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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 11.1876

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Sammlungen und Ausstellungen.

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werden ihre Thietbilder noch mehr gefallen. Die „Winter-
landschaft" von C. Malchin (Weimar) ist mit großer Sorg?
sült bis in die kleinsten Details ausgeführt. Wenden wir
uns nun den beiden Porträts zu, ivelche der Hof-Porträt-
maler Theodor Schlöpcke im Auftrage des Großherzogs
gemalt hat! Sie haben dieBeftimmung, derGalerie-Abtheilung
berühmter Mecklenburger eingereiht zu werden. Das eine
derselben ift das Bildniß des Dichters, Kunftfreundes und
Kunftkenners Freiherrn Adolph Friedrich von Schack in
München, das andere ein Selbstporträt Schlöpcke's. Beide
find Bruftbilder in Lebensgröße. Jn diesen Leistungen ift
Höheres erreicht, als bloße Aehnlichkeit. Hier ift das innere
Leben in den Zügen zur Erscheinung gebracht. Die plaftische
Ausarbe'itung der Gefichtszüge, namentlich bei dem v. Schack'-
schen Porträt, ift von seltener Vollendung. Die technische
Ausführung zeigt jene Wärme des Tons, die sehr anziehend
ivirkt. Schlöpcke verdient den besten unter den jetzt lebenden
Porträtmalern beigezählt zu merden.

X Münchener Kunstvcrein. Angefichts der iviederholten
Klagen über die Jnhaltlofigkeit unserer meiften neueren Bilder,
ivelche nur mehr als Kaleidoskope ivirken zu sollen scheinen, ift
es doppelt erfreulich einem Künftler zu begegnen, der fich nicht
blos in der Gegenwart umgesehen, fondern auch in der
Kulturgeschichte feines Volkes. Als ein solcher erweift fich
I. Weiser in seinem figurenreichen Bilde: „Ein Volks-
theater im vorigenJahrhunderte". Er hat darin den Charakter
jener Zeit, der die Regierung Ludwig's XV. ihren eigen-
thümlichen Stempel aufgedrückt, mit großer Sicherheit und
anmuthiger Leichtigkeit züm Ausdruck gebracht und fich gleich-
zeitig als ein tüchtiger Kolorist erwiesen. Weniger entsprach
Gaiser's „Beim Pfänderfpiel". Es gelang ihm nicht fo
- gut, das Typische der Zeit auszusprechen, während es den
einzelnen Personen andererse-its an Jndividualität fehlt. Von
tiefer psychologischer Wahrheit ift Herm. Schneider's „Trost-
los", ein kleines anspruchsloses Bildchen, das zwei Kavaliere
im Koftüm der Zeit Karl's I. in einem halbdunklen Gemache
zeigt, deffen Boden mit Papieren bedeckt ift. Wir wiffen
nicht, welcher Art das Unheil ist, das hier waltet, aber wir
fühlen, daß es keine Rettung mehr giebt. Louis Braun
zeigt den hochsommerlichen Fremdenverkehr am „Wachterl",
der bekannten Haltstation zwischen Reichenhall und Berchtes-
gaden, mit zahlreichen hie und da freilich etwas outrirten Fi-
guren, und I. Brandt in seinem trefflich kolorirten „An
der Fähre" eine charakteriftische Scene aus seiner polnischen
Heimat. Jn dem jüngften, lebendig komponirten und mit
männlicher Energie gemalten Bilde der Frau Biedermann-
Arendts macht fich wieder ein namhafter Fortschritt der
jungen Künftlerin bemerkbar. Jn den beiden Bildern von
Baisch halten fich das landschaftliche und das Thier-Element
derart das Gleichgewicht, daß man nicht weiß, ob man fie
als Landschaften oder Thiergenre bezeichnen soll. Jm Ueb-
rigen aber laffen fie durch Frische der Auffaffung, Leuchtkraft
der Farbe und Energie des Vortrages die meiften Werke
dieser Art, die wir in der neuesten Zeit zu sehen bekommen,
unendlich weit hinter fich und fichern dem Künftler einen
Platz unter den ersten feines Faches. Staebli folgt den
Fußtapfen der großen Landschafter des 17. Jahrhunderts
mit ficherem Schritte, wie seine groß und vornehm gedachte
Landschaft „Jm Tesfin" neuerlich beweist. Auch Kotsch sucht
durch bedeutende Maffen zu wirken, doch vermißt man in
seinen Bildern den heroischen Zug, der durch jene Staebli's
geht. Jn den prächtigen Mondnächten Xylander's und
Windmayer's erkennt man den Einfluß des zu früh heim-
gegangenen Eduard Schleich; namentlich gilt das von des
erstgenannten wackeren Künftlers „Mondaufgang in Haar-
dam". Ungewöhnlich ftark erschien die Architektur-Malerei
vertreten: Heger brachte ein fein empfundenes „Jnneres
des Lübecker Stadthauses" und Gerhardt höchft schätzbare
Aquarellen aus der Alhambra und dem Hause der Familie
Moro in Venedig. Pixis setzt mit Eifer seine Jlluftratio-
nen zu Richard Wagner's Opern fort und behandelte
zuletzt „Brunhilde, die dem durch die Feuerlohe in's Rhein-
thal hinabziehenden Siegfried ein letztes Lebewohl zuruft"
und „Lohengrin's Ankunft". Jn der Art, in welcher Wagner
seine Stoffe auffaßt und fich für seine Zwecke zurecht legt,
ift des Theatralischen so viel, daß davon nothwendig ein Theil
in die Jlluftrationen zu ihnen übergehen muß. Das hervor-

zuheben ist eine Pflicht der Gerechtigkeit, zugleich aber mag
bemerkt werden, daß es im letztgenannten, gleichfalls für die
Photographie beftimmten und'deshalb grau in grau gemalten
Bilde weniger zu Tage tritt. Watter illuftrirte Schiller's
„Neffe und Onkel" und „Parafit" mit feinem Verständniß
der gegebenen Charaktere. Weniger nahe scheint ihm der
durchaus ideale Stoff, das „Mädchen aus der Fremde" ge-
legen zu sein. Dagegen behagt fich Meggendorfer ganz
ungemein in ordinären Stofsen. Mit diesem Beiwort darf
man doch wohl Themata, wie die von ihm gewählten: „Der
praktische Handwerksbursch" und „Der belauschte Mönch" be-
zeichnen. Jener nimmt im Bach ein Fußbad und flickt sich
gleichzeitig die Hose und dieser malt ein üppiges, nacktes Weib
während 'feine srommen Brüder glauben, er arbeite an einem
Madonnenbild. G. Kauffmann zeigt uns ein paar ländliche
„Damspieler" mit köftlicher Charakteriftik und feiner Färbung;
v. Hagn eine seiner prächtigen „Gartenscenen im 18. Jahr-
hundert" deren jede ein kostbares Stück Kulturgeschichte zu
fein pflegt. Wir freuen uns herzlich zu fehen, daß der treff-
liche Künstler nach dem jüngst erlittenen Verluste seines ein-
zigen hofsnungsvollen Söhnchens in der Kunst wieder Samm-
lung gefunden. Von Th. Pökh, einem Schüler Piloty's,
sahen wir die „Beichte eines jungen Mönches" und ein
„Junges Bürgermädchen im Koftüm des 16. Jahrhunderts".
Jm ersteren Bilde weiß uns der junge Künftler tief zu er-
greifen durch die Seelenangft, die aus den Zügen des jungen
Mönches spricht; das letztere muthet uns durch das stille Be-
hagen freundlich an, das uns entgegen tritt. Von dem
theatralischen Zug, der die Piloty-Schule charakterifirt, findet
fich hier wie dort glücklicherweise keine Spur. Auch die feine
Farbe erinnert nicht an dort beliebte Effekte. Trefflich an-
geordnet, nicht minder trefflich gezeichnet und kolorirt erweist
fich R. S. Zimmermann's figurenreiches Bild: „Nach dem
Fischfang", nur würden wir die gesottenen Krebse an dieser
Stelle gern vermiffen. Karl Kronberger läßt fich durch
„die fchlechten Zeiten" nicht um feinen Humor bringen und
wir. müßten das auch fehr beklagen, denn er ist fo rar
geworden wie ein weißer Rabe. „Die Tante kommt!" das
ift ein Stoff so einsach, wie er nur gedacht werden kann, und
doch, wie köstlich wirkt das Bild mit seinen wenigen Figuren,
denen der heitere Künftler das für uns Epigonen an's
Komische ftreifende Kostüm des erften Jahrzehnts unseres
Jahrhunderts gegeben Welch' prächtiges Original einer
Tante und welch' liebliches Backfifchchen von Nichte, vom
hausbackenen Papa und anderen Familiengliedern ganz zu
schweigen! Man fieht, ein wahrer Künftler ist nie um einen
brauchbaren Stoff verlegen. Das Koftüm derselben Zeit
wählte H. Philips für seine in der erften Tanzpofition da-
ftehende Dame, die unleugbar gut gemalt ift, aber alle Welt
zu fragen fcheint, was fie eigentlich anfangen soll. Das ließe
fich zur Noth noch ertragen; ein wenig gar zu ftark aber ist
es doch zu nennen, daß der schönen Dame am rechten Bein
der linke Fuß fitzt oder doch zu fitzen scheint. Ohne alles
und jedes Kostüm dagegen fehen wir auf dem Bildchen von
O. v. Baditz „Der kleine Anbeter" ein junges Mädchen an
einem Baume lehnen, ohne Zweifel eben im Begriffe, in's
Bad zu fteigen. Zu den Füßen des Mädchens aber hockt
der Anbeter: ein Frosch! Es gehört in der That viel dazu,
dem Publikum Derartiges zu bieten. Von Heinr. Lang war
eine größere Anzahl militärischer Skizzen, Studien und
Reminiscenzen aus dem Kriege und vom Exercierplatze aus-
gestellt, alle einen charakteristischen Moment mit überzeugender
Klarheit festhaltend. Ungetheilten Beifall fand namentlich
die Skizze: „Epifode aus dem Gefecht bei Plesfis-Piquet am
19. Sept. 1870." Manuel's „Porträt eines Kindes" wirkt
durch tüchtige Modellirung und harmonisches Kolorit sehr
günstig, zeigt aber einige Schwäche in der Zeichnung, das
bekannte Erbübel der modernen Münchener Schule. Ächteten
wir Kn ab's ungewöhnliche Begabung weniger hoch, fo wür-
den wir feine „Hiftorische Landschaft" mit den bis zum Ein-
fturz fchiefen Gebäuden und absolut unmöglichen Farbentönen
mit Stillschweigen übergehen, so aber möchten wir ihn ernft-
lich mahnen, sein Auge an den Werken eines Pousfin, Claude
le Lorrain und Rottmann wieder gesunden zu laffen; nur
ein krankhaft afficirtes Auge kann die Natur fo sehen, wie
Knab fie dermal sieht.
 
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