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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Editor]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 50.1899-1900

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Lehmann, Hans: Das Schweizerische Landesmuseum in Zürich
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https://doi.org/10.11588/diglit.7134#0065

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Das Schweizerische Landesmuseum in Zürich.

80. Schweizerisches Landesmuseum in Zürich. Ofen aus dem
„Seidenhofzimmer" von David Pfau, \620.

bedeutender sind dafür die Glasgemälde, welche die
Fenster zieren, Meisterwerke der schweizerischen Glas-
malerei aus dem ersten Jahrzehnt des f6. Jahr-
hunderts, sowie die Todtenschilde der letzten Sprossen
edler Geschlechter aus der Kirche des ehemaligen
Klosters Rüti.

Eine breite Steintreppe führt aus der Kapelle
hinunter zur Krypta, dem Lchatzgewölbe des Museums.
Der feuer- und diebessichere Raum wird täglich
während gewisser Besuchsstunden durch eine größere
Zahl elektrischer Lampen erhellt, die das Tageslicht
so gut als möglich ersetzen. Mer mit allzugroßen
Erwartungen diesen Raum betritt, wird vielleicht
nicht ganz befriedigt werden. Die Sammlung der
kirchlichen Alterthümer zeigt, obschon einige Stücke
ein hervorragendes Interesse beanspruchen dürfen,
noch bedenkliche Lücken. Der Grund liegt einerseits
darin, daß iin Gegensätze zu den weltlichen Korpo-
rationen und Gesellschaften die Geistlichkeit sich noch
nicht entschließen konnte, außer Gebrauch gesetzte
Kultusgeräte im Landesmuseum zu deponiren, ob-
schon sie hier doch weit besser geborgen wären, als
in vielen Sakristeien, anderseits in dein Umstande,
daß nur äußerst selten wirklich hervorragende kirch-
liche Alterthümer überhaupt käuflich werden. Besser
steht es um die profanen Goldschmiedearbeiten, von
denen nebst einigen sehr werthvollen gothischen
Stücken des — f6. Jahrhunderts besonders die-

jenigen Zürichs in recht stattlicher Zahl und viel-

fach vorzüglicher Qualität vertreten sind. Auch wird
das Fehlen zahlreicher hervorragender Kunstwerke
theilweise ausgeglichen durch das historische Interesse,
welches eine Anzahl Gegenstände bietet. Außer-
dem gelangte ein Theil der Medaillensammlung in
diesem Raume zur Ausstellung. Etwas abweichend
von der sonst ziemlich streng durchgeführten chrono-
logischen Ausstellung, reihen sich zu beiden Seiten an
die Schatzkammer im Erdgeschoße eine Anzahl Räume,
in welchen kulturgeschichtlich interessante Objekte Auf-
nahme fanden. Darunter ist die große Sammlung
der Rennschlitten am wertvollsten.

Die schon in Folge ihrer malerischen Reize meist
bewunderte Partie des Museums bildet der sogenannte
Kreuzgangsaal, ein erhöhter Raun: neben der Kapelle,
rekonstruirt aus den Fragmenten zweier Kreuzgänge
des alten Zürich. Seine bemalte Holzdecke stammt
aus der St. Sebastianskapelle in Igels jGrau-
bünden) und dem Jahre {^7 (Abb. 77). Ihr
tiefbrauner Ton paßt vorzüglich zu der Sammlung
prachtvoller Glasgemälde, welche uns aus den
Maßwerkfenstern entgegenleuchtet. Im vorgelager-
ten, tiefer gelegenen Raume, in den wir durch eine
Arkade im Kebergangsstyle des j3. Jahrhunderts
hinunterblicken, haben die gothischen Grabsteine ihre
Aufstellung gefunden, Andenken an eine kleine aus-
erlesene Gesellschaft aus dein schund s5. Jahrhundert.
Einen ganz besonderen Schmuck für das Museum
bilden die drei Zimmer aus der ehemaligen Frau-
münsterabtei in Zürich, datirt ^89 (Abb.75) und s507,
gothische Räume mit polychromen Flachschnitzereien,
in deren Rankenwerk mittelalterlicher Humor in Wort
und Bild reizende Blüten treibt. Der Korridor,
welcher uns von da zur Loggia mit ihrer schönen
Früh - Renaissance-Decke nach dem Originale in der
Casa de’ negromanti in Locarno und dem reizenden
Ausblicke auf den park führt, ist mit kostbaren
gothischen Tafelbildern geschmückt, welche früher zum
Theil die Altäre im Großmünster zu Zürich zierten
und bei der Reformation durch ein gütiges Schicksal
gerettet wurden. Einige davon wird inan mit Recht
dem Züricher Maler Hans Leu zuschreiben dürfen.
Ein weiterer Raum birgt gothische Möbel, vor Allem
aber in den Fenstern die kunstvollsten Glasgemälde
aus der ersten Hälfte des s6. Jahrhunderts. Alle
diese Räume sind mit gothischen Originaldecken ge-
schinückt, die, in ihrer Art verschieden, uns ein lehr-
reiches Bild von der Mannigfaltigkeit der Dekorations
mittel bei Wohnräuinen zu Beginn des s6. Iahr-
hunderts bieten. Die Ausstellungslokale des Erd-
geschosses finden ihren Abschluß in einer kleinen
Apotheke, deren Mobiliar einst der Klosterapotheke
der ehemaligen Fürstabtei Muri angehörte.

so
 
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