Nordische Bildwirkereien auf der Pariser Weltausstellung
59;. (Pariser Ausstellung.) Entwurf zu einem Bildtexxich (tsammeren og Aorset — ksammer und Kreuz)
von Gerhard Munt he; ausgeführt von den Norske-ffusflidsforening *), Lhristiania.
theoretisch streng durchgeführte Flächenhaftigkeit aus
einem Standpunst sestgehalten werden, der sich nur
um weniges über den primitiv bäuerlichen erhebt
und die Neigung verräth, zu Guilsteit eiuer inter-
essanten Fleckenwirkung den organischen Zusammen-
hang der Zeichnung aufzugeben.
Bis zu einem gewissen Grade sind die Norweger
„moderner" als die Schweden, modern, indem sie
weniger im Zusammenhang mit der Ueberlieferung
stehen. Das wird indessen zum Teil iu ihrer
eigenen geschichtlichen Entwicklung liegen, die
weniger aristokratische Momente aufweist, als die
schwedische und deshalb Öen unmittelbaren Anschluß
an Volkstechniken erleichtert. Zn Schweden sind,
wie ein Besuch des schwedischen krauses an der
Völkerstraße lehrt, die Volkstechniken noch keineswegs
ausgestorben. Zm Palais du Mobilier an der Zn-
validen-Esplanade hat die schwedische Ausstellungs-
leitung aber i:ur das zugelassen, was in der aristo-
') Diese „ffausfleißvereinigung" ist eine gemeinnützige
Gesellschaft, dazu bestimmt, den norwegischen ksausfleiß zu
fördern, besonders auf textilen: Gebiet. Im Jahr {sqq- er-
richtete sie eine eigene Färberei mit Pflanzenfarben; derartig
gefärbtes Wollgarn für Weberei und Ltickerei wird etwa in
;oo Spielarten gefertigt. Die in Paris ausgestellten Gegenstände
sind an verschiedenen Brten des Landes, besonders jedoch von
Bauernhänden gearbeitet.
kratischen und patrizischen Kultur des Landes wurzelt.
Viels gothische Anklänge sind herauszufühlen, was
für ein Volk gothischer Herkunft sicher kein Vorwurf
sein kann; Farbe und Zeichnung gehen Hand in
Hand mit einander; die Schattierung wird in bewußter
Art als Modulation der Zeichnung gehandhabt;
jedes Streben nach mißverstandenen plastischen
Wirkungen ist vermieden; den bildlichen Darstellungen
fehlt vielleicht die Großartigkeit des Hintergrundes,
die an den norwegischen Bildwirkereien oftmals
geradezu verblüffend wirkt. Dafür haben aber auch
die schwedischen Sachen niemals etwas Gewaltsames;
es bleibt immer ein freundlich versöhnender Humor
gegenwärtig, der befähigt ist, zu ermessen, wie winzig
klein, genau genommen, das bischen „graue Elend"
ist, mit dem Zbfen's Nora und andere Leutchen
ihres Kalibers nicht fertig zu werden verstehen.
* *
❖
Die Zeiten, wo das Wort Stil den Begriff
einer rein äußerlichen Sache deckte, die nach Belieben
nachgeahmt und vervielfältigt werden könnte, sind
glücklicher Weife vorüber. Wir behandeln den ge-
schichtlichen Stil wie die Formensprache der ver-
gangenen Zeit und wissen, daß mit den Zeiten der
Stil sich wandeltl Es ist aber nicht zu leugnen,
daß bei uns in Deutschland, in der Textilkunst
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59;. (Pariser Ausstellung.) Entwurf zu einem Bildtexxich (tsammeren og Aorset — ksammer und Kreuz)
von Gerhard Munt he; ausgeführt von den Norske-ffusflidsforening *), Lhristiania.
theoretisch streng durchgeführte Flächenhaftigkeit aus
einem Standpunst sestgehalten werden, der sich nur
um weniges über den primitiv bäuerlichen erhebt
und die Neigung verräth, zu Guilsteit eiuer inter-
essanten Fleckenwirkung den organischen Zusammen-
hang der Zeichnung aufzugeben.
Bis zu einem gewissen Grade sind die Norweger
„moderner" als die Schweden, modern, indem sie
weniger im Zusammenhang mit der Ueberlieferung
stehen. Das wird indessen zum Teil iu ihrer
eigenen geschichtlichen Entwicklung liegen, die
weniger aristokratische Momente aufweist, als die
schwedische und deshalb Öen unmittelbaren Anschluß
an Volkstechniken erleichtert. Zn Schweden sind,
wie ein Besuch des schwedischen krauses an der
Völkerstraße lehrt, die Volkstechniken noch keineswegs
ausgestorben. Zm Palais du Mobilier an der Zn-
validen-Esplanade hat die schwedische Ausstellungs-
leitung aber i:ur das zugelassen, was in der aristo-
') Diese „ffausfleißvereinigung" ist eine gemeinnützige
Gesellschaft, dazu bestimmt, den norwegischen ksausfleiß zu
fördern, besonders auf textilen: Gebiet. Im Jahr {sqq- er-
richtete sie eine eigene Färberei mit Pflanzenfarben; derartig
gefärbtes Wollgarn für Weberei und Ltickerei wird etwa in
;oo Spielarten gefertigt. Die in Paris ausgestellten Gegenstände
sind an verschiedenen Brten des Landes, besonders jedoch von
Bauernhänden gearbeitet.
kratischen und patrizischen Kultur des Landes wurzelt.
Viels gothische Anklänge sind herauszufühlen, was
für ein Volk gothischer Herkunft sicher kein Vorwurf
sein kann; Farbe und Zeichnung gehen Hand in
Hand mit einander; die Schattierung wird in bewußter
Art als Modulation der Zeichnung gehandhabt;
jedes Streben nach mißverstandenen plastischen
Wirkungen ist vermieden; den bildlichen Darstellungen
fehlt vielleicht die Großartigkeit des Hintergrundes,
die an den norwegischen Bildwirkereien oftmals
geradezu verblüffend wirkt. Dafür haben aber auch
die schwedischen Sachen niemals etwas Gewaltsames;
es bleibt immer ein freundlich versöhnender Humor
gegenwärtig, der befähigt ist, zu ermessen, wie winzig
klein, genau genommen, das bischen „graue Elend"
ist, mit dem Zbfen's Nora und andere Leutchen
ihres Kalibers nicht fertig zu werden verstehen.
* *
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Die Zeiten, wo das Wort Stil den Begriff
einer rein äußerlichen Sache deckte, die nach Belieben
nachgeahmt und vervielfältigt werden könnte, sind
glücklicher Weife vorüber. Wir behandeln den ge-
schichtlichen Stil wie die Formensprache der ver-
gangenen Zeit und wissen, daß mit den Zeiten der
Stil sich wandeltl Es ist aber nicht zu leugnen,
daß bei uns in Deutschland, in der Textilkunst
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