Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Heidelberger Volksblatt (70) — 1935 (Nr. 77-149)

DOI Heft:
Nr. 121 - Nr. 130 (25. Mai - 6. Juni)
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.43254#0545
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext

Bezugspreis: Durch Botenzustellung u. Post monatl. 2.00 Lei der Geschäftsstelle Schriftleitung und Geschäftsstelle: Heidelberg, Vergh. Str. 59/61, Del. 7151, Geschäfts»
abgeholt 1.80 Einzelnr. 10 Erscheint wöchentl. 6 mal. Ist die Zeitung am Er» stunden: 7.30 Lis 18 Uhr, Sprechstunden der Redaktion: 11.30 Lis 12.30 Uhr. Anzeigen»
scheinen verhindert, besteht kein Anrecht auf Entschädigung. Anzeigenpreis: Die Ispalt. schlutz: 9 Uhr, Samstag 8.30 Uhr vormittags. Für fernmündlich übermittelte Auf.
Millimeterzeile (46 mm br.) 7 Textteil: Die 70 mm br. Millimeterzeile 25 Bei /I M E M träge wird keine Gewähr übernommen. Postscheck-Konto Karlsruhe Nr. 8105.
Konkurs u. Zwangsvergleich erlischt jed. Anspruch auf Nachlaß. Eerichtsst.: Heidelberg. Unverlangte Beiträge ohne Rückporto werden nicht zurückgssandt.
SrlmaAUma m» »en Beilagen: Srnnlav der Seele / Seimatlvarle WWMnsl na» Knnlt / Aus »er MU »er Fra« / Ile Leleitunre
psüher Sole Dienstag, 4. Juni 19ZS 7v. Jahrgang / Ar. 128

Der 70. Geburtstag
des Königs von England

DNB London, 3- Juni.
Am heutigen Montag wurde in allen Teilen
des britischen Weltreiches der 70. Geburtstag
König Georgs gefeiert. Der König hat sich
von feiner Krankheit soweit erholt, daß er an
der großen Parade teilnehmen konnte. Es
war dies seit drei Jahren das erste Mal, daß
der König einer Parade beiwohnte. Bei herr-
lichstem Wetter bewegte sich der Zug des Königs
durch die festlich geschmückten Straßen der Stadt,
die von einer vieltausendköpfigen Menge um-
säumt waren, um dem einzigartigen militäri-
schen Schauspiel beizuwohnens Unbeschreib-
licherJubel begleitete den König auf seinem
> Wege vom Schloß zum Paradeplatz. Die Köni-
gin nahm in ihrem Wagen in Begleitung ihrer
Schwiegertöchter und ihrer beiden kleinen Enke-
linnen an dem Aufzug teil. Der König trug
Uniform und ritt in Begleitung seiner
vier Söhne.
Weiterhin sah man verschiedene indische
Fürsten in ihren herrlichen Uniformen sowie
die ausländischen Militärattachees.
Auf dem Paradefeld hatten etwa 2000 Mann
der Garden mit sechs Musikzügen Aufstellung ge-
nommen. Nachdem die Truppen am König vor-
beimarschiert waren und der Salut abgefeuert
worden war, setzte sich der Kön i g selberan
die Spitze der Truppen und begab sich
zum Buckingham-Palast zurück.
Glückwunschtelegramm
des Führers an den König von Großbritannien
DNB Berlin, 3. Juni.
Der Führer und Reichskanzler hat Seiner
Majestät dem König von Großbritannien an-
läßlich seines heutigen Geburtstages folgendes
Telegramm übermittelt:
Gw. Majestät bitte ich, zum Geburtstag meine
aufrichtigsten Glückwünsche entgegenzunehmen.
Zugleich erneuere ich meine besten Wünsche für
das persönliche Wohlergehen Ew. Majestät und
das weitere Gedeihen des britischen Reiches.

Ribbentrop bei Simon nnd McDonald
DNB. London, 3. Juni.
Der Führer der deutschen Flottenabordnung,
Botschafter von Ribbentrop, wurde am
Montagnachmittag im Unterhaus von Außen-
minister Sir John Simon begrüßt. Anschlie-
ßend stattete der Botschafter dem Ministerprä-
sidenten MacDonald einen formalen Besuch ab.
Nach Beendigung der Unterredung begab er sich
in das Gebäude der Admiralität, wo er eine
erste Begegnung mit dem Marineminister hatte.
Die am Dienstag vormittag um 10 Uhr begin-
nenden deutsch-englischen Flottenbesprechungen
werden, wie bereits kurz berichtet, durch den
englischen Außenminister formal eröffnet wer-
den, doch nimmt Sir John Simon an den
eigentlichen Besprechungen der Flottensachvsr-
ständigen nicht teil.

Luftschutzübung in strategisch wichtigen Orten
Englands
London, 1. Juni.
Nach dem Vorbild der Luftschutzübungen in
Deutschland wurde in der Nacht zum Samstag
die erste große Luftschutzübung in den Städten
Rochester, Chattam, Gillingham in Kent, wo sich
große Dockanlagen der englischen Flotte befin-
den, durchgeführt. Sirenen und Raketensignale
gaben um 23.30 Uhr das Warnungszeichen, wo-
rauf ein Gebiet von 100 Quadratmeilen Um-
fang und mit einer Bevölkerung von 130 000
Menschen in Dunkelheit versetzt wurde. Der ge-
samte Verkehr wurde angehalten und alle Fahr-
zeuge mußten ihre Lichter löschen oder abblen-
den. Einige Leute zeigten jedoch ihr Mißfallen
an den Luftschutzmaßnahmen, indem sie auf meh-
reren Hügeln Leuchtfeuer anzündeten. Der ge-
plante Fliegerangriff kam anscheinend nicht zur
Durchführung, denn die Bevölkerung konnte
nicht die geringsten Motorengeräusche wahrneh-
men. Die Uebung dauerte eine halbe Stunde.
Ts ist geplant, ähnliche Hebungen an anderen
strategisch wichtigen Punkten Englands durch-
zuführen.

Die französischen Finanzsorgen

Eaillauk nimmt seine Wett aus
DNB. Paris, 3. Juni.
Finanzminister Caillaux hat am Montag
Vormittag das Finanzministerium von seinem
Vorgänger Germain-Martin übernommen.
Als erste Maßnahme hat der neue Finanz-
minister einen Ausschuß zur Reform des
Finanzmarktes eingesetzt, der aus vier
Mitgliedern, darunter dem Syndikus der Wech-
selmakler und dem Vorsitzenden des Verbandes
der zur Wertpapierbörse zugelassenen Bankiers,
besteht. Der Ausschuß soll die Bedingungen für
die Gründung einer Art Vankierkam-
mer ausarbeiten, die bereits sehr bald erfol-
gen soll. Die Bankierkammer soll die Oberauf-
sicht über sämtliche zum Vörsenhandel zugelasse-
nen und zuzulassenden Wertpapiere ausüben.
Sie wird alle erforderlichen Nachforschungen an-
stellen. Wer außerhalb der Bankier-Kqmmer ir-
gendwelche Wertpapiere auszugeben versucht, soll
strenge Strafen zu gewärtigen haben.
Ferner ist die Einsetzung eines Kammer-
ausschusses beabsichtigt, der Ausgabe-
beschränkungen und Einsparungen
am Haushalt prüfen und vorschlagen soll. Dieser
Ausschuß soll mit dem Eeneralstaatsanwalt am
Rechnungshof Zusammenarbeiten.
Finanzminister Caillaux hatte am Montag
eine Unterredung mit Ministerpräsident Vouis-
son über den finanziellen Teil der Regierungs-
erklärung, in dem die Notwendigkeit der rest-
losen Aufrechterhaltung des Währungsstandes
und der schleunigen Herstellung des Gleichge-
wichts zwischen Ausgaben und Einnahmen be-
tont werden soll. Caillaux will den Franken
verteidigen und die Finanzlage Frankreichs bes¬

sern, auch im Hinblick auf die internationale
Währungslage. Er will sich bemühen, durch einen
Versuch der allgemeinen Angliederung (aligne-
ment) der Währungen eine größere finanzielle
Stabilität zu verwirklichen.
In politischen Kreisen bezeichnet man Cail-
laux bereits als den geeigneten Mann, der in
diesem Sinne die Initiative zu einer internatio-
nalen Währungskonferenz ergreifen könnte.
Eine Erklärung, die der Finanzminister der
„Information" zur Verfügung gestellt hat, be-
stätigt diese Annahme. Caillaux sagte: „Die
Wiederbelebung des Austausches steht im Vor-
dergrund meiner Bemühungen. Sie wird be-
trächtlich erleichtert werden, wenn die anderen
Währungen, außer der französischen, demnächst
den Gegenstand einer gemeinsam beschlossenen
Stabilisierung abgeben könnten."
Die Krage einer
MhrungSkonfsrenz
DNB. Paris, 4. Juni.
Finanzminister Caillaux nimmt in einer Ver-
lautbarung an den durch die Presse gegangenen
Gerüchten Stellung, daß er eine neue Wäh-
rungskonferenz anregen wolle, auf der die Frage
der Stabilisierung erörtert werden könnte.
Caillaux betont, daß dies nicht seine Aufgabe
sei, jedoch bleibe anzuerkennen, daß die Ankur-
belung der Weltwirtschaft weitgehend gefördert
werden würde, sobald die übrigen Nationen un-
ter Anerkennung der Vorteile, die die Erhal-
tung der französischen Währung mit sich bringe,
gemeinsam beschließen würden, sich zwecks inter-
nationaler Stabilisierung der Währungen zu-
sammenzutun.

Das Erdbeben von VeluWstan

Ein amtlicher englischer Bericht
Sibi (Britisch-Beludschistan), 3. Juni.
Ein englischer Nachrichtenoffizier, der am
Sonntag abend aus Quetta in Sibi eintraf, gab
dem Vertreter des DNB einen amtlichen Bericht
über die Lage im Erdbebengebiet. Darnach
dauerte der erste Erdstoß am Freitag 30 Sekun-
den. Er brachte die ganze Innenstadt
und die im Süden liegenden Nachbar dör-
fer zum Einsturz. Außerdem stürzten das
außerhalb liegende Krankenhaus, das Gebäude
des Kommissars des Generalgouverneurs sowie
die Häuser seines Stabes ein. Zerstört wurde
auch das Stadtviertel, in dem sich die Militär-
luftfahrtanlagen befanden. Es blieb da kein
Stein auf dem anderen. Da die Gebäude der
übrigen Militärverwaltung keinen ernsten Scha-
den nahmen, konnte das Militärkommando so-
fort die Stadtverwaltung übernehmen. Das
Glück wollte es, daß zurzeit des Bebens an-
nähernd die Hälfte der Garnison von Quetta
Nachtübungen in Richtung Lhaman abhielt. So-
fort wurde die Nachtübung abgebrochen und das
Militär zur Hilfeleistung eingesetzt. Das Feuer,
das beim Eintreffen der Soldaten sich erheblich
ausgedehnt hatte, war nicht mehr zu löschen.
Man versuchte, durch Sprengung von Nachbar-
häusern und durch Wegschaffen leicht brenn-
baren Materials eine Ausbreitung des Bran-
des zu verhindern. Beim ersten Erdstoß wurde
der größte Teil der städtischen Polizei, etwa 160
Mann, getötet. Auch das Gefängnis fiel zusam-
men. Von den Insassen hat sich anscheinend nie-
mand retten können. Bei den Rettungsarbeiten
vollbrachten die Soldaten, die unermüdlich wirk-
ten, erstaunliche Taten. Ein britischer Offizier
konnte z. B. am ersten Tage 42 Lebende aus
den Trümmern hervorziehen. Schwierig wurde
die Lage, da kein Zivilkrankenwagen mehr be-
triebsfähig war. An vielen Stellen wurden die
Dächer mit Ketten an Tanks befestigt und so
die Dächer fortgeschleppt, um leichter an die Ver-
schütteten heranzukommen. Am Freitag wurde
eine Erkundung durchgeführt. Sie ergab, daß
alle Dörfer bis nach Khalat zerstört sind ein-
schließlich der Stadt Mästung, wo die Toten I

Tausende zählen. Zurzeit werden rund 50 000
Menschen täglich aus dem Heeresproviantlager
verpflegt. Die Verluste der britischen Luftstreit-
macht an Toten betragen ein Offizier und 49
Mann. Außerdem wurde ein Kind eines Offi-
ziers getötet. Vis Samstag abend hatten die
Truppen 2272 Einheimische beerdigt oder ver-
brannt. Hinzu kommen noch ungefähr 3000 Zivi-
listen, die von ihren Landsleuten als Leichen
geborgen wurden.
Da die Erdstöße immer noch anhalten und
man Nahrungsmangel befürchtet, soll die Zivil-
bevölkerung fortgeschafft werden. Am Sonntag
nachmittag um 3.00 Uhr erfolgte wieder ein
schwerer Stoß, der aber keinen Schaden mehr
anrichten konnte, da alles zerstört ist. Die elek-
trische Stromversorgung ist seit Samstag abend
wiederhergestellt. Obwohl die Wasserleitungen
geborsten sind, halten Pioniere die Wasserversor-
gung aufrecht. Die Stadt ist von Kavallerie und
Kraftfahrtruppen von der Außenwelt abgeschlos-
sen, um Schaulustige, die sich bereits in großer
Zahl bemerkbar machten, von der Trümmer-
stätte fernzuhalten. Die Zahl der Toten wird
in Quetta allein auf 26 000 geschätzt. Ob Quetta
wieder aufgebaut wird, ist noch fraglich.
Der Führer an den
König von England
Deutschlands Anteilnahme an dem Erdbeben-
unglück
DNB. Berlin, 4. Juni.
Der Führer und Reichskanzler hat Sr. Maje-
stät dem König von Großbritannien anläßlich
des schweren Erdbebenunglücks in Britisch-Velud-
schistan seine und des deutschen Volkes aufrich-
tigste Anteilnahme übermittelt. Der König von
England hat für die wohltuende Bekundung der
Anteilnahme an dem fürchterlichen Unglück tele-
graphisch gedankt.

Die Umbildung dos englischen Kabinetts dürfte
am Freitag unmittelbar nach dem Rücktritt Mac-
Donalds und der Betrauung Baldwins mit der
Regierungsbildung bekanntgegeben werden.

Rücktritt -es niederländischen
Wirtschaftsministers
DNB. Den Haag, 3. Juni.
Wirtschaftsminister Dr. Steenberghe ist
überraschend zurückgetreten, was in poli-
tischen und parlamentarischen Kreisen großes
Aufsehen hervorries.
Sicherem Vernehmen nach begründete Stesn-
berghe seine Demission damit, daß seiner Auf-
fassung nach allein eine Devalvation die
Wirtschaftslage der Niederlande grundlegend
verbessern könne. Da er jedoch mit dieser Auf-
fassung innerhalb des Kabinetts fast allein ge-
standen habe, habe er sich zum Rücktritt ent-
schlossen.
Das Rücktrittsgesuch ist von der Königin be-
reits genehmigt worden. Als Nachfolger
Steenberghes soll der Direktor der halbstaat-
lichen Elektrizitätsgesellschaft in Limburg und
Dozent der Katholischen Universität zu Tilburg,
Professor Eelissen, in Aussicht genommen
sein. Ob der Rücktritt Professor Steenberghes,
der der Katholischen Staatspartei angehört, für
die bevorstehende bedeutsame Stellungnahme der
Zweiten Kammer zur Sparvorlage der Regie-
rung schwerwiegende Folgen haben wird, ist noch
nicht zu übersehen.
Innerhalb der Kammerfraktion der Katholi-
schen Staatspartei, der größten Regierungspar-
tei, sollen starke Meinungsverschiedenheiten hin-
sichtlich der Krisenpolitik der Regierung bestehen.
Von der Haltung der Katholischen Kammerfrak-
tion hängt der Fortbestand der Regierung Cdlyn
viel ab.
Zusammentritt der Skuptschina
Fernbleiben der Opposition
DNB. Belgrad, 3. Juni.
Die neugewählte Skupschtina trat Montag
unter dem Vorsitz des ältesten Abgeordneten
Stewa Jankowitsch zum ersten Male zusammen.
Die Sitzung hatte nur formalen Charakter. Die
Abgeordneten überreichten dem vorläufig ge-
wählten Präsidenten ihre Vollmachten.
Die Opposition blieb der Sitzung fern. Nach-
mittags soll ein Veglaubigungsausschuß gewählt
werden, der die Vollmachten überprüfen soll.
Aus dem Verhalten der Opposition ist zu
schließen, daß die am Sonntag in Agram abge-
haltene Versammlung der oppositionellen Abge-
ordneten den Beschluß gefaßt hat, die Skup-
schtina wenigstens bis auf weiteres zu meiden;
der serbische Flügel hat sich demzufolge der kroa-
tischen Auffassung angeschlossen. In der Presse
wird weder über die Agramer Versammlung
noch über ihre Beschlußfassung berichtet.
Was die Hetze zum Generalstreik in. Kroatien
anlangt, der Montag hätte ausbrechen sollen,
scheint es den gemeinsamen Bemühungen der
Regierung und des Oppositionsführers Matschek
gelungen zu sein, die Gefahr zu beseitigen.


Ein Mitglied der Entführerbande in Chicago
verhaftet
Washington, 3. Juni.'
Der Leiter der Vundesgeheimpolizei gab die
Verhaftung eines gewissen Volney Davis in
Chicago im Zusammenhang mit der Entführung
des neunjährigen George Weyerhäuser bekannt.
Davis wurde schwer gefesselt unter stärkster Be-
wachung nach St. Paul gebracht. Es wird an-
genommen, daß Davis zwar nicht der Haupt-
täter, aber ein Mitglied der Entführerbande ist.
Die Polizei ist zur Zeit bemüht, die entkomme-
nen Haupttäter dingfest zu machen. Im Kraft-
wagen und Flugzeugen werden die schwer zu-
gänglichen Gebirgsgegenden Oregons durch-
sucht.
Der Entführer Davis gesteht eine vorjährige
Entführung ein
St. Paul, 3. Juni.
Der wegen Beteiligung an der Entführung
des Knaben Weyerhäuser verhaftete Davis hat
gestanden, daß er im vergangenen Jahr an der
Entführung des Vrauereibesitzers Bremer betei-
ligt war. Die Einzelheiten über feine Beteili-
gung an der Entführung des George Weyer-
häuser sind bisher noch unbekannt.
 
Annotationen