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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 16.1881

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Richter, Jean Paul: Die Winterausstellung alter Meister in London
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https://doi.org/10.11588/diglit.5793#0157

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Die Winterausstellung alter Meister in London.

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^»i stxht cin Trompctcr. Einc zweifelhafte Wieder-
holnng ist, wenn ich inich recht entsinne, in Dresden.
^as zwcitc, ungewöhnlich dramatische Bild (Nr. l lO)
!childert Soldaten beim Gelage; der Trompeter stößt
hier m sein Jnstrumcnt (62 zu 47 om). Terborch
hat selten seine Farben so tief gestimmt wie hier. Nicht
»nnder fesselt uns sein Porträt eines holländischen
Patriziers (Nr. 80; Besitzer Sir W. N. Abdy), ein
i»ahres Wunderwcrk koloristischer Konzeption in zwei
»der drei Farbtöncn. Die Gestalt ist ganz in Schwarz
geklcidet, kein einziger Gegenstand dient zur Ausstat-
^uig der Räumlichkeit, die sich anf eine graue Wand
deschränkt. Jn der Schilderung der seineren Seiten
des Seelenlebens nimmt unter den holländischen Por-
irätisten Terborch nach Rembrandt doch wohl die crste
^telle ein.

Rembrandt ist in der diesjährigen Ausstellung
»nt nicht weniger denn vier bedeutenden Gemälden
dertreten. Jn der Nähe des letztgenannten Terborch
hangt das halblebensgroße Doppelporträt einer sitzenden
Dame und eines stehendcn Herrn, bez. „Rembrandt.
i' l633" (Nr. 75; Besitzerin Mrs. Hope). Die Namen
der Dargestellten sind nicht bekannt. Ch. Blanc be-
schreibt die Details nicht genau. Dasselbe gilt vvn
dein merkwürdigen lebensgroßen Reiterbilde des Mar-
ichall Turenne (Nr. t65; aus Panshanger). Man
»immt an, dasselbe sei 1649 gemalt, weil in diesem
^ahre der Marschall in Holland war. Eine Signatur
i)abe ich trotz langen Snchens auf der weiten Lein-
lvandfläche nicht ausfindig machen können. Sie ist
^ahrscheinlich nnter trllbgewordenem Firnis begraben.
Die Komposition ist aus der Beschreibung von Bos-
»wer nach Ch. Blanc bekannt, doch sehe ich den
Hintergrnnd ganz anders als letzterer. Rechts sieht man
iselsen, in der Mitte und links hohe Bäume. Hier
»ffnet sich unten der Blick auf einen Waldweg, auf
dem eine Staatskarvsse mit vier Jnsassen einherrollt.
^azu kommt noch ein Kntscher nnd zwei anf dem
fsinteren Tritt stehende Lakaien. Daneben hängt das
^bcnsgroße Pvrträt eines Jünglings (Nr. 161; eben-
daher), Brustbild. Die geschilderte Situation ist rätsel-
haft und scheint eine besondere Deutung zu verlangen.
^uf der Brustwehr vor dem sn tllos gesehenen jungen
dNanne liegen ein ausgeschlagenes und mehrere ge-
fchlossene Biicher; anf letzteren ein Maskc. Jn auf-
gcregter Hast.greist er nach einer roten Kappe, welche
3»»z Vvrn am Fensterrahmen hängt. Die traditionelle
^atirung und Signatur sind nicht mehr zu finden.
-d^it Übergehung eines kleinen männlichen Brnstbildcs
»»s später Zeit (Nr. 72; ebendaher), welches in der
^embrandtlitteratur noch keine Erwähnung gefunden
f'»t, verweilen wir noch einen Augenblick bei dem be-
Estntcn „Het Sint Pietcrsschepp" (Nr. 168; Besitzerin

Mrs. Hope), der Darstellung Christi im Kahn mit
seinen Jllngern beim Sturm auf dem See Tiberias.
Die Jiinger, vom Scheitel bis znr Zehe holländischc
Schiffer von trivialem Schrot und Korn, sind freilich
unllbertresfliche Typen und in den verschiedenartigcn
Situationen des Kampfes mit dem tobenden Elcmcnt
teilweis nicht vhne Humor geschildert, z. B. der see-
kranke Tropf; aber damit kontrastirt doch recht nn-
angenehm der klassisch-sein-sollenvc Judcntypus Christi,
ein Typus, wie er svnst bei Rembrandt nie wicder-
kehrt. Diese geradezu eleganten ZUge gemahnen un-
willkllrlich an moderne Weltmänner, um nicht mehr
zu sagen. Das Bild ist deutlich 1633 (nnd nicht, wic
bisher angegeben wurde: 1635) signirt.

Rubens schlt diesmal ganz. llm so glänzender
ist Van Dyck vertreten. Unter acht lcbensgrvßen Fi-
gurenbildern sind dic bedentendstcn zwci Grnppcnbilder;
zunächst die Porträts von Thomas Wentwvrth, des
ersten Earl vvu Cleveland mit sciner Gemahlin und
Tochter (Nr. 90; Besitzer Lord Strafford). Die Dame
ist wohl der imposanteste, gelungenste Typus cincr
kühlen, phlcgmatisch-vvrnehmen Lady, der je gemalt
wvrden ist. Sodann das mit 1634 datirte Familien-
bild des Grafen Johann von Nassau-Katzcncllenbvgcn
(Nr. 137; aus Panshanger). Die Fignren sind in
ihrer Zusammcnstellnng hier mehr kllnstlich arrangirt
als künstlerisch komponirt.

Die altdcutschen und altniederländischen
Schnlen sind dnrch ein paar höchst interessante Gemäldc
vcrtretcn. So Vvr allem die Anbctung der Magier mit
lebenSgroßen Figurcn aus Buckinghani Palace (Nr. 196).
Das Bild war Jahrzehnte hindurch als wertlos bci
Seite gestellt ivorden, bis kllrzlich Hcrr Doync Belt
dessen Reinignng veranlaßte, wobei die ursprllnglichen
Farben in ihrem Glanze wieder zum Vorschein kamen
und damit auch dic Signatur deS Kiinstlers. Anf dem
Steinblock im Vordergrunde rechtS befindet sich das aus
den Kupferstichen des Lucas van Leyden bekaunte Mono-

grainm . Das Bild hat mit dem bekannten Jüngsten
Gericht im Leidener Museuin, welches nun nicht mehr
als das einzige beglaubigte große Gemälde des
Künstlers gelten darf, alle Vorzüge, aber auch alle
Mängel gemein. Übrigens zeigt das Londoner Bild
in der Ausfllhrung erhebliche Ungleichheiten. Eine
Kreuzabnahme (Nr. 229) ans der Sammlung der
Hon. Mrs. Mcynell Jngraui führt sehr mit Unrecht
den Namen Dürers. Jch wage kein bestimmtes Urteil
abzugeben, doch haben wir es wohl mit einem Werke
Zeitbloms zn thun, vielleicht dem einzigen inEngland.

Unter den älteren italienischen Bildern kann inan
die Benennungen Peruzzi, Pinturicchio, Pierv della
Francesca, Masaccio, Dom. Ghirlandajo den Besitzern
 
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