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Heidelberger Volksblatt (70) — 1935 (Nr. 77-149)

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Nr. 81 - Nr. 90 (5. April - 16. April)
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Abschluß der Konferenz von Stresa
Sine gemeinsame Entschließung der drei Mächte / Englisch-italienische Erklärung Zum Locarno-Pakt
Donaukonserenz am 20. Mai in Rom

Das Gchlußkommunique

DNV. Stresa, 14. April.
Das Schlußkommuniquä der Konferenz von
Stresa trägt die Ueberschrift „Gemeinsame Ent«
schlietzung der Konferenz von Stresa".
Der Wortlaut ist folgender:
Die Vertreter der Regierungen Italiens,
Frankreichs und Englands haben in Stresa die
allgemeine europäische Lage geprüft im Lichte
der Ergebnisse des Meinungsaustausches, der in
den letzten Wochen stattgefunden hat, sowie der
Entscheidung, die am 16. März von der deut-
schen Regierung gefällt wurde, und schließlich
auf Grund der Auskünfte, die von den britischen
Ministern während ihrer kürzlich stattgefunde-
nen Besuche in verschiedenen Hauptstädten Euro-
pas erlangt wurden. Nachdem der Einfluß die-
ser Lage auf die Politik in Betracht gezogen
war, wie sie in dem Abkommen von Rom und
London bestimmt worden ist, fanden sie sich in
voller Uebereinstimmung über die verschiedenen
Fragen, die besprochen wurden.
1. Sie einigen sich auf eine gemeinsame Linie,
die verfolgt werden soll, wenn der französische
Antrag an den Äölkerbundsrat
zur Sprache kommt.
2. Die Auskünfte, die sie erhalten haben,
haben sie in der Ansicht bestärkt, daß die Ver-
handlungen fortgesetzt werden sollen hinsichtlich
der Entwicklung, welche bezüglich der Sicher-
heit in
Osteuropa
erstrebt wird.
3. Die Vertreter der drei Regierungen prüf-
ten von neuem die
österreichische Lage.
Sie bestätigten die englisch-französisch-italiem-
schen Erklärungen vom 17. Februar und 27.
September 1934, durch die die drei Regierungen
anerkannten, daß die Notwendigkeit, die Unab-
hängigkeit und Unversehrtheit Oesterreichs auf-
recht zu erhalten, auch in Zukunft ihre gemein-
same Politik leiten werde.
Hinsichtlich des französisch-italienischen Proto-
kolls vom 7. Januar 1935 und der englisch fran-
zösischen Erklärung vom 3. Februar 1935, in wel-
cher der Beschluß bekräftigt wurde, sich gemein-
sam zu beraten, im Hinblick auf Maßnahmen,
die im Falle der Bedrohung der Unversehrtheit
und Unabhängigkeit Oesterreichs ergriffen wer-
den müssen, kamen sie überein, vorzuschlagen,
daß Vertreter aller der Regierungen, die im
Protokoll von Rom aufgezählt sind, zu einem
möglichst frühen Zeitpunkt zusammentreten sol-
len mit dem Ziel, die zentraleuropäischen Ver-
einbarungen abzuschließen.
4. Was den ins Auge gefaßten
Luftpakt für Westeuropa
betrifft, so bekräftigen die Vertreter der drei
Staaten die Grundsätze des Verfahrens, das
eingeschlagen werden soll, wie es im Londoner
Kommunique vom 3. Februar vorgesehen ist und
beschlossen, das Studium dieser Frage aktiv fort-
zusetzen in der Absicht, einen Pakt zwischen den
fünf Mächten abzuschlietzen, die im Londoner
Kommunique erwähnt werden, sowie von allen
zweiseitigen Vereinbarungen, welche ihn beglei-
ten können.
8. Als sie zur
Rüstungsfrage
gelangten, haben die Vertreter der drei Mächte
in» Gedächtnis gerufen, daß das Londoner Kom-

munique ein Abkommen vorsah, das frei mit
Deutschland ausgehandelt werden sollte, um an
die Stelle der entsprechenden Klauseln des Tei-
les V des Vertrages von Versailles zu treten.
Sie unterzogen weiter die Handlungen der deut-
schen Regierung und den Bericht Sir John
Simons über seine Unterhaltungen mit dem
deutschen Reichskanzler über diesen Gegenstand
einer sorgfältigen und besorgten Besprechung.
Mit Bedauern stellten sie fest, daß die Methode
der einseitigen Aufkündigung, die von der deut-
schen Regierung in einem Augenblick angewandt
wurde, als gerade Schritte ergriffen waren, ein
in freier Weise ausgehandeltes Abkommen über
die Rüstungsfrage zu erreichen, das öffentliche
Vertrauen in die Sicherheit einer friedlichen
Ordnung unterminiert hat. Darüber hinaus hat
das große Ausmaß des veröffentlichten Pro-
gramms der deutschen Aufrüstung, das schon mit-
ten in der Ausführung begriffen ist, die zahlen-
mäßigen Schätzungen entwertet, auf die die An-
strengungen für eine Abrüstung bisher gegrün-
det waren und die Hoffnungen erschüttert, durch
die jene Anstrengungen inspiriert waren.
Die Vertreter der drei Mächte bekräftigen
nichtsdestoweniger ihren ernsten Wunsch,
den Frieden zu erhalten durch Herstellung eines
Gefühls der Sicherheit und erklären für sich selbst,
daß sie ernstlich bestrebt bleiben, sich an jeder
praktischen Anstrengung zu beteiligen, durch die
die internationale Verständigung durch .Be-
grenzung der Rü st ungen gefördert wer-
den kann.
6. Die Vertreter der drei Mächte zogen weiter
den Wunsch in Betracht, der von den Staaten
begründet worden ist, deren Rüstungsstand durch
die Friedensverträge von St. Germain und
Trianon und Neuilly festgesetzt worden
ist, die Revision dieses Standes zu erreichen. Sie

Der Standpunkt
der Reichsregierung
DNB. Berlin, 13. April.
Irreführende Auslegungen in verschiedenen
Pressekommentaren haben die Reichsregie-
rung veranlaßt, ihren Standpunkt in der Frage
des Oftpaktes wie folgt zu präzisieren:
I.
In den Berliner Besprechungen hat
der Führer und Reichskanzler der britischen
Delegation mitgeteilt, daß die deutsche Regie-
rung zu ihrem Bedauern nicht in der Lage sei,
zum Ostpakt in der vorgeschlagenen Form ihren
Beitritt zu erklären. Die deutsche Reichsregie-
rung sei demgegenüber aber bereit, einem sol-
chen kollektiven Sicherheitspakt ihre Zustimmung
zu geben dann, wenn er
erstens sich aufbaue auf gegenseitigen und
allgemeinen Nichtangriffsverpflichtungen und
Schiedsgerichtsverfahren,
zweitens im Falle einer Friedensstörung ein
konsultatives Verfahren vorsehe.
Drittens sei die deutsche Reichsregierung be-
reit — unter Betonung der Schwierigkeiten der
einwandfreien Feststellung eines Angreifers —
sich allgemeinen Maßnahmen der Nichtunter-
stützung eines solchen anzuschließen.
Zu diesem Angebot steht die deutsche Reichs-
regierung auch heute.

beschlossen, daß die anderen hierdurch berührten
Staaten auf diplomatischem Wege von diesem
Wunsch unterrichtet werden sollen.
Sie kamen überein, diesen anderen in Be-
tracht kommenden Staaten die Prüfung dieser
Frage zu empfehlen mit dem Ziel, sie durch
gegenseitige Verständigung innerhalb des Rah-
menwerkes allgemeiner und regionaler Sicher-
heitsgarantien zu regeln.
Hieran schloß sich eine
englisch-italienische Erklärung
folgenden Wortlauts:
„Folgende gemeinsame Erklärung ist von den
Vertretern Italiens und Englands in Beziehung
auf den Vertrag von Locarno abgegeben worden:
Die Vertreter Italiens und Englands als
Mächte, die an dem Vertrag von Locarno nur
in der Eigenschaft als Earantiemächte beteiligt
sind, bekräftigen in formeller Weise alle ihre
Verpflichtungen, die aus diesem Vertrag hervor-
gehen und erklären ihre Absicht, diese getreulich
zu erfüllen, falls dies nötig sein sollte. Soweit
diese beiden Mächte diese Verpflichtungen auf
sich genommen haben in Beziehung zu allen
anderen Teilnehmern des Vertrages von Lo-
carno, wird diese gemeinsame Erklärung, die auf
der Stresa-Konferenz, an der Frankreich teil-
nahm, abgegeben wurde, auch den Regierungen
Deutschlands und Belgiens förmlich übermittelt
werden."
Zum Schluß enthält das abschließende Kom-
munique folgende
Schlußerklärung:
Die drei Mächte, deren politisches Ziel die ge-
meinsame Aufrechterhaltung des Friedens inner-
halb des Rahmens des Völkerbundes ist, befin-
den sich in vollständiger Uebereinstimmung,
wenn sie sich mit allen praktischen Mitteln jeder
einseitigen Aufkündigung von Verträgen wider-
setzen, durch die der Friede Europas in Gefahr
kommen kann, und sie werden daher zu diesem
Zweck in enger und freundschaftlicher Zusammen-
arbeit handeln.

II.
Der Führer und Reichskanzler hat in dieser
Besprechung weiter mitgeteilt, daß die deutsche
Regierung nicht in der Lage sei, einem Paktvor-
schlag zuzustimmen, der, sei es für Alle oder für
Einzelne, mehr oder weniger automatische mili-
tärische Veistandsverpflichtungen enthalte. Diese
sähe darin nicht ein Element der Friedenserhal-
tung, sondern eher noch ein Element der Frie-
densbedrohung. Die deutsche Reichsregierung
bekennt sich auch heute zu dieser Auffassung und
zu der sich daraus ergebenden Haltung.
m.
Die Reichsregierung hat sofort nach Ueber-
nahme der Macht ihren Wunsch ausgedrückt, mit
den umliegenden Staaten Nichtangriffspakte ab-
zuschließen. Sie machte diesen Vorschlag, ohne
eine eingehende Kenntnis bestehender zwei- oder
mehrseitiger militärischer Abmachungen einzel-
ner Staaten zu besitzen und ohne jede Bezug-
nahme auf sie. Da sie selbst keine aggressiven
Absichten hegt, fühlt sie sich von wirklichen De-
fensivabkommen auch nicht betroffen. Auch zu
dieser Auffassung bekennt sich die deutsche Regie-
rung heute noch. So wenig sie daher in der
Lage ist, einem Pakt beizutreten, der solche mili-
tärischen Verpflichtungen als ein wesentliches
Element seines Inhaltes und damit seiner Exi-
stenz enthält, so wenig können solche außer-
halb dieses Paktes liegenden Vereinbarungen

Gin vertrauliches Dokument
für Genf?
DNB. Genf, 14. April
Das „Journal des Nations" glaubt
zu wissen, daß neben der französischen Denk-
schrift noch ein zweites vertrauliches Dokument
bestehe, das die Anregungen enthalten soll, die
die drei in Stresa anwesenden Mächte zu Händen
der Ratsmitglieder und des Berichterstatters im
Hinblick auf einen EntschließungSent-
Wurf des Völkerbundsrates ausgear--
beitet hätten. Diese nngen seien folgende:
1. Der Rat solle die Unmöglichkeit bekräftigen,
rechtlich und tatsächlich den Vertragsbruch in der
internationalen Politik anzuerkennen.
2. Der Rat solle sein Bedauern über den Be-
schluß der deutschen Regierung vom 16. März
aussprechen.
3. Der Rat solle die Schaffung eines Jurrsten-
uusschusses beschließen, der das Problem des Ver-
tragsbruches prüfen und Vorschläge über die
Maßnahmen machen solle, die in Zukunft auf
Vertragsbrüche folgen müßten.
4. Der Rat solle die Entwicklung der Organi-
sation der Sicherheit durch regionale Pakte auf
der Grundlage der gegenseitigen Hilfeleistung
Vorschlägen.
Ueber diese vier Punkte bestehe, so behauptet
das Blatt, zwischen den Vertretern Frankreichs,
Englands und Italiens Einigkeit. Das alles be-
ziehe sich nicht auf Deutschland, sondern sei all-
gemein gehalten. England habe seine Zustim-
mung nicht nur für die automatische Einberufung
des Rates, sondern auch für Sanktionen finan-
zieller und wirtschaftlicher Art für zukünftige
Vertragsbrüche gegeben.

die deutsche Reichsregierung behindern, ihrerseits
Nichtangriffspakte auf der oben fixierten Basis
abzuschließen.
Dies ist der Sinn der Antwort der deutschen
Reichsregierung auf die Frage des königlich bri-
tischen Botschafters, ob Deutschland bereit sei,
einen Ostpakt auf der von ihm selbst angedeute-
ten Grundlage abzuschließen, auch für den Fall,
daß andere Staaten unter sich noch besondere
Abmachungen getroffen hätten oder treffen
würden.
Die deutsche Reichsregierung will aber an die-
ser Stelle die folgenden Bemerkungen nicht
unterdrücken:
Die von verschiedenen Regierungen als nötig
erachtete Ergänzung von Nichtangriffs« und Ge-
waltausschließungspakten durch militärische Bei-
standsverpflichtungen beruht auf einem Wider-
spruch in sich. Entweder man glaubt an freiwil-
lig übernommene Verpflichtungen oder man
glaubt an sie nicht. Glaubt man an sie, dann ist
die Notwendigkeit solcher militärischer Ab-
machungen nicht einzusehen. Zweifelt man aber
an der aufrichtigen Einhaltung einer übernom-
menen Nichtangriffsverpflichtung, dann ist die-
ser Zweifel genau so berechtigt gegenüber der
sinngemäßen Einhaltung der ergänzenden mili-
tärischen Verpflichtungen solcher Friedenspakte.
Wenn es möglich ist, daß aus Nichtangriffspak-
ten Kriege entstehen, ist es ebenso möglich daß
aus defensiven Beistandspakten offensive An-
griffshandlungen kommen. Nur scheint der deut-
schen Reichsregierung der Weg vom Gewaltab-
lehnungs- und Ausscheidungspakt zum gewalt-
tätigen Friedensbruch ein weiterer zu sein, als
der Weg von militärischen Verpflichtungen
defensiver Natur zu einer militärischen Haltung
offensiver Art. Die deutsche Reichsregierung steht
aber nach wie vor in dieser Entwicklung militä-
rischer Bündnisse in Europa kein Element einer
kollektiven friedlichen Entwicklung oder gar
einer Garantie des Friedens. Sie ist daher auch

Deutschland und der Ostpakt
 
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