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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 50.1899-1900

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Lueer, Hermann: "Flächenhaft"
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https://doi.org/10.11588/diglit.7134#0239

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Flächenhaft.

373 — 377. In Kupfer
getriebene Füllungen.
(Llitgef. Vs d. wirkl. Gr.)

Entworfen von
ft.L.v.Berlepsch,
München

Ausgefuhrt von
I. tvinhart & Lo
München.

Es beruht doch zweifellos jede Art der künst-
lerischen Darstellung im Grunde auf einer uns nicht
mehr zum Bewußtsein kommenden Uebereinkunst,
ebenso wie die Sprache, die Schrift u. a. m.

Wenn nun z. B. eine inenschliche Figur nur tu
Linien, mit mehr oder weniger Einzelheiten ge-
zeichnet ist, so erweckt doch diese Darstellung unter
allen Umständen die Vorstellung des vollrunden
Aörpers, ob dabei Farben zur Anwendung kommen
oder nicht, ist durchaus gleichgültig. Man möchte
bestreiten, daß selbst wirklich silhouettenhafte Dar-
stellungen von bekannten plastischen Gebilden,
die nicht den unzweideutigen Eharakter des Schat-
tens tragen, uns nur einen Augenblick daran
denken lasten konnten, daß diese Gegenstände plötz-
lich stach geworden seien. Unwillkürlich ergänzen
wir die Darstellungen plastisch. Und demgegenüber
kann man sagen, daß ein mit allen Darstellungs-
mitteln gemaltes Bild uns doch niemals schwanken
machen könnte, daß wir wirklich nur ein Bild, ein
auf der Fläche ausgeführtes Aunstwerk vor uns haben.

Das unbewußt wirkende Vorstellungsstreben ist
für uns ein Naturgesetz.

Was will nun solch' ein „Flächengesetz" bedeuten,
das besagt: Eine Fläche, die farbig geschmückt werden

soll, muß „flächenhaft" dekorirt werden, damit sie
nicht den Eindruck der räumlichen Begrenzung verliert.
Es war ein etwas grobes Versehen, das möge man
bekennen. Ein Gesetz der Flächenhaftigkeit in jenem
Sinne kann es nicht geben, und es ist unter allen
Umständen eine große Thorheit, einen gewirkten
Wandbehang, ein bemaltes Gefäß, einen Stoff, einen
Teppich, eine Tapete, Decken- oder Fliesenbilder des-
halb zu verwerfen, weil die Darstellung nicht „flächen-
haft" ist.

Von all den angeführten Beispielen gibt es
Ausführungen, die durch ihre Vorzüglichkeit beweisen,
daß auch die Abtönung die Schönheit der Wirkung
nicht im Blindesten herabzudrücken vermag.

Wan hatte es im verflossenen Jahrhundert ver-
lernt, bei Arbeiten der genannten Art mit den Mitteln
kfaus zu halten; man ging über das Ziel des natur-
gemäß nicht scharf zu begrenzenden „Dekorativen"
hinaus. Man kann wohl sagen, daß denn „Deko-
rativen" der Gegenstand, das Motiv der Darstellung,
die Stellung einnimmt wie beim Aörper das Anochen-
gerüst; das Motiv bildet den lhalt des Ganzen. Aber
ausschlaggebend für den Eindruck bleibt, wie beim
Aörper die Oberfläche, beim „Dekorativen" die
äußerliche Vertheilung und Harmonie der Farbflecken,

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