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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 11.1876

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Vermischte Nachrichten.

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sie mehr oder weniger nur handwerksmäßig gemacht. Jch
kann mir nicht helfen, aber die neuen Münzen sehen aus
wie Regimentsknöpfe. (Heiterkeit.) Faktisch, sie sehen aus so
kahl und trocken wie das Jnnere einer Wachstube, und wir
haben doch wahrlich ein Jnteresse daran, daß das Deutsche
Reich vor der Welt in seiner Münzreform in anständiger
Form erscheine." Der hier gegen die Reichsregierung gerich-
tete und vom Abgeordneten Reichensperger sodann in dra-
stisch-hmnoristischer Weise illustrirte Vorwurf dürfte in noch
weit höhereur Grade gegen eine Menge deutscher Bankinsti-
tute zu richten sein. Vor uns liegen fünf verschiedene Hundert-
markscheine, sämmtlich von der Leipzigcr Firma Giesecke L
Devrient in die Welt gesetzt, bei denen es schwer ist, zu
sagen, welchein der Preis der größten Geschmacklosigkeit ge-
bührt. Die Götter, Engel nnd allegorischen Figuren, die
darauf hocken, liegen, sitz'en und schweben, sind so zahm und
langweilig, wie nur möglich. Das non p)u8 ultra darunter
ist wohl der augenverdrehende Geraer Banknoten-Engel (frei
nach Tizian's Himmelfahrt Mariü behandelt), dessen Gewan-
dung aus Kuchenteig zu bestehen scheint. Die ornamentale
Zuthat aber ist überall von so armseliger Erfindung, daß
oem gegenüber die arg geschmähten Preußischen Banknoten
und Reichskassenscheine sich getrost mit dem Bewußtsein ihres
künstlerischen Werthes brüsten dürfen. —u.

AuS Saarbriickcn wird berichtet: Zum Andenken an die
Schlacht bei Spichern wird in dem neuen Rathhaussaale
unserer Stadt, dessen Neubnu in allernächster Zeit begonnen
wird, auf Anordnung des Kaisers eine Reihe von monu-
mentalen Gemälden angebracht werden, zu Lenen jetzt die
Skizzen hier eingetroffen sind. Dieselben sind vom Direktor
üer kgl. Kunstakademie zu Berlin, Pros. A. von Werner,
welche'r bekanntlich auch die Malereien an der Siegessäule
auf dem Königsplatz in Berlin entworfen hat, gezeichnet
wvrden. Sie stellen dar: das Hauptbild (Hinterwand des
Saales), Einzug des Königs Wilhelm in Saarbrücken am
ü. August 1870, den kgl. Wagen umgiebt das jauchzende
Volk, "ein Verwundeter, der vorbeigetragen wird, hebt die
Hand, um seinen Kriegsherrn zu grüßen; der König dankt >
leutselig. Die beiden andern Bilder (Seitenwände des
Saales), eine Episode aus der Erstürmung der Spicherer
Höhen (Tod des Generals von Fran<Ms) und ein spmbolisches
Gemälde, die Einigung von Nord- und Süddeutschland dar-
stellend (der Genius Deutschlands hält über zwei Krieger in
antiker Rüstung und Mänteln in den deutschen und baierischen
Farben die Kaiserkrone). Zu den beiden Seiten des Haupt-
bildes kommen in Nischen die lebensgroßen Figuren von
.üronprinz Friedrich Wilhelm und Prinz Friedrich Karl, rechts
und links der spmbolischen Darstellung erhalten die Stand-
bilder Bismarck's und Moltke's ihren Platz. Die Fenster
werden in reicher Glasmalerei Wappen und sonstige Abzeichen
enthalten, prachtvolles Täfelwerk die Zwischenräume an den
Wänden und geschmackvolles Parket den Fußboden decken.
Die Decke des Saales zeigt in der Mitte einen mächtigen
Reichsadler, in den vier Ecken die Wappen von Preußen,
der Rheinlande, von Saarbrücken und St. Johann. Ein
unter der Decke hinlaufender Fries enthält die Daten der
Hauptschlachten 1870/71. Zu der ganzen Ausschmückung des
Saales sind 65,000 Mark ausgeworfen und zu Ausführung
der ul krosoo auszuführenden Malereien eine Frist von drei
Jahren festgesetzt. (Köln. Zeitg.) >

Aus Rom wird berichtet: Jm Grundgemäuer des Pa-
lazzo Antonelli wurde ein vollkommener Bogen aus der Zeit
des Servius Tullius gefunden. Dies war zweifellos die
Porta Fontinalis des Livius, die zur Nrx Martis führte.

Musterschuh. Aus den Protokollen der Enquste-Konr-
mission wegen Einführung eines allgemeinen Musterschutzes
entnehmen wir weiter zu den Fragen über Schutz der Kunst-
mdustrie, daß bis jetzt in Deutschland (mit Ausnahmr einiger
kleineren Gebiete) den Zeichnungen, Modellen und dergleichen,
welche zwar als Muster sür Jndustrie-Erzeugnisse, aber mit
künstlerischer Fertigkeit hergestellt worden sind und vermöge
ihrer artistischen Eigenschasten im Gegensatze zu gewöhnlicher
Jndustrie oder Handwerksmustern stehen, so wie den nach
jenen Zeichnungen angesertigten Jndustrie-Erzeugnissen selbst
nicht nur kein besonderer Schutz gegen unbefugte Nachbildung
gewährt ist, sondern daß einzelne Gesetze dieselben sogar aus-
drücklich von dem den Werken der bildenden Kunst gewährten

Schutze ausnehmen. Während von verschiedenen Seiten die
Einführung eines Schutzes der Kunstindustrie als gerecht und
im Jnteresse der Künst wie der Jndustrie gelegen befürwortet
wird, erklären sich andere Stimmen namentlich mit Rücksicht
auf die Erwerbs- und Produktionsfreiheit eben so entschieden
dagegen. Sämmtliche drei Gruppen der Sachverständigen
pflichteten mit überwiegender Mehrheit der ersteren Ansicht
bei. Eben so hielten sie, entgegen der auf dem Reichstage
von 1870 zu Tage getretenen Anschauung, dafür, den Schutz
der Künstindnstrie in Zusammenhang mit dem Markenschutz
gesetzlich zu behandeln. Jn der ersten Gruppe wurde aller-
dings von einer Seite eincr abgesonderten selbständigen Be-
handlung der Kunstindustrie das Wort geredet, währeüd sonst
in ihr die Meinungen darüber, ob die Kunstindustrie mit
der Kunst oder aber mit der Jndustrie zu behandeln sei,
derart auseinander gingen, daß ein Ausgleich nur in oer
Entscheidung des kon'kreten Falles zu finden sein möchte.

Am neucn Palais des Grafcn Pourtalds in Berlin, an

der Ilniversitäts- und Georgenstraße-Ecke, sind neuerdings
über dem Hauptportale drei Reliefs von so bemerkens-
werther Schönheit angebrncht, daß wir Kunstfreunde auf die-
selben besonders aufmerksam machen wollen. Das links vom
Beschauer befindliche stellt in einer lebhaft gruppirten Scene
die Verfolgung der Reformirten in Frankreich im
17. Jahrhundert dar: Soldaten treten die heiligen Bücher
mit Füßen und zerren Männer, Frauen und Kinder vom
Altare, an welchem der Prediger surchtlos erhobenen Hauptes
steht. Aus dem rechtsseitigen Bilde ist sofort die jugendliche
Gestalt des Königs Friedrich II. erkennbar, welcher die Ver-
folgten aufnimmt und hauptsächlich der Agritültur überweist.
Zwischen beiden Reliefs ist das künstlerisch ausgeführte Wappsu
des Hauses angebracht. Es sei bemerkt, daß die Familie
Pourtalos 1682 ihres Glaubens wegen aus Frankreich ver-
trieben wurde und nach segensreichem Aufenthalte in der
Schweiz — wer kennt dort nicht das Pourtalos-Spital in
Neuenburg und Schloß Oberhofen am Thuner iLee? —
später unter Friedrich dem Großen in Preußen Aufnahme
sand. Das Wappen stellt einen Pelikan dar, welcher, der
Fabel entsprechend, sich die Brust öffnet, um mit seinem
Blute die Jungen zu atzen. Die Jnschrift lautet: (^uiä uon
äiloetis, d. h. was thut man nicht für seine Lieben? Die
Skizzen Zü den Reliefs sind von dem Baumeister Bohm
entworfen und zwar theilweise nach dem Kupserstiche des be-
rühmten Neuenburger Malers Charles Girardet, die Re-
ligions-Verfolgung im 17. Jahrhundert darstellend. Ausge-
sührt wurden sie in der Werkstatt der Gebrüder Dankb erg
vom talentvollen Bildhauer Walzleben. Jm Jnnern des
auch in baulicher Hinsicht interessanten Hauses ist eine von
Drake gefertigte Decke, ein Tuch darstellend, welches von
sechs prächtigen Knabengestalten getragen wird, bemerkens-
werth — indessen bleibcn die inneren Räume dem Publikum
nicht wohl zugänglich. Das Ganze aber legt ein schönes
Zeugniß von der Noblesse und dem Kunstsinne ab, welche
seit Jahrhunderten zu den „berechtigten Eigenthümlichkeiten"
der Familie Pourtales gehören. (B. Tagebl.)

H. Professor Caspar Scheuren in Düsseldorf hat ein
neues vortreffliches Kunstblatt vollendet, welches sich seinen
frühern Werken in ebenbürtiger Weise anreiht. Es ist der
Ehrenbürgerbrief der Stadt Köln für den Fürsten Bismarck,
den der geniale Künstler mit poetisch-phantasiereichen Bildern
und Arabesken auszuschmücken beaustragt war. Er hat dies
mit voller Hingabe und sichtlicher Begeisterung verstanden
und abermals ein Zeugniß seiner großen und eigenartigen
Begabung damit abgelegt. Auf Pergament in Aquarellfarben
ausgeführt, bringt das Blatt eine Fülle interessanter Einzel-
motive, die durch Ornamente und Allegorien geschickt mit-
einander verbunden sind. Das Hauptbild theilt sich in zwei
Abtheilungen. Rechts ist der Wortlaut der Adresse mit der
Ilnterschrift des gesammten Gemeinderathes der Stadt Köln
und eine Ansicht des berühmten Hansasaales des külnischen
Rathhauses, worin dieselbe beschlossen und unterzeichnet wurde.
Links ist eine Scene aus der Vorzeit der Stadt in mittel-
alterlichem Stil dargestellt. Unter einem mit Blumengewinden
aufgezogenen Teppich, der das Wappen von Köln zeigt,
stehen zwei Schösfen in der alten rothen Konsulartracht
prächtig gekleidet, die eine Bürgerkrone und Diplome halten.
Sie werden von Patriziern und bewaffneten Zunftgenossen
 
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