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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Editor]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 50.1899-1900

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Gmelin, L.: Das Kunsthandwerk im Münchener Glaspalast, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.7134#0040

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Das Kunsthandwerk im Münchener Glaspalast.

schein der Neuheit zu verleiheit. In Folge dieses
Uebelstandes koitnte itur wenigen Gemächern jene
Uebereinstinrmung in Raumgestaltung und Inhalt
verliehen werden, die man auf einer Kunstausstellung
erwarten darf und die eigentlich unerläßlich ist, wenn
solche Räunre als Musterbeispiele, als Vorbilder,
geschinackveredelnd auf das große Publikum wirken
sollen. Vergleicht man im Uebrigen 6eu innereit Ge-
halt der diesjährigen Ausstelluitg mit dem der letzt-
jährigen, so fiitden sich int Durchschnitt kaunt merkliche
Unterschiede, weder in: guten noch im schlimmen Sinn.
Das nroderne Kunsthandwerk zeigt itoch häusig die
Spuren noch nicht völlig überwundener Kinderkrank-
heiten. Der Kampf zwischen dem Phantasten und dem
Realisten, zwischen dem Maler, der seiner Phantasie
die unumschränkte Herrschaft einräumt, unbekümmert
darum, daß dabei die Technik oft zu Gewaltmaßrcgeln
gegen das Material gezwungeit wird, gegen die sich
das letztere von Natur aus auflehnen muß — und dem
Architekten, der von devt rcaleit Boden des zwecklich
und technisch Bediitgteit ausgeht und der phaittasie
Seitensprünge aus diesem fest begrenzten Gebiet ver-
wehrt — dieser Kampf wird nie, ja darf nie völlig
aufhören, wenn das Kunsthandwerk gesund bleiben
soll; aber es gibt dann und wann einen Waffen-
stillstand, während dessen die Gegner sich leidenschafts-
loser prüfen und gegenseitig von einander lernen.
In eine solche Periode des Waffenstillstands, der
gegenseitigen Würdigung und Beeinflussung scheint
das Kunstgewerbe augenblicklich in größerem Um-
gang eingetreten zu sein als bisher.

Die „Kleinkunst" hat zusammen mit der „Archi-
tektur" in diesem Jahre dieselben Räume des Glas-
palaftes inne wie im letzten; die Hoffnungen, sich
weiter ausbreiten zu können, haben sich leider nicht
verwirklichen lassen. Wenn man aber in Betracht
zieht, daß ein Thcil der Galerie in Benutzung ge-
zogen wurde, daß die „Architektur" »och weniger
Raum beansprucht als früher, daß an die Gruppe
der Kleinkunst diejenige der dekorativen kirchlichen
Kunst anschließt, so kann man auch jetzt wieder von
einer zunehmenden Ausbreitung der Kleinkunst im
Glaspalast sprechen. An der gähnenden Leere, die
bisweilen an Stelle der allzu üppigen Füllung der
Zimmer getreten ist, tragen zum großen Theil die
oben geschilderten Umstände die Schuld.

Am meisten leidet darunter das Eckzimmer; die
Dürftigkeit seiner Ausstattung mit Mobiliar und
^ "äth gibt diesem von selbig & l^atger1) um-
Sestalteten Raum etwas ungemein Unfreundliches,
»as bis zuin Frostigen, ja Abstoßenden, Unheim-

Nichtmümhene°^sttze der Künstler vermerken mir nur bei den

30. Pianino. Lutworfcn von R. Riemerschmid.
vereinigte Werkstätten für Kunst im Handwerk, München.
('/20 der wirkt. Größe.) Muster geschützt.

lichen gesteigert wird durch die farbige Behandlung.
Nicht viel mehr als diese Farbenorgie spricht das
gleichfalls voit selbig & Haiger arrangirte Spiel-
zimmer an; wenn derartige Rückfälle in's Aegyptische
„Zukunftskunst" fein wollen, danit darf man sich
nicht darüber wundern, wenn die. Vertreter der älteren
Richtung über die moderne Kunst die Köpfe schütteln
und sie einen ungezogeiten Bengel schellen. Zun:
Glück haben unsere ersten Vertreter moderner Kunst-
richtuitg nrit derartigen Exzessen nichts gemein.

s;. Schreibtisch aus Matzagonx von R. Riemerschmid.
Vereinigte Werkstätten für Kunst im Handwerk, München.
O/20 der wirkt. Größe.) Muster geschützt.

AunA und

*

Handwerk.

50. gahrg. Heft ;.

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