviertel gemeldet.

Oie Abstimmung
DNB Paris, 4. Juni.
Das Kabinett Bouisson ist von der
Kammer gestürzt worden. Die Kammer hat
mit 264 gegen 262 Stimmen der Regierung die
von ihr geforderten Vollmachten ver-
weigert.

Der Wortlaut
-er Regierungserklärung
DNB Paris, 4. Juni
In der Kammersitzung am Dienstag verlas
Ministerpräsident Bouisson die
rungserklärung. Die Erklärung,
gleichzeitig vom Justizminister im Senat
lesen wurde, hat folgenden Wortlaut:
Die Regierung, die sich dem Parlament
stellt, stellt die größte Einigung dar, die
man seit dem Kriege verwirklicht hat. Männer,
die sich gestern gegenüberstanden, haben sich
heute im Hinblick auf ein bestimmtes Ziel eng
zusammengefunden, nämlich um die natio-
nale Währung aufrecht zu erhalten, die
Finanzen und die Wirtschaft des Lan-
des wieder herzustellen. Angesichts einer Außer-
gewöhnlichen Lage sind außergewöhnliche Maß-
nahmen notwendig. Damit diese Maßnahmen
wirksam sind, müssen sie unverzüglich getroffen
werden. Wenige Tage genügten den Spekulan-
ten, um ihre Angriffe in die Wege zu leiten,
unser Geld anzugreifen und — übrigens ver-
geblich — zu versuchen, Aufregung unter unse-
ren Sparern zu stiften und unter den Arbeitern
unseres Landes Mißstimmung hervorzurufen.
Unsere Antwort, die Antwort des Staates,
wird brutal und entschieden sein. Ein Land,
auf dem dunkle Drohungen lasten, ist schon kein
freies Land mehr. Der Wind der Panik zer-
stört die bürgerliche Gesinnung. Wenn wir
vom Parlament verlangen, daß es uns vorläufig
einen Teil seiner gesetzgeberischen Befugnisse
überträgt, so deshalb, um das wesentliche zu
wahren, um besser zu dienen und um jene de-
mokratische Einrichtungen hoch zu halten, de-
nen wir, wie Sie alle wissen, ergeben bleiben.
Die erweiterten Befugnisse, die aber
zeitlich und sachlich begrenzt sind, und die wir
von dem Weitblick des Parlaments beantragen,
werden uns in den Sand setzen, sofort die
Spekulation zu brechen und den Franken vor
jeder Beinträchtigung zu schützen. Sie werden
uns ferner ermöglichen, unsere Finanzen und
unsere durch die Wirkungen einer sich seit fünf
Jahren hinziehenden Krise mitgenommene und
gestörte Wirtschaft wieder herzustellen und zu
sanieren. Dieses positive Werk wollen wir nach
einem Gesamtplan durchführen. Die Wieder-
herstellung unserer Finanzen wird eine neue
Anstrengung zum Ausgleich des Haushaltes er-
orfernd. Sie wird alle die Anstrengungen ver-
vollständigen, die das Parlament während der
jetzigen Legislaturperiode mutig verfolgte. Bei
dieser Anstrengung wird nichts vernachlässigt
werden, um die verschiedenen Zweige der wirt-
schaftlichen Betätigung zu beleben und den
Warenaustauschstrom im Innern und mit dem
Ausland wieder herzustellen. Wir stellen in den
Vordergrund eine Landwirtschaft, die den
größten Teil unserer Bevölkerung beschäftigt
und die wegen der schlechten Verkaufsmöglich-
keiten ihre letzten Hilfsquellen dahinsinken
sieht. Unsere Industriellen und Kaufleute, die
so schwer mitgenommen sind, werden bei ihrem
Kampf gegen die Krise unterstützt werden. Wir
werden alle Mittel einsetzen, um der Ar-
beitslosigkeit und ihren Folgeerschei-
nungen sozialen Elends und familiärer Leiden
M steuern, um einer Jugend, die den Horizont

Sie 19. Internationale Arbeitskonferenz
Eröffnung mit philosophische« Betrachtungen
 
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