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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 50.1899-1900

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Zimmermann, Ernst: Die künstlerische Nothlage der Westerwälder Steinzeugindustrie
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https://doi.org/10.11588/diglit.7134#0101

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Die künstlerische Nothlage der Westerwälder Steinzeugindustrie.

Arbeitskosten vollendet sein können, die aber doch
ein wirklich künstlerischer, ein wirklich dekorativer
und ein wirklich individueller Geist geleitet hat.
Kunst ist nicht das Schöne in der Vielheit. Alan
sehe sich doch noch eimnal wieder das alte Nassauer
Steinzeug an, auch das aus dem H7. und H8. Jahr-
hundert, das sich dein des gegenüber bei seiner
ausgesprochenen Tendenz nach Vereinfachung durch-
aus originell verhalten hat, unö man wird erkennen,
daß damals das Steinzeug Alanches geleistet hat,
was bisher von uirs noch so gut wie ungenutzt ge-
blieben ist. Da werden einfache Rosetten, stilisirte
Blumen uitd dergl. aufgelegt und der Grund da-
zwischen mit Kobaltblau ausgefüllt. Da erscheint
die Ritztechnik mit ihren von Kobaltblau aus-
gefüllten flotten Flachornamenten, die sich in diesen
Gegenden bis in unser Jahrhundert hinein erhalten
hatte. Wo ist auch das Alanganviolett geblieben,
das einst gegenüber dem ewigen Kobaltblau reizvolle
Abwechselung in die äußere Erscheinung des Stein-
zeugs hineingebracht hat? Warum hat man es nicht
mit dem so warm auf's Auge wirkenden Braunstein
versucht, der einst den Erzeugnissen von Köln,
frechen und England, zum Theil auch von Raeren,
das charakteristische Gepräge gab? Die Fülle dessen,
was man mit dem rheinischen Steinzeug künstlerisch
anfangen kann, ohne seinen ursprünglichen Eharakter
zu beeinträchtige», ist gar nicht so gering, und es
ist keine Frage, daß die moderne Technik, die Ehemie
im Bunde mit moderner Kunst, hier noch manche
werthvolle Aeberraschung bringen kann. Vor Allem

aber ändere man den Ton des Kobalt-
blaus, das auf das künstlerisch sehende
Auge wie eine Beleidigung wirkt.

Nicht in diesen Dingen liegt die
Schwierigkeit einer durchgreifenden
künstlerischen Reform; vielmehr darin:
Welche Faktoren sollen dieselbe be-
ginnen? Nur drei können hierbei in
Betracht kommen, die Fabrikanten
selber, die Fachschule oder Kräfte von
auswärts. Fabrikanten und Kaufleute
sind im Allgemeinen nie Idealisten
gewesen; sie haben nie die Verpflich
tung übernommen, die Aienschen zu
bessern und zu bekehren, die Kunst zu
fördern und zu veredeln. Alan müßte
ein unverbesserlicher Optimist sein,
wollte man von ihnen verlangen, daß
sie, von ihrem rein künstlerischen Ge-
wissen getrieben, an Stelle eines sicheren
Abganges gangbarer Waaren das
Risiko erst Abnehmer suchender setzten,
bjiev macht nur die Noth erfinderisch, d. h. die be-
ginnende Abnahme des Absatzes. Soll man darauf
warten? Das Einzige, was zu erhoffen wäre, ist,
daß vielleicht der eine oder andere von ihnen neben
der künstlerisch werthlofen Alarktwaare einige bessere
Elitestücke Herstellen könnte, in denen für die mehr
oder weniger bewußten Sünden gegen den guten
Geschmack Abbitte geleistet wird?) Alehr darf man
von den kleineren Betrieben erhoffen, die schwer sich
gegen den Großbetrieb, so lange sie mit diesem in

') Wie wenig man jedach in dieser Beziehung von Groß-
betrieben dieser Art erwarten kann, zeigte das Vorgehen einer
unserer ersten keramischen Anstalten, die auch in einem Nach-
barstaate eine Fabrik hat und für dieses, das sich schon eines
modernen, gebesserten Geschmacks erfreute, ganz andere und
viel bessere Sachen anfertigte als für Deutschland, sie aber hier
nicht in den thandel brachte, um sich — nach eigener Angabe
— nicht selber Konkurrenz zu machen.

;Z8. Porzellan-Vasen von 5 ch m uz - B a u d i ß;
vereinigte Werkstätten für Kunst im ifandwerk, München.
(Hz der wirkl. Größe.) Muster geschützt.

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