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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 50.1899-1900

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Fritz Schumacher's "Im Kampfe um die Kunst" und "Studien"
DOI Artikel:
Schumacher, Fritz: Der Individualismus im Wohn raume
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https://doi.org/10.11588/diglit.7134#0112

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Der Individualismus im wohnraume.

\66. Papiermesser aus Elfenbein und Silber von Karl Groß, Dresden, vereinigte Werkstätten für Kunst
im Handwerk, München. (Ungefähr halbe wirkl. Größe.)

Ls gilt ein enges Aneinanderhalten
Zu einer starken Künstler-Ritterschaft,

Denn rings am Wege lauern Spuckgestalten,

Die lähmen jede freie Künstlerkraft.

Der Schlangen giebt's noch viele heut' und Drachen,

Die uns der Rittersinn bekämpfen heißt,

Noch ruht auf gold'nem Stroh, in faulen Lachen
Das Protzenthum und der Philistergeist,

Roch lauert üppig eine gist'ge Schöne —

Das Modenthum, die trügende Sirene. —

Auf! Diese Feinde gilt cs zu bezwingen!"

Wenn die altbewährten Führer wie die junge
Wannschaft in solchem Geiste weiter kämpfen, dann
darf man zuversichtlich auf eine gesunde Weiterent-
wickelung des Aunsthandwerks hoffen. G.

lDer Jndivi-uakibmue tm
raume?)

|as Thema klingt verdächtig. Lolche
großklingenden Titel erregen be-
rechtigtet: Argwohn, zumal wenn
sie iit Verbindung stehen mit einer
jener vielmißbrauchten Wortbil-
dungen, die auf die Endsilben
„ismus" ausgehen und wie der Begriff „Indivi-
dualismus" meist eilte recht molluskenhafte Bedeu-
tung haben. — In dem Sinne, in dem die Bezeich-
nung „individuell" nach dem Sprachgebrauch der
Tagespresse heute künstlerisch besonders hoch in:
Kurse steht, bedeutet sie eigentlich vor allen Dingen
etwas Negatives: anders als andre Leute. Für
viele Schaffende der jüngsten Zeit ist diese negative
Maxime ja augcnscheiitlich künstlerisches Glaubens-
bekenittitiß geworden, und zumal in der Ausgestal-
tung des Wohnraumes, der sich heute „modern"
nennt, tritt uns jener Zug mit großer Deutlichkeit
als neueste Signatur des Tages eittgegcn. Es ist
natürlich, daß man auch in den historischen Epochen
der Wohnraumsgestaltung immer voit Zeit zu Zeit

*) Auszug aus einem Aufsatz von Fritz Schumacher i»
dcßeu Buch: Im Kampfe um die Kunst, Beiträge zu architekt.
Zeitfragen. Straßburg, I. H. Ed. Heitz (lheitz & Mündel), Z8JJ.
Preis 2 Mk. (mit Erlaubnis; des Verlegers und Verfassers).

Leistungen findet, die in diesem Sinne „individuell",
d. h. unvermittelt und eigenwillig, aus dem Charakter
der Zeitumgebung herausstechen, aber es liegt in
der Natur der Sache, daß solche Erscheinungen etwas
Sprunghaftes haben, nitd daß man eine Entwicklung
unter ihnen nicht suchen kann.

Was uns hier zu verfolgen interessiert, ist viel-
mehr das allmähliche Auftauchen des Bedürfnisses,
einen Innenraum dem speziellen Gebrauch eines
Individuums anzupaffen, einen Raum auszubilden
für die Funktion, die dieser Raum im Gegensatz
zu anderen Räumen zu erfüllen hat: es ist also
— wenn man diese Trennung machen darf — das
Individuelle des Raumes und nicht seines Schöpfers,
was wir hervorheben wollen.

(Im Folgenden weist der Verfasser darauf hin,
wie wenig dieser Individualismus an der fdrofan-
baukunst des Alterthums und des Mittelalters be-
theiligt ist und wie die Renaissance ans deutschen:
Boden einen ersten Höhepunkt in der Entwicklung

zs? :>. tS8. Siegelstöcke aus Elfenbein von Karl Groß,
Dresden, verein. Werkstätten für Kunst im Handwerk, München,
(fts der wirkl. Größe.) Muster geschützt.

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