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Heidelberger Volksblatt (70) — 1935 (Nr. 77-149)

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Nr. 91 - Nr. 100 (17. April - 30. April)
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Mzer Note

Mittwoch, 17. April 1935

70. Jahrgang / Ar. 91

Oer französische Anirag vor dem Rat
Laval, Simon rnd Aloifl begründen einen gemeinsamen Entschließungsentwurs / Scharfe Erklärung des polnischen
Außenministers gegen den Ostpattplan / Starke Vedenlen der Neutralen / Die Sitzung aus heute vertagt

DNB. Eens, 16. April.
Nach einer geheimen Sitzung, die nur einige
Minuten dauerte, trat der Völkerbunds-
rat in öffentlicher Sitzung zur Behandlung des
französischen Antrages gegen den deutschen Be-
schluß zur Einführung der allgemeinen Wehr-
pflicht zusammen. Sofort nach Eröffnung der
Sitzung erteilte der Präsident des Rates, der
türkische Außenminister Rü'schtü Aras, dem
Außenminister Laval
da» Wort zu einer kurzen Erklärung, die die
Unterbreitung eines Entschließungsentwurfes im
Namen der drei Mächte Frankreich, England
und Italien begleitete.
Laval erklärte: „Indem die französische Regie-
rung den Entschluß gefaßt hat, diese Aussprache
herbeizuführen, gibt sie ihrem Vertrauen in den
Völkerbund Ausdruck. Es ist dies eine Aner-
kennung der Unabhängigkeit, der Unparteilich-
keit und der Autorität der Genfer Institution.
Das deutsche Vorgehen vom 16. März
muß verurteilt werden. Es müssen Maß-
nahmen ins Auge gefaßt werden, um in der Zu-
kunft den V^erbundspakt hinsichtlich der Orga-
nisation der kollektiven Sicherheit wirksamer zu
gestalten.
Der Rat des Völkerbundes wird seine Ver-
antwortlichkeiten übernehmen. Da er
mit der Aufrechterhaltung des Friedens betraut
ist, wird er heute nicht schweigsam und unbe-
teiligt sein wollen. Er muß sich seiner Herkunft
erinnern und muß die Grundsätze, auf denen er
begründet ist, beherzigen. Er muß die Folgen
keiner Haltung abmessen; dann wird er seiner
Mission gerecht werden.
Die Völker wissen, daß das Vertrauen in die
beschworene Treue und in die übernommenen
Verpflichtungen nicht nur ein moralisches Prin-
zip ist, sondern das lebendige Gesetz des Völker-
bundes.
Ich will hier nicht plädieren. Die Tatsachen
find zu bekannt. Die Denkschrift der französischen
Republik zählt sie auf, analysiert sie und wertet
sie. Die Ratsmitglieder haben sie beurteilen
können. Sie werden sich auch darüber ausspre-
chen.
Frankreich hat durch seine Taten gezeigt, daß
es den Frieden will. In London haben wir am
3. Februar zusammen mit der britischen Regie-
rung ein Verhandlungsprogramm ins Auge ge-
faßt, das uns schnell zu einer haltbaren Organi-
sation der Sicherheit in Europa führen sollte.
Unsere Vorkehrungen sind durch das deutsche
Vorgehen zunichte gemacht worden. Wer könnte
bestreiten, daß die Reichsregierung durch ihre
Handlungsweise in der Welt die Enttäuschung
und Beunruhigung verursacht hat?
Die Ratsmächte müssen einen Entschluß
fassen. Ich bin sicher, daß sie es verstehen wer-
den, ein gewisses Zaudern, falls es bestehen
sollte, zu überwinden, um die Regeln des inter-
nationalen Lebens achten zu helfen. Wenn sie
ihre Pflicht erfüllt haben, werden wir der Zu-
kunft ins Auge sehen.
Wir machen keinen Unterschied zwischen den
einzelnen Nationen. Alle Völker müssen
aufdemselben Boden der Gleichheit
behandelt werden. Unsere Politik ist
gegen kein Land gerichtet. Die Sicherheit, die
wir verlangen, wollen wir für alle, d. h. daß
wir nicht auf unser Friedensideal verzichtet
haben und daß wir auch in Zukunft nicht darauf
verzichten werden.
Dies ist die Sprache Frankreichs. Man
wird in der Welt nicht sagen können, daß Frank-
reich durch den Antrag, den es dem Rat unter-
breitet habe, dem notwendigen Werk der Ver-
söhnung zwischen den Völkern geschadet hat.

Wenn es für die Erfordernisse der internatio-
nalen Moral nötig ist, über die Vergangenheit
zu richten, so darf doch die schwierige, langsame
und oft undankbare Arbeit nicht unterbrochen
werden, den Frieden zu organisieren.
Ich habe daher die Ehre, bei dem Büro Les
Rates einen Entschließungsentwurs zu hinter-
legen, der die Schlußfolgerung aus der jetzigen
Debatte darstellen soll. Diese Entschließung wird
von den drei Regierungen Frankreichs, Eng-
lands und Italiens unterbreitet."
Nach Laval ergriff der englische Außen-
minister
Sir lohn Simon
das Wort. Er begann mit der Feststellung, daß
die von Laval vorgelegte Entschließung eine ge-
meinsame Entschließung der drei Stresa-Mächte
sei.
Der Grund, der diese Mächte bewogen habe,
diese Entschließung gemeinsam vorzulegen, sei
aus dem Schlußkommunigus von Stresa selbst
ersichtlich, und zwar aus dem Absatz, in dem die
drei Mächte es als ihr Hauptziel bezeichnen,
den Frieden aufrechtzuerhalten im Rahmen des
Völkerbundes, wobei sie gleichzeitig entschlossen
seien, durch alle brauchbaren Mittel einseitige
Aufkündigungen von Verträgen für die Zukunft
unmöglich zu machen.
Simon betonte weiter, er wolle besonders dar-
auf aufmerksam machen, daß die kollektive Auf-
rechterhaltung des Friedens im Rahmen des


DNB. Genf, 16. April
Ter von Laval im Namen der Delegationen
Frankreich-, Englands und Italiens dem Völker-
bundsrat in seiner heutigen Sitzung unterbrei-
tete Entschließungsentwurs lautet:
„Ter Völkerbundsrat ist der Ansicht,
1. daß die gewissenhafte Einhaltung aller Ver-
pflichtungen aus den Verträgen eine Grundregel
des internationalen Lebens und eine Vorausset-
zung der Aufrechterhaltung des Friedens ist,
2. daß es ein Hauptgrundsatz der Menschen-
rechte ist, daß keine Macht sich von den Verpflich-
tungen eines Vertrages loslösen kann, noch daß
sie seine Bestimmungen ohne Uebereinstimmung
mit den anderen vertragschließenden Parteien ab-
ändert,
3. daß die deutsche Einführung des Wehrge-
setzes vom 16. März 1935 im Widerspruch mit
diesen Grundsätzen steht,
4. daß durch diese einseitige Maßnahme kein
Recht entstehen konnte,
5. daß diese einseitige Maßnahme, indem sie
ein neues Störungselement in die international*
Lage brachte, notwendigerweise als eine Drohung
gegen die europäische Sicherheit erscheinen mußte.
In Erwägung, daß andererseits
6. die britische Regierung und die Regierung
Frankreichs, mit Zustimmung der italienischen
Regierung, die deutsche Regierung seit dem 3.
Februar 1935 mit dem Programm einer allge-
meinen Regelung befaßt hatten mit dem Ziele,
durch freie Verhandlungen den Frieden in
Europa zu organisieren und zu einer allgemeinen
Rüstungsbeschränkung im Rahmen der Gleichbe-
rechtigung zu gelangen, bei gleichzeitiger Sicher-
stellung der aktiven Mitarbeit Deutschlands am
Völkerbund,
7. daß die einseitige Maßnahme Deutschlands
nicht nur unvereinbar mit diesem Plan ist, son-
dern daß sie auch gerade zu der Zeit kam, als die
Verhandlungen tatsächlich im Gange waren, er-
klärt der Rat:
daß Deutschland gegen die Pflichten, die allen
Mitgliedern der internationale« Gemeinschaft

Völkerbundes das Ziel der drei Mächte sei. Sie
seien in Genf heute nicht als Vertreter ihrer
Regierungen erschienen, sondern als Mitglieder
des Völkerbundes und des Völkerbundsrates.
Wenn diese Entschließung vom Rat angenom-
men werde, so werde sie damit zu einer Rats-
entschließung.
Simon ging dann auf die drei Schlußabsätze
der gemeinsamen Entschließung ein, die er noch
einmal zusammenfassend wiederholte und deren
Sinn er im Einklang mit dem Wortlaut erläu-
terte. Zum Schluß erklärte Sir John Simon,
diese Vorschläge seien wohl-begründet.
Wenn der Rat ihnen zustimme, so werde er da-
mit zeigen, daß er einig sei in der Aufrechterhal-
tung des Friedens und in der Herstellung der
allgemeinen Sicherheit.
Nach dem englischen Außenminister sprach der
italienische
Kabinettschef Aloisi
Er erklärte, daß in dem gemeinsamen Entschlie-
ßungsentwurf die Grundlagen festgelegt worden
seien, die die Taten der italienischen Regierung
auf internationalem Gebiet immer geleitet
habe. --Die zahlreichen Initiativen, die die faschi-
stische Regierung in den schwierigsten Augen-
blicken ergriffen habe, seien der Friede ns -
sicherung gewidmet gewesen. Die faschistische
Regierung habe ihre Politik immer auf Rea-
litäten, aber auch auf die Interessen aller
Nationen gegründet. Sie werde aber, obwohl sie
die Notwendigkeit des Geistes der Verständi-


auferlegt sind, verstoßen hat, nämlich die einge-
gangenen Verpflichtungen innezuhalten. Der Rat
verurteilt jede einseitige Aufkündigung der inter-
nationalen Verpflichtungen.
II. Der Rat richtet an die Regierungen, die
das Programm vom 3. Februar 1935 ins Leben
gerufen haben, oder die sich ihm angeschlossen
haben, die Aufforderung, die Verhandlungen, die
sie begonnen haben, fortzusetzen und vor allem
im Rahmen des Völkerbundsabkommens die Ver-
träge abzuschließen, die im Einklang mit den
Verpflichtungen des Völkerbundspaktes notwen-
dig erscheinen sollten, um das Ziel zu erreichen,
das in diesem Programm zur Sicherung der Auf-
rechterhaltung des Friedens vorgesehen ist.
III. In Erwägung, daß die einseitige Aufkün-
digung internationaler Verpflichtungen, sogar die
Existenz des Völkerbundes in Gefahr bringen
kann, also einer Einrichtung, die die Pflicht hat,
die Aufrechterhaltung des Friedens zu sichern und
die allgemeine Sicherheit zu organisieren, be-
schließt der Völkerbundsrat: daß eine derartige
Vertragsaufkündigung, ohne damit die Anwen-
dung der Bestimmungen zu beeinträchtigen, die
schon in anderen internationalen Verträgen vor-
gesehen sind, vonseiten der Mitglieder des Völ-
kerbundes und im Rahmen des Völkerbundspak-
tes alle geeigneten Maßnahmen Hervorrufen
müßte, sobald es sich um Verpflichtungen han-
delt, die die Sicherheit der Völker und die Auf-
rechterhaltung des Friedens in Europa berühren.
Der Rat beauftragt einen Ausschuß, der in
folgender Weise zusammengesetzt sein soll (hier ist
eine Lücke im Text) zu diesem Zwecke Maßnah-
men vorzuschlagen, welche den Bölkerbundspakt
wirksamer machen sollen hinsichtlich der Organi-
sation der allgemeinen Sicherheit, und der im
besonderen wirtschaftliche und finanzielle Maß-
nahmen genau festlegen soll, die angewandt wer-
den könnte« in dem Fall, daß in Zukunft ein
Staat, ob er nun Mitglied des Völkerbundes ist
oder nicht, den Fried«, in Gefahr bringen sollte,
indem er einseitig seine internationalen Ver-
pflichtungen aufkündigt."

gung nicht verkenne, sich dem Willen derjenigen
widersetzen, die den europäischen Frieden bedro-
hen. Dieser Wille habe sich nicht nur in Wor-
ten, sondern in Taten ausgedrückt. Die italie-
nische Regierung habe seinerzeit, so erklärte
Aloisi weiter, die weitestgehenden Vorbehalt«
geltend gemacht gegen die Entscheidung der
deutschen Regierung vom 16. März. Er schließe
sich vollinhaltlich den Erklärungen Frankreich»
und Großbritanniens an. Die italienische Re-
gierung habe immer der Ansicht Ausdruck ver-
liehen, daß es angezeigt wäre, den Teil V des
Versailler Vertrages einer Revision zu
unterziehen. Sie habe aber dabei immer klar
zu verstehen gegeben, daß eine solche Revision
auf rechtlichem Wege Zustandekommen müsse. Die
faschistische Regierung, so schloß Aloisi, sei einer
Meinung mit Frankreich und Großbritannien in
ihrem Vertrauen in die Politik der internatio-
nalen Zusammenarbeit, von derem Geist die
Konferenz von Stresa beseelt gewesen sei.
Der polnische
Außenminister SeL
ergriff dann das Wort und erklärte, er halte
es für notwendig, sich bei seiner Rede auf das
Dokument zu beziehen, das ihm sehr bedeutungs-
voll erscheine, nämlich auf die französische Denk-
schrift vom 9. April. Seiner Ansicht nach hab«
die französische Regierung darin dem Rat drei
verschiedene Probleme unterbreitet:
1. Die deutsche Aufrüstung,
2. die Erweiterung der Verpflichtungen, die
den Mitgliedern des Völkerbundes aus dem
Völkerbundspakt erwachsen und
3. die Verstärkung der Sicherheit auf dem
Wege von neuen Typen von internationalen
Abkommen.
Was das erste Problem angehe, so führte
Außenminister Beck weiter aus. wolle er daran
erinnern, daß seine Regierung sich verschiedene

Zwecklose Bewerbungen
Berlin, 16. April. Täglich gehen im Re ich s-
luftfahrtministerium und den Nachge-
ordneten Dienststellen zahlreiche Bewerbungen
um Verwendung in Beamten-, Angestellten- und
Arbeiterstellen der Luftfahrt ein.
Der Bedarf an Personal ist im wesentlichen
gedeckt, so daß Verwendungsmöglichkeit nur noch
für einen geringen Teil der Bewerber besteht.
Weitere Bewerbungen sind zweck-
los.
Bei der Ueberfülle der bereits vorliegenden
Bewerbungen kann erst nach geraumer Zeit und
nur im Falle der Verwendung mit einer Ant-
wort gerechnet werden. Gesuche, die innerhalb
vier Wochen nicht beantwortet sind, sind als ab-
geleht zu betrachten. Rückfragen verzögern nur
die Bearbeitung und sind zu vermeiden.
Paraguay zum Frieden bereit?
DNB Asuncion, 16. April. Bei einem Besuch
in der Ortschaft Yta äußerte sich der Präsident
von Paraguay, Ayala, bei einem ihm zu
Ehren gegebenen Frühstück über die verschiedenen
gescheiterten Friedensvermittlungsversuche zwi-
schen Bolivien und Paraguay und erklärt«:
„DieStundeistda.umüberFrieden
zu sprechen". Weiter sagte Präsident Ayala,
daß Paraguay bereit sei, auch ohne Vermittler
mit der bolivischen Regierung zu verhandeln.
Bolivien würde in Paraguay keinen unversöhn-
lichen Gegner finden. Es sei Zeit, sich an de«
Konferenztisch zu setzen, um zu versuche«, die
beiden Völker vom Kriegselsnd zu befrei««.
 
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