Das Kunsthandroerk im Münchener Glaspalast.
wird man auch gegenüber einer gut gemalten Gobelin-
Nachahmung nicht in Entrüstung über den bloßen
„Schein" ausbrechen, am wenigsten vor I. Bradl's
Wandteppich mit der Geschichte Noah's, einem Werk,
dessen köstlicher chumor allein schon den griesgrämig-
sten Nörgler entwaffnen muß und dessen mittelalter-
liche Erscheinung nicht nur auf der verblichenen Schulze - Naumburg,
Farbe beruht, sondern
vielmehr auf der charak
teristischen, so ganz von
naiver, altdeutscher Wein-
fröhlichkeit getragenen
Zeichnung.
Die Uebersetzung der
plastischen Bildwirkung
in's Flache — wie sie bei
diesen: Wandteppich erfolgt ist,
— verschafft auch den ächten
Gobelins stilistische Berechtigung
zur Darstellung von Bildern;
gleichen Stilbedingungen sind
die auf dem Wege der Stickerei
hergestellteu Bilder unterworfen.
Es läßt sich daher nichts ein-
wenden gegen die technisch
tadellose „Gobelinstickerei" von
Bettina Sch ad — aber sehr
viel gegen den Versuch einer
Dame in Aibling, Botticelli's
Erimavera in Seide zu sticken;
für die Erreichung einer Bild-
wirkung — wie sie offenbar
erstrebt war — ist die Stick-
technik eben unzulänglich, und
für eine rein flächenhafte Wir-
kung geht die Durchführung
schon zu weit. — Unter den
sehr zahlreichen Tischdeckchen,
Servietten, Nissen, Tischläufern
u. s. w. begegnet man nur
Wenigem, das mit dem Stickerei-
Stü nicht in Einklang zu bringen
ist; es scheinen im Gegentheil
die Grenzen des technisch Er-
laubten sich auf diesem Gebiet
einer allgemeinen Nenntniß zu erfreuen — wohl des-
halb, weil vielfach Entwurf und Ausführung in einer
k)and liegen. Die Arbeiten von Zohanna Raff,
Äuttgart, bekunden eine ganz besonders feine Farben-
wahl; ein pfauenblaues Wolldeckchen mit dem fein
abgestimmten Fichtengezweig in Woll-Plattstich be-
zeugt dies nicht minder wie ein kleiner Nissenbezug
in Seide-Flachstich auf lockerem Stramin mit hell-
grüner Unterlage. Aehnliche Vorzüge besitzt auch ein
Nissen von Frau Rieß, das nach einem Entwurf
von W. Morris in Wolle gestickt ist, und Rosalie
Rösl's Seidenkissen (Abb. s20). — Fern von allen
Anklängen an Bekanntes halten sich die Arbeiten
von Erber, Adler (Abb. s s? u. Taf. 5), Pankok,
Florenz, v. Brauchitz,
Halle. Eines der schönsten
ist ein Nissen von Frau
Schulze-Naumburg: alt-
gelber Sammtgrund mit
zart in Gold und Dunkel-
violett gehaltenen Orna-
menten (Abb. s2f); um
so unbegreiflicher ist ihre
andere Arbeit, ein grau-
gelbes Nissen, das in gesucht
willkürlicher Weise mit einem
von Goldschnüren eingefaßten
rehbraunen Band belegt ist —
es sieht aus, als ob das Band
von: Wind dahin geblasen
worden und kleben geblieben
wäre.
Neue Sticktechniken brachten
Ennny Luthmer, Berlin, und
O. Schwindrazheim, Ham-
burg-Hohenfelde; neben Seiden-
und Wollfäden weisen sie auch
Thenillen sin verschiedenen
Dicken), Glasperlen, Seiden-
bändern einen Autheil an der
Wirkung zu und es läßt sich
nicht bestreiten, daß manche
Blüthenblätter an den: Luthmer-
schen Windschirm — z. B. Nar-
zissen, Wucherblumen, Veilchen
— durch die Darstellung inittelst
schinaler Bändchen etwas unge-
mein Naturwahres bekonnnen.
Jedenfalls ist eine derartige
Verwendung von Bändern zu
Bluinen noch berechtigter als
der Gebrauch von Glasperlen
als Thautropfen und Aehn-
liches, wie es Schwindrazheim an seinem — „Früh-
lingsnebel" betitelten — Wandbehang gethan hat.
Wohl die undankbarsten Textil - Landarbeiten
sind Nnüpsteppiche; um so mehr Auerkennung ver-
dienen jene fleißigen Hände, die ihre Geschicklichkeit
solchen Geduldsarbeiten opfern. Ein Wandbehang
von Frau Hanna Abbelohde zeigt (nach Otto
Ubbelohde's Entwurf) eine stark stilisirte Landschaft
;o;. Mandbrnnnen; Entwurf von
£j. <£. v. Berlepsch, Ausführung in ge-
triebenem Kupfer von I. in hart & Lo.,
München. (710 d. w. Gr.) Muster geschützt.
SZ
wird man auch gegenüber einer gut gemalten Gobelin-
Nachahmung nicht in Entrüstung über den bloßen
„Schein" ausbrechen, am wenigsten vor I. Bradl's
Wandteppich mit der Geschichte Noah's, einem Werk,
dessen köstlicher chumor allein schon den griesgrämig-
sten Nörgler entwaffnen muß und dessen mittelalter-
liche Erscheinung nicht nur auf der verblichenen Schulze - Naumburg,
Farbe beruht, sondern
vielmehr auf der charak
teristischen, so ganz von
naiver, altdeutscher Wein-
fröhlichkeit getragenen
Zeichnung.
Die Uebersetzung der
plastischen Bildwirkung
in's Flache — wie sie bei
diesen: Wandteppich erfolgt ist,
— verschafft auch den ächten
Gobelins stilistische Berechtigung
zur Darstellung von Bildern;
gleichen Stilbedingungen sind
die auf dem Wege der Stickerei
hergestellteu Bilder unterworfen.
Es läßt sich daher nichts ein-
wenden gegen die technisch
tadellose „Gobelinstickerei" von
Bettina Sch ad — aber sehr
viel gegen den Versuch einer
Dame in Aibling, Botticelli's
Erimavera in Seide zu sticken;
für die Erreichung einer Bild-
wirkung — wie sie offenbar
erstrebt war — ist die Stick-
technik eben unzulänglich, und
für eine rein flächenhafte Wir-
kung geht die Durchführung
schon zu weit. — Unter den
sehr zahlreichen Tischdeckchen,
Servietten, Nissen, Tischläufern
u. s. w. begegnet man nur
Wenigem, das mit dem Stickerei-
Stü nicht in Einklang zu bringen
ist; es scheinen im Gegentheil
die Grenzen des technisch Er-
laubten sich auf diesem Gebiet
einer allgemeinen Nenntniß zu erfreuen — wohl des-
halb, weil vielfach Entwurf und Ausführung in einer
k)and liegen. Die Arbeiten von Zohanna Raff,
Äuttgart, bekunden eine ganz besonders feine Farben-
wahl; ein pfauenblaues Wolldeckchen mit dem fein
abgestimmten Fichtengezweig in Woll-Plattstich be-
zeugt dies nicht minder wie ein kleiner Nissenbezug
in Seide-Flachstich auf lockerem Stramin mit hell-
grüner Unterlage. Aehnliche Vorzüge besitzt auch ein
Nissen von Frau Rieß, das nach einem Entwurf
von W. Morris in Wolle gestickt ist, und Rosalie
Rösl's Seidenkissen (Abb. s20). — Fern von allen
Anklängen an Bekanntes halten sich die Arbeiten
von Erber, Adler (Abb. s s? u. Taf. 5), Pankok,
Florenz, v. Brauchitz,
Halle. Eines der schönsten
ist ein Nissen von Frau
Schulze-Naumburg: alt-
gelber Sammtgrund mit
zart in Gold und Dunkel-
violett gehaltenen Orna-
menten (Abb. s2f); um
so unbegreiflicher ist ihre
andere Arbeit, ein grau-
gelbes Nissen, das in gesucht
willkürlicher Weise mit einem
von Goldschnüren eingefaßten
rehbraunen Band belegt ist —
es sieht aus, als ob das Band
von: Wind dahin geblasen
worden und kleben geblieben
wäre.
Neue Sticktechniken brachten
Ennny Luthmer, Berlin, und
O. Schwindrazheim, Ham-
burg-Hohenfelde; neben Seiden-
und Wollfäden weisen sie auch
Thenillen sin verschiedenen
Dicken), Glasperlen, Seiden-
bändern einen Autheil an der
Wirkung zu und es läßt sich
nicht bestreiten, daß manche
Blüthenblätter an den: Luthmer-
schen Windschirm — z. B. Nar-
zissen, Wucherblumen, Veilchen
— durch die Darstellung inittelst
schinaler Bändchen etwas unge-
mein Naturwahres bekonnnen.
Jedenfalls ist eine derartige
Verwendung von Bändern zu
Bluinen noch berechtigter als
der Gebrauch von Glasperlen
als Thautropfen und Aehn-
liches, wie es Schwindrazheim an seinem — „Früh-
lingsnebel" betitelten — Wandbehang gethan hat.
Wohl die undankbarsten Textil - Landarbeiten
sind Nnüpsteppiche; um so mehr Auerkennung ver-
dienen jene fleißigen Hände, die ihre Geschicklichkeit
solchen Geduldsarbeiten opfern. Ein Wandbehang
von Frau Hanna Abbelohde zeigt (nach Otto
Ubbelohde's Entwurf) eine stark stilisirte Landschaft
;o;. Mandbrnnnen; Entwurf von
£j. <£. v. Berlepsch, Ausführung in ge-
triebenem Kupfer von I. in hart & Lo.,
München. (710 d. w. Gr.) Muster geschützt.
SZ