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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 50.1899-1900

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Braun, Irene: Alte und neue Stickereien
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https://doi.org/10.11588/diglit.7134#0421

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Alte und neue Stickereien.

642. Tischdecke, entworfen von Fr. v. Thiersch, ausgeführt von Frau Auguste Thiersch. (h,g der wirkt. Gr.) Material:
dunkel terrakottarothes Tuch; Grund der Streifen: graue ungebleichte Leinwand, in den Knotenpunkten locker in Gelb bezw.
Blau überstickt, unter Aussparung des Hellen, in Braun und weiß gezeichneten (Ornaments, von Litzen in Braun und Silber
eingefaßt; die bunt in Seide gestickten Friese sind von Litzen in hellblau und Silber eingefaßt. Um die sechs rothen Felder

laufen hellbraune Borten. (Vgl. die Einzelheiten auf S. 288.)

Familienscenen auf Seffeht und Rissen, der ganze
Glymp auf Ofenschirmen. Der Ehrgeiz ging daraus,
daß der einzelite Faden iticht mehr herauszufinden
fei, — also eilt völliges Aufgeben der charakteristischen
Eigenheiten der Stickkunst für eine sehr minder-
werthige Nachahmung der Malerei.

Daß inan Reichthum der Phantasie und der
Zeichnung entfalten und doch innerhalb der dem
Plattstich gesteckten Stilgrenzen bleiben kann, beweist
von Thier sch's große, von Frau Auguste Thiersch
ausgeführte Tischdecke, ein sehr amüsantes Stück ge-
schmackvollster Nadelarbeit, zugleich eine Verbindung
verschiedener Techniken (Abb. 626 bis 6^2): Ein-
theilung und Ornamentik find in Renaissancecharakter
gehalten, ringsum läuft ein Fries, der in drolliger
Thiersymbolik Alles darstellt, was sich int Pause
begibt, — selbst der Rampf um's Dasein, den man
hier kaunr vermuthen sollte, ist nicht vergessen.

Au dem neuen Aufschwung, den die Seiden-
stickerei in unsern Tagen erlebt hat, sind die Arbeiten
von Perm. Obrist bahnbrechend betheiligt. Es
waren groß entworfene, echte Flächendekorationen,
die vor einigen Jahren überall bei ihren: ersten Er-
scheinen verblüfften und entzückten. Bekannt ist ein

Wandbehang, auf brauner Seide ausgeführt, der
Wunderbaum mit den Büscheln von goldenen Staub-
fäden auf frei und kräftig geschwungenen Aesten;
außerordentlich schön wirkte ein blauer Plüschvor-
hang, zuin Abschluß einer Ofenecke, in dessen silbernen
Flämmchen man die heiße aufsteigende Luft förmlich
vibriren sah (vgl. Zahrg. (897/98, S. 65). Ein sym-
bolisch-suggestives Element spielt manchmal mit, aber
es drängt sich nirgends vor, der Linienfluß, der
Farbenakkord ist überall die Pauptsache. Wenn auch
Obrist's Stickerei-Atelier jetzt leider geschloffen ist,
wird doch der Einfluß seiner Stickereien auf unsere
pandarbeit nicht so leicht wieder vergehen. — Die Ar-
beiten von pedwig und Elsa Lesker (Abb. 6^3—64(7)
zeigen deutlich die Einwirkung von Gbrist's Arbeiten.

Die Stickereien von Frau v.Brauchitsch (Abb. 64(8
bis 65 () gehen von ähnlichen Prinzipien aus wie die
von Gbrist; es sind moderne Arbeiten im besten Sinn
von origineller Grazie und oft überraschend guter
Farbenwirkung, — manche in einfachstem Material
(Leinengarn auf Leinwand) — höchst reizvoll aus-
geführt. Das Spiel des Lichts auf den nach ver-
schiedenen Richtungen spiegelnden Flächen bildet auch
hier einen Pauptreiz der Stickerei.

Kunst und Handwerk. 50. Iahrg. Heft 12.

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