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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 50.1899-1900

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Hofmann, Albert: Das Zimmer und sein Geräth auf der Pariser Weltausstellung
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https://doi.org/10.11588/diglit.7134#0380

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Das Zimmer und sein Geräth auf der pariser Weltausstellung.

553 u. 55^. (Pariser Ausstellung.) Fries aus den deutschen Gemäldesäleu. Architekt Lmaii. Seidl;
Modelleure Rapxa & Giobbe, München.

des Dauses mit theilweife großem Aufwand an
21 citteln und vereinzelt auch nicht ohne künstlerisches
Geschick gewidmet; aber was sie bieten, ist — neben
künstlerisch nur ganz bescheidenen, häufig sensationell
aufgeputzten Versuchen, die aus der neuen Bewegung
hervorgegangenen Gegenstände ihren Abnehmern
mundgerecht zu machen — nationale Vergangenheit,
französisches XVII. bis XVIII. Jahrhundert.

Der Stil Louis quinze und Louis seize beherrschen
durchaus den Innenraum, und wenn man den Um-
fang dieser Herrschaft, wie er heute noch trotz allen An-
stürmens anderer Richtungen sich wahrnehmen läßt,
ermißt, so wird man unwillkürlich an die beiden feinsten
Schwärmer für das XVIII. Jahrhundert, an die
Gebrüder Goncourt, oder auch an einen nicht
minder begeisterten anderen Schwärmer jener Zeit,
an den Historiker Baptiste ponorö Raymond
Lapefigue erinnert, welcher das Kulturleben unter
dem fünfzehnten Ludwig als die schönste Blüthe
in der Geschichte des französischen Volkes erklärte.
An solche Urtheile erinnert man sich heute in Paris
gerne.

Es ist auffallend, mit welcher Lust und Liebe
Kunst und Literatur rückwärts blicken, vermuthlich,
um aus der Vergangenheit sich Trost und Stärkung
für die sich mehr und mehr zersetzenden Zustände in
der Gegenwart zu holen. So begreift es sich denn, daß
die Vergangenheit, dis Ueberlieferung, die Geschichte
wie die ganze Kultur des Augenblicks, so auch die
Ausstellung beherrschen. Daher sind Innenräume,
wie der lichte, in natürlichen polzfarben stehende,
mit köstlichen farbigen Intarsien geschmückte Rauin
des pausss Krieger nur ganz vereinzelte Er-
scheinungen. Die schönen farbigen Intarsien mit
Dichterworten von Emile Gallo in Nancy sind auch
in Deutschland nicht mehr unbekannt. Neu dagegen
sind die höchst interessanten Versuche von Lachenal &

Bec, Rläbeleinlagen aus buntglasirtem Steingut
und aus Fayence zu schaffen. Eine gewisse Größe
in der Auffassung zeigt der Nußbaum-Speisesaal von
G. T ü r ck in Lille. Er ist von schlichter Einfach-
heit; ein großer geschnitzter Kamin ziert ihn, ver-
einzelt finden sich in der ornamentalen Ausschmückung
naturalistische RIotive. Sehr eigenartig und fein ge-
stimmt ist der Speisesaal von Louis Bigaux; fein
Marmorkamin ist in gleicher Weise mit Metall-
auflagen geschmückt wie die in ihren Formen oft etwas
gesucht erscheinenden Möbel, p. Nelson fertigte
einen guten Bibliothekrauin Louis XV. in leicht ge-
beiztein Eichenholz, Jansen gleichfalls einen Biblio-
thekraum mit hohem Kalksteinkamin und zu seiner Seite
trefflich wirkende Glasmalereien; poirier öc Remon
zeichnen sich durch gute Entwürfe, E. Wulliam als
Zeichner uiid A. paensler in Bclfort als Ver-
fertiger wieder durch eine fein und maßvoll em-
pfundene Bibliothek aus. plumet und Selmers-
heini in maßvoller, Guimard in maßloser Weife
vertreten das spezifisch Moderne des französischen
Möbels. Die ersteren beiden sind auch in Deutsch-
land nicht unbekannt geblieben, da da und dort die
eigenartigen Werke von ihrer pand zur Ausstellung
oder doch zur Abbildung kamen. Guimard ist durch
seine Veröffentlichung über das Eastel Berenger auch
jenseits der Enceinte von Paris als eine Art künst-
lerischen Abenteurers bekannt geworden. Läßt sich
aus der Kunst von Plumet und Selmersheim ein
ernster Kern und ein strenges struktives Gefühl heraus-
fchälen, fo wendet sich Guimard lediglich an niedere
Instinkte durch feine aufregenden und Aufsehen er-
regenden, nicht aber auch künstlerisch empfundenen
Linienführungen. Der Innenraum von Tony Sel-
mersheim ist in Form und Farbe fein gestimmt;
über feine Bestimmung habe ich mir vergebens den
Kopf zerbrochen

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