Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Heidelberger Volksblatt (70) — 1935 (Nr. 77-149)

DOI Heft:
Nr. 141 - Nr. 149 (20. Juni - 29. Juni)
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.43254#0725
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Pfälzer Sole

70. Jahrgang / Ar. 146

um


Bezugspreis: Durch Botenzustellung u. Post monatl. 2.00 N-F, bei der Geschäftsstelle
abgeholt 1.80 Einzelnr. 10 «^5. Erscheint wöchentl. 6 mal. Ist die Zeitung am Er-
scheinen verhindert, besteht kein Anrecht auf Entschädigung. Anzeigenpreis: Die Ispalt.
Millimeterzsile (46 mm br.) 7 Textteil: Die 70 mm br. Millimeterzsile 25 -H/. Bei
Konkurs u. Zwangsvergleich erlischt jed. Anspruch auf Nachlaß. Gerichtsst.: Heidelberg.

LH.
M

lin, kennengelernt. Es scheine, daß Frankreich
vom Uebel des Zweifels befallen sei. Er glaube,
daß die in Frankreich geltende Rsgierungsform,
die Demokratie, keineswegs den anderen
unterlegen sei. Er werde sich bemühen, dies zu
beweisen. Das sei sein großer Ehrgeiz. Die
Wirtschaftskrise herrsche in der ganzen Welt.
Die allzu hohen Zollschranken, die selbst-
süchtige Politik der Kontingentierung
könne nicht dauernd fortbestehen. Die Länder,
die in der Autarkie lebten, befänden sich in
einem wirklichen Zustand des Wirtschaftskrieges,
und der Wirtschaftskrieg habe oft den Krieg
schlechthin im Gefolge. Man müsse eine Formel
finden, um die Belange und Bestrebungen der
verschiedenen Nationen miteinander in Einklang
zu bringen. Man mache ihm bisweilen den Vor-
wurf, das Abkommen mit Moskau abge-
schlossen zu haben. Diese Kreise beschuldigten
ihn, Frankreich sogar irgendeiner Gefahr des
Wirrwarrs ausgeliefert zu haben. Er sei weder
russenfreundlich noch italienfreundlich, noch eng-
landfreundlich oder irgendwie auslandsfeindlich.
Aber weil er Franzose und Pazifist sei, gelte
seine tätige Sympathie all den Völkern und Re-
gierungen, die mit Frankreich an der Organi-
sation des Friedens arbeiten möchten. Er habe
kein Widerstreben gegen irgendein Abkommen
mit irgendeinem Lande. Er habe niemals eine
Geste getan, oder irgendein Wort gesprochen, die
im Auslande schlecht ausgelegt werden könnten.
Wenn ein Abkommen mit Berlin möglich wer-
den würde, würde er nicht zögern, es abzuschlie-
ßen. Aber damit ein derartiges Abkommen Wirk-
lichkeit werde, seien nicht nur zwei, sondern meh-
rere notwendig. Er verteidige Frankreich und
gleichzeitig die Zivilisation, in der es groß ge-
worden sei und leb«.


Der nationale Arbeiterabgeordnete k. Mabane
wollte hierauf wissen, bis zu welchem Grad die
neue Verpflichtung eine Erweiterung gegenüber
den Verpflichtungen vor dem Kriege bedeute,
worauf Eyres-Monsell feststellte, daß es sich
eine völlig neue Verpflichtung handele.

gäste und der Besatzung angesichts der See- und
Wetterbedingungen oder der Nähe von Land
oder Position eines anderen Schiffes, das in der
Lage ist, Fahrgäste und Besatzung an Bord zu
nehmen, sichergestellt ist.
Die hohen vertragschließenden Parteien for-
dern die anderen Parteien auf, ihre Zustimmung
zu den obigen Regeln zu geben. „Das bedeutet,
daß Deutschland dem zugestimmt hat, daß man
niemals wieder zu dem greifen wird, was
man während des Krieges als unbeschränk-
ten U-Bootskrieg bezeichnet hat. (Stür-
mischer Beifall.)
Der nationalliberale Abgeordnete Lambert
fragte hierauf, welche Mächte ihre Zustimmung
zu dem Londoner Vertrag erklärt hätten. Eyres-
Monsell antwortete, daß diesen Vertrag Eng-
land, die Vereinigten Staaten, Japan, Frank-
reich und Italien unterzeichnet hätten, daß bis-
her aber durch ihn nur England, die Vereinig-
ten Staaten und Japan gebunden seien, da
Frankreich und Italien ihn nicht ratifiziert
hätten.
Der oppositionelle Arbeiterabgeordnete Thö-
nes fragte, ob die Frage der Abschaffung der
U-Boote erörtert worden sei, für die sich die
Deutschen immer wieder erklärt hätten. Eyres-
Monsell erwiderte hierauf, daß die deutschen
Vertreter wiederholt hätten, sie seien ebenso wie
die Engländer für die Abschaffung der Untersee-
boote, aber bedauerlicherweise stimmten gegen-
wärtig einige andere Länder hiermit nicht über-
ein.

Kriegsminister Fabry verlangt weitere
800 Millionen Franken Rüstungskredite
DRV. Paris, 25. Juni.
Der Heeresausschuß der Kammer hat am
Dienstag Kriegsminister Fabry angehört, der
unter Hinweis auf die Tätigkeit der deut-
schen Rüstungsindustrie dem Ausschuß
einen Gesetzentwurf unterbreitete, der die Regie-
rung zur Verwendung der 506 Millionen Fran-
ken Kredite, die im April 1935 vorgesehen wur-
den, bevollmächtigen soll. Außerdem hat er die
Bereitstellung weiterer Kredite in Höhe von 600
Millionen Franken zwecks Materialbeschaffung
für Befestigungsbauten und zur Ausfüllung der
Vorräte für die Landesverteidigung beantragt.
Der Ausschuß beauftragte seinen Berichterstatter
mit der Abfassung eines Gutachtens, das diese
Vorschläge befürwortet.

Schviftleitung und Geschäftsstelle: Heidelberg, Vergh. Str. 59/61, Del. 7151. Geschäfts-
stunden: 7.30 bis 18 Uhr, Sprechstunden der Redaktion: 11.30 bis 12.30 Uhr. Anzeigen-
schluß: 9 Uhr, Samstag 8.30 Uhr vormittags. Für fernmündlich übermittelte Auf.
träge wird keine Gewähr übernommen. Postscheck-Konto Karlsruhe Nr. 8105,
Unverlangte Beiträge ohne Rückporto werden nicht zurückgesandt.


Kriegsmarineminister Pietri über die Stärke der
französischen Flotte
DNB. Paris, 25. Juni.
Wie in den Wandelgängen der Kammer ver-
lautet, soll Kriegsmarineminister Piötri vor dem
Marineausschuß erklärt haben, daß die franzö-
sische Flotte unter Berücksichtigung der in Bau
befindlichen Schiffe 54 v. H. der englischen be-
trage. Dieses Verhältnis erscheine umso beruhi-
gender, als sich hierunter Linienschiffe befänden,
deren Offensiv-, Defensiv- und Beweglichkeits-
eigenschaften noch von keiner Kriegsmarine er-
reicht worden seien. Die Nordsee- und Kanal-
front werde im übrigen dank der besseren Be-
ziehungen zu Italien verstärkt werden können,
da bestimmte im Mittelmeer stehende Kriegs-
schiffe freigemacht werden könnten.^

Belohnung für Rettung aus Seenot
Berlin, 25. Juni.
Der Führer und Reichskanzler hat den Schlei-
münder Lotsen in Anerkennung ihres umsichtigen
und aufopfernden Vorgehens bei der am 5.
März unternommenen Rettung der in Lebens-
gefahr befindlichen Besatzung des Maasholmer
Fischkutters „Maa 144" eine Belohnung ge-
währt, und zwar dem Oberlotsen Petersen 200
und dem Lotken Nans SW RM.

Eins Rede Lavals
„Jede Reibungsursache mit Deutschland ist beseitigt

Mittwoch, 26. Juni 1935

DNB. Paris, 26. Juni.
Ministerpräsident Laval hielt am Dienstag
bei einem Bankett der Vereinigung der franzö-
sischen Provinzpresse eine politische Rede.
Zur Regelung der Saarfrage erklärte La-
val: Das Saarproblem ist international berei-
nigt worden. Jede Reibungsursache mit Deutsch-
land ist somit beseitigt.
Nach einem längeren Hinweis auf dieinner-
politischen Schwierigkeiten, mit de-
nen die Regierung zu kämpfen hat, betonte der
Ministerpräsident den Willen des Kabinetts,
zum Besten des Landes sämtliche bestehenden
Hindernisse aus dem Wege zu räumen. Er wolle
die ihm übertragenen Vollmachten nicht miß-
brauchen, aber davon einen zweckmäßigen Ge-
brauch machen, selbst um den Preis, daß er eines
Tages unvolkstümlich werden sollte. Er spreche
nicht im Namen irgendeiner politischen Rich-
tung, sondern im Namen Frankreichs. Es gehe
nicht nur um das Schicksal der verfassungsmäßi-
gen Einrichtungen, sondern um das Schicksal
des Landes selbst. Das Ansehen Frankreichs
im Auslande werde verschwinden, wenn Frank-
reich nicht stark und nicht mehr gesund sei. Frank-
reich werde aber stark und gesund sein, wenn es
sich die doppelte Aufgabe angelegen sein lasse,
seine Aufgaben nach den Mnnahmen zu richten
und für die Wahrung seiner Sicher-
heit auf sich selbst zu zählen. Alle- werde ge-
schehen, daß die Regierung bereit sei, energisch
durchzugreifen. Außenpolitisch sei es eine fest-
stehende Tatsache, daß jede politische Krise in
Frankreich sein Ansehen im Auslande schwäche.
Er habe zahlreiche Reisen in viele Länder unter-
nommen und überall sine begeisterte Jugend,
in Ram, in M.sfchou. in Moskau und in Ber-

Zn der Kammer...
i DNB. Paris, 25. Juni.
Kriegsmarineminister Piotri hat am
Dienstag vor dem Marineausschutz der Kammer
über das deutsch-englische Flottenabkommen ge-
sprochen. Er hat insbesondere angegeben, in
welcher Form und Weise die französische Regie-
rung über die Verhandlungen und ihre Ergeb-
nisse auf dem laufenden gehalten wurde. Der
Minister gab von der französischen Antwort vom
17. Juni Kenntnis und gab dann eine Inhalts-
angabe des am 18. Juni abgeschlossenen deutsch-
englischen Abkommens. Er hat dem Ausschuß
eingehende Aufklärung gegeben über die Rück-
wirkungen, die das Abkommen auf die franzö-
sische Flottenpolitik hervorzurufen geeignet sein
könnte.
Nach Anhören des Ministers hat der Marine-
ausschuß der Kammer folgende Entschlie-
ßung angenommen:
„Der Marineausschuß der Kammer stellt fest,
daß das zwischen Deutschland und Großbritan-
nien abgeschlossene Flottenabkommen die Flot-
tenbestimmungen des Versailler Vertrags hin-
fällig macht. Er ist der Auffassung, daß das
Washingtoner Abkommen nur in Anbetracht die-
ser Flottenbestimmungen des Versailler Vertrags
von Frankreich angenommen wurde, und er ist
der Auffassung, daß das deutsch-englische Flot-
tenabkommen Frankreich die vollständige Frei-
heit in Bezug auf seine Marinepolitik geben muß
bis zum Abschluß neuer allgemeiner Abkommen.
Der Ausschuß fordert die Regierung auf, alle
Maßnahmen zu ergreifen, damit Frankreich stän-
dig auf dem Atlantischen Ozean und im Mittel-
meer über Seestreitkräfte verfügt, die ausrei-
chen, um seine Sicherheit zu gewährleisten."
Der Ausschuß hat hierauf den Bericht über
Las laufende Flottenbauprogramm angenommen.

Zm Unterhaus ...
DNB. London, 25. Juni.
Im Unterhaus richtete am Dienstag Admiral
Tampell (Konservativ) an den ersten Lord der
Admiralität die Frage, ob im Verlaufe der letz-
ten Besprechungen mit den Deutschen geklärt
worden sei, welches die Politik der deutschen Re-
gierung bezüglich der Verwendung von
U-Booten im Kriege sei.
Sir Bolton Eyres-Monsell erklärte hier-
auf: „Während der Besprechungen der vielen
Einzelfragen bezüglich der bestehenden Seever-
träge erklärten die deutschen Vertreter, daß
Deutschland bereit sei, sich an die Regeln bezüg-
lich der U-Bootkriegsführung zu halten, wie sie
in Teil 4 des Londoner Vertrages von 1930 nie-
dergelegt seien, und daß sie bereit seien, sie an-
zunehmen ohne Rücksicht darauf, ob sie auch von
allen anderen Mächten angenommen würden."
Teil 4 des Londoner Vertrages besagt fol-
gendes:
1. In ihren Aktionen gegen Kauffahrteischiffe
müssen sich U-Boote an die Regeln des inter-
nationalen Rechts halten, die auch für Ueber-
wasserschiffe gelten:
2. Insbesondere gilt folgendes: Mit Aus-
nahme von Fällen fortdauernder Weigerung,
auf einwandfreie Aufforderung hin anzuhalten,
oder im Falle aktiven Widerstandes gegen Be-
such oder Durchführung darf ein Kriegsschiff, sei
es ein Ueberwasserschiff oder U-Boot, kein Kauf-
fahrteischiff versenken oder navigationsunfähig
machen, ohne vorher die Fahrgäste, die Be-
satzung und die Schiffspapiere an einen sicheren
Platz gebracht zu haben. Zu diesem Zwecke wer-
den Rettungsboote nicht als sicherer Platz ange-
sehen, es sei denn, daß die Sicherheit der Fahr-

Fragen um das deutsch-englischeFlottenabkommen
Sie Ll-Sootsfrage - Sine Entschließung -es Marineausschuffes -er Kammer

Auf dem Weg
zur Einigung Europas
Der erste Etappe
Die Londoner Besprechungen des außerordent-
lichen Botschafters von Ribbentrop haben nun-
mehr ihren Abschluß gesunden Ueber das Er-
gebnis von London und die erhoffte weitere
Entwicklung der Dinge hat Botschafter von Rib-
bentrop in klaren, von üblichen diplomatischen
Erklärungen in ihrem Ton stark abeweichenden
Ausführungen Vertrteern der englischen Presse
gegenüber Auskunft gegeben. Rückwärts- und
vorwärtsschauend bringen dies vor allem drei
Sätze zum Ausdruck.
Der erste Satz lautet:
„...hier ist zum ersten Male auch wirklich
etwas getan worden, nämlich: der erste prak-
tische Schritt zur Rüstungsbeschränkung."
Damit soll also gesagt sein ,daß es sich bei dem
Londoner Abkommen nicht nur um eine rein
zweiseitige Regelung auf dem Gebiete der See-
rüstung handelt, nicht nur um eine Teil-Vor-
bereitung eines auf einer allgemeinen See-
rüstungskonferenz abzuschließenden Gefamtver-
trages der interessierten Mächte, sondern auch
etappenweise Vorwärtsschreiten von Tat zu Tat
und nicht von ergebnisloser Konferenz zu Kon-
ferenz, von Ministerreisen zu Ministerreisen, von
Rede zu Rede.
Ziel ist vielmehr Regelung unseres Verhält-
nisses zu anderen Völkern Europas und die Ee-
samtbefriedung.
Besonders möge die Welt aber aus diesen
Worten von Rippentrops zur Kenntnis neh-
men, daß es gerade das „kriegslüsterne"
Deutschland war, welches durch die Initiative
seines Kanzlers den ersten Schritt zur Rüstungs-
begrenzung machte.
Dies unterstreicht der zweite erwähnenswerte
Satz in der Erklärung des deutschen Botschaf-
ters:
„Ich glaube, dieses Flottenabkommen ist der
Anfang einer praktischen Friedens-
pol i t i k."
Der dritte Satz, auf den wir hier zur Kenn-
zeichnung der durch das Londoner Abkommen ge-
schaffenen Lage Hinweisen möchten, lautet:
»Ich glaube, in dem Ringen um die Erhal-
tung der Kultur müssen England, Frankreich
und Deutschland und die anderen europäischen
Länder zusammenstehen. Wir glauben an ein
starkes Europa und an ein starkes englisches
Weltreich."
Hier schneidet von Ribbentrop eine Frage an,
die von gewissenlosen Hetzern und Sabateuren
jeder wirklichen Friedensarbeit schon wieder wie
ein Keil in die deutsch-englischen Bemühungen
hineinzutreiben versucht wird: Es handelt sich
für Deutschland darum, Frankreich und Eng-
land voneinander zu trennen und sich von den
anderen abzukapseln. Unter würdiger Zurück-
weisung dieses Geredes stellt ihm der deutsche
Botschafter oben zitierte Worte entgegen. Nicht
Trennung, sondern Zusammenführung, nicht Ab-
sonderung und Störung, sondern Einheit und
Zusammenarbeit ist das Ziel deutscher und auch
englischer Gegenwartspolitik.
Inzwischen wird Englands Abgesandter Eden
von Rom zu nochmaligen Verhandlungen nach
Paris zurückkehren. Wenn er dieses Mal mög-
licherweise eine bessere Atmosphäre vorfindet als
vorher, dann nicht zum wenigsten durch die
Worte von Ribbentrops. Schon scheinen die
französischen Blätter aus eine Weisung von oben
her etwas einzulenken, ist es auch vorerst nur
ein Spiel mit Worten. Man spricht nicht mehr
von der „Unteilbarkeit", sondern von dem
„gegenseitigen Bedingtsein". Wenn Frankreich
die Aufforderung Ribbentrops zum Vertrauen
aufgreift, dann dürften die Hoffnungen uird der
Glaube des deutschen Abgesandten, die das
deutsche Volk und sein Führer gleichfalls nicht
aufgeben wollen, vielleicht schon bald greifbare
Gestalt finden, indem durch Nachahmung des
Beispiels von London, die zweite, vielleicht wich-
tigste Etappe aus dem Wege zum Frieden und
zur Einigkeit Europas angebahnt wird: die
 
Annotationen