Der Individualismus im Wohnraume.
gesteigert nach der behaglichen oder nach der festlichen
Seite hin. Aein anderes Mittel, kein Aufwand und
keine Pracht, vermag künstlerisch die Effekte solcher
Höhenunterschiede wett zu machen, und meist liegt
hierin der Reiz, den der Engländer selbst bei be-
scheidenen Aufgaben durch Anlage einer durch zwei
Geschosse gehenden „Hall" seinen Landsitzen zu geben
versteht.-
3m Allgemeinen machen wir unsere Decken bei
kleinen Räumen zu hoch, mindestens um ein Viertel
höher, als Engländer und Amerikaner es zu thun
pflegen, und man kann gerade diesen Völkern nicht
nachsagen, daß sie sanitäre Forderungen über künst-
lerischen Eapricen vernachlässigten. Den Ausgleich
erreichen jene Ausländer dadurch, daß sie das Fenster
dein jeweiligen Erforderniß des Raumes gewissenhaft
anpassen, und das ist neben der Raumbildung ein
zweiter, sehr wichtiger Faktor, um einem Raume
individuellen Charakter zu geben: die Art seiner Be
leuchtung. Nichts wirkt in einem Raume so ent-
scheidend wie seine Lichtquelle; die Wirkung wird
aber eine völlig verschiedene sein, wenn man das
Licht etwa durch lange, schmale, nebeneinander liegende
Fensterstreifen oder durch eine niedrige, breitgelagerte
Deffnung einfallen läßt; sie wird vollends völlig ver-
schieden sein, wenn
das Fenster hoch oben
an die Decke stoßend
liegt, so daß das Licht
wie aus einer ge-
heinmißvollen Quelle
hereinflutet, oderwenn
das Fenster bis auf
den Fußboden herun-
terreicht, so daß der
im Raume Weilende
in stetem Zusammen-
hänge mit der Außen-
welt zu sein glaubt.
Es liegt auf der Hand,
daß mit der Beach-
tung und Verwer-
thung dieser Beleuch-
tungseffekte die Far-
bengebung Hand in
Hand geht, die als
drittes, großes Eha-
rakterisirungsmoinent
dem Architekten zur
Verfügung steht. Die
neutralen vorsichtigen
Töne, die lange Zeit
hindurch herrschten,
werden mehr und
mehr verbannt, eine
Wiederkehr zu größe-
rer Farbenfreudigkeit
ist das Ziel; aber
dabei spielt die Farbe eine feiner studirte Rolle als
bisher: wir haben nicht mehr das blaue, das gelbe,
das grüne Zimmer, Blau, Gelb, Grün sind rohe und
inhaltlose Begriffe geworden, nicht die Lokalfarbe ist
es, die uns interessirt, sondern ihr Tonwerth, ihre
Lchattirung, »pas la couleur, rien que la nuance«,
wie Galle, der große Zauberkünstler der Farbentöne, sagt.
\72. Leuchter aus Elfenbein und
Silber von Karl Groß, Dresden,
verein. Werkstätten für Kunst im
vandwerk, München, (ffz d. w. Gr.)
Muster geschützt.
X 7 3— (.75. Thierstudien von
Karl Groß, Dresden.
gesteigert nach der behaglichen oder nach der festlichen
Seite hin. Aein anderes Mittel, kein Aufwand und
keine Pracht, vermag künstlerisch die Effekte solcher
Höhenunterschiede wett zu machen, und meist liegt
hierin der Reiz, den der Engländer selbst bei be-
scheidenen Aufgaben durch Anlage einer durch zwei
Geschosse gehenden „Hall" seinen Landsitzen zu geben
versteht.-
3m Allgemeinen machen wir unsere Decken bei
kleinen Räumen zu hoch, mindestens um ein Viertel
höher, als Engländer und Amerikaner es zu thun
pflegen, und man kann gerade diesen Völkern nicht
nachsagen, daß sie sanitäre Forderungen über künst-
lerischen Eapricen vernachlässigten. Den Ausgleich
erreichen jene Ausländer dadurch, daß sie das Fenster
dein jeweiligen Erforderniß des Raumes gewissenhaft
anpassen, und das ist neben der Raumbildung ein
zweiter, sehr wichtiger Faktor, um einem Raume
individuellen Charakter zu geben: die Art seiner Be
leuchtung. Nichts wirkt in einem Raume so ent-
scheidend wie seine Lichtquelle; die Wirkung wird
aber eine völlig verschiedene sein, wenn man das
Licht etwa durch lange, schmale, nebeneinander liegende
Fensterstreifen oder durch eine niedrige, breitgelagerte
Deffnung einfallen läßt; sie wird vollends völlig ver-
schieden sein, wenn
das Fenster hoch oben
an die Decke stoßend
liegt, so daß das Licht
wie aus einer ge-
heinmißvollen Quelle
hereinflutet, oderwenn
das Fenster bis auf
den Fußboden herun-
terreicht, so daß der
im Raume Weilende
in stetem Zusammen-
hänge mit der Außen-
welt zu sein glaubt.
Es liegt auf der Hand,
daß mit der Beach-
tung und Verwer-
thung dieser Beleuch-
tungseffekte die Far-
bengebung Hand in
Hand geht, die als
drittes, großes Eha-
rakterisirungsmoinent
dem Architekten zur
Verfügung steht. Die
neutralen vorsichtigen
Töne, die lange Zeit
hindurch herrschten,
werden mehr und
mehr verbannt, eine
Wiederkehr zu größe-
rer Farbenfreudigkeit
ist das Ziel; aber
dabei spielt die Farbe eine feiner studirte Rolle als
bisher: wir haben nicht mehr das blaue, das gelbe,
das grüne Zimmer, Blau, Gelb, Grün sind rohe und
inhaltlose Begriffe geworden, nicht die Lokalfarbe ist
es, die uns interessirt, sondern ihr Tonwerth, ihre
Lchattirung, »pas la couleur, rien que la nuance«,
wie Galle, der große Zauberkünstler der Farbentöne, sagt.
\72. Leuchter aus Elfenbein und
Silber von Karl Groß, Dresden,
verein. Werkstätten für Kunst im
vandwerk, München, (ffz d. w. Gr.)
Muster geschützt.
X 7 3— (.75. Thierstudien von
Karl Groß, Dresden.