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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 50.1899-1900

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Chronik des Bayerischen Kunstgewerbevereins
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Chronik des Bayer. Kunstgewcrbevereins.

260 u. 26J. Behang nach Entwurf von Theodor Fischer
ausgeführt von dessen Gemahlin. (V6 der wirkl. Größe.)
Grund graublau; die den Thürfries oben und unten be-
grenzenden Einfassungen roth und gelb; die herabhängenden
Litzen schwarz mit blauem, bezw. hellblauem Faden auf-
genäht; die Störche in weißer Seide applizirt, Umrisse,
Schnäbel und Beine roth gestickt; die j)almette in der Mitte:
unten schwarz, Hauptblätter dunkelblau, innere Ranken gelb
und weiß, Staubfäden roth.

Geschlechts in stattlicher Zahl angetreten, und angesichts der
wirklich imponirenden Stickereien, die so gut wie ausschließlich
gewandten Frauenhänden ihre Entstehung verdanken, hatte sich
sogar der Vereinsvorstand mit den anwesenden Ausschuß-
mitgliedern aus die Gallerie zurückgezogen, von wo aus er
die Versammlung mit launigen Worten eröffnete. Frl. Irene
Braun hielt zur Einführung in die Ausstellung von Stickereien
aus alter und neuer Zeit, aus Grient und Vccident einen
kurzen Vortrag, in welchem sie in überaus klarer Weise das
Wesen der verschiedenen Faden- und Nadeltechniken im All-
gemeinen und der Stickerei im Besonderen auseinandersetzte
unter Hinweis auf die vorhandenen Beispiele. Einige spezielle
Angaben über orientalische Stickereien gab dann H. E. v. Berlepsch.
Die Ausstellung war so massenhaft beschickt, wie vielleicht noch
nie eine solche an einem Vereinsabend; sie bewies das rege

Interesse, welches namentlich die Damenwelt an den Vereins-
bestrebungen nimmt. Außer der Vortragenden selbst hatten
noch die Frauen Nina Lossow, Spengel, M. v. Brauchitsch,
Rosa v. Niller, Halbreiter, Gberhummer, Schlagintweit, Sedl-
mayr, Himmichhofen, ferner Fräulein Riexpel, Hedwig und
Clara Lesker, Zahn, die Herren Hans Friede!, Franz Rad-
spieler, Selenka, M. Spörl, Gabriel Seidl, Theodor Fischer,
H. L. v. Berlepsch, Ed. Griitzner, endlich die Firmen: St. Bern-
heimcr, N. Iörres (Inhaber Paul Schubert), Jul. Böhler,
vereinigte Werkstätten für Kunst im Handwerk, H. Einstein,
A. S. Drey ausgestellt. Dem freundlichen Entgegenkommen
haben wir an dieser Stelle um so mehr zu danken, als wir da-
durch in die Lage versetzt wurden, werthvolles Material für
eines der folgenden Hefte zu sammeln, welchem der wesent-
lichste Inhalt der von Fräulein Braun gesprochenen Linleitungs-
worte als Begleittext beigegeben werden wird. —

Die sämmtlichen Arbeiten blieben auch am folgenden Tage
bis Nachmittags 2 Uhr zur Besichtigung ausgestellt.

Lünkter Abend: Den 5. Dezember. Vortrag von Prof,
vr. Berthold Riehl über Albrecht Dürer. Wie viel schon
über Albrecht Dürer im Allgemeinen und in unserem vereine
im Besonderen gesprochen, wie viel schon an Werken des seltenen
Mannes gezeigt worden ist — immer vermag der Gegenstand
wegen seiner Unerschöpflichkeit von Neuem das Interesse der
Znhörer zu fesseln, zumal, wenn — wie in unserem Falle —
der Vortragende es versteht, die Flammen der Begeisterung für
den unsterblichen nationalen Meister anzufachen. Diirer's Leben
fällt zur Hälfte in das zs., zur Hälfte in das (s. Jahrhundert;
in seinen Merken, von der absterbenden mittelalterlichen Kunst
ausgehend, bahnte er doch der neuen Kunst die Wege. Darin,
daß die mittelalterliche Kunst in ihm ihren Abschluß findet und
daß er zugleich eine neue Periode eröffnete, beruht seine
h i st o r i s ch e Bedeutung; seine künstlerische Bedeutung aber
beruht in der Thatsache, daß er einer der größten Meister aller
Zeiten gewesen. Er war der erste Deutsche, der deutsche Kunst
ebenbürtig neben die große italienische gestellt hat; dieses Ziel
hat er erreicht durch ein sorgfältiges zeichnerisches Studium,
welchem er auch die anscheinend geringfügigsten Dinge unterzog.
Er begnügte sich nicht mit der äußeren Beobachtung der Natur,
sondern er forschte auch den Ursachen nach; er wollte die Natur
in ihren: organischen Zusa:nmenhang verstehen; aus diesen:
Drang heraus entstand n. A. seine Proportionslehre. Mit dem
Ausgang des ;s. Jahrhunderts öffnete sich der Blick für das
Detail; man detaillirte viel mehr als zu detailliren war, z. B.
indem man die Fältelungen an den Gewändern häufte. Auch
Dürer studirte eingehend die Details an Draperien, fänden rc.,
aber ohne je das richtige verhältniß des Details zum Ganzen
zu verlieren. — Indem Dürer den: geistigen Streben seiner Zeit
künstlerischen Ausdruck zu verleihen suchte, erweiterte er den
Kreis künstlerischer Darstellungen; er war cs auch, der zu-
erst Landschaften liebevoll stndirte und der wohl der „Vater
der Landschaft" hätte werden können, wenn seine Aquarelle
und Zeichnungen nicht in der Mappe verborgen geblieben
wären. So bedeutend Dürer's Schöpfungen auf dem Gebiete
der kirchlichen Kunst auch waren, worunter sein Allerheiligen-
bild und die urdeutschen vier Apostel wohl die hervorragendsten
— sein größtes Verdienst war es wohl, daß er die Kunst aus
der Kirche in das Haus getragen hat. Die zahlreichen Holz-
schnitte und Kupferstiche, Neujahrsgrüße und Exlibris — all das
sind Merke, die wohl geeignet waren, die Kunst in der Wohnung
des Bürgers heimisch werden zu lassen; denn sie alle waren
zugleich das, was dem Kunstwerke allein einen dauernden
Platz im Herzen des Volkes sichert — sie waren in ihrem
Empfinden kerndeutsch.

verantw. Red.: j)rof. L. Gmelin. — Herausgegeben vom Bayer. Aunstgemerbeverein. — Druck und Verlag von R. Gldenbourg, München.
 
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