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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 14,2.1901

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Heft 20 (2. Juliheft 1901)
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.7962#0352

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blick zu beleuchten — wenn auch aus
„anderen" Gründen.

Zunächst versicherteHerrvonSchön-
than, dah durchaus nicht — rvie die
Laien meistens wohl glaubten — die
Witze allein für ein Theaterstück aus-
reichten, sondern datz dessen und O
die Situation sei. Das Verhältnis
zweier„Dichter" eines derartigen„Lust-
spieles" vergleicht er mit einer Ehe,
und er führt diesen Vergleich nicht
ohne Geschick bis zu Ende durch. Man
wird sich nun fragen, sagt er dann,
warum denn übethaupt zwei oder
gar drei Nutorcn sich zur Erzeugung
eines Stückes verbinden. Daran,
lautet die Antwort, sind die bis zur
Unerfüllbarkeit gesteigertcn Ansprüche
des übersättigten Publikums Schuld.
Die Unsumme von Einfällen, wclche
dieses Publikum verlangt, kann ja
ein Mann garnicht aufbringen, „der
Aufwand läht sich eben wirklich nicht
mehr aus einer Tasche bestreiten" —
und das Rechenexempel ist doch ganz
klar: zwei Leute vercint sind immer
stärker als ciner allein. Wie schade,
datz Lessing das entgangen ist! Wie
wäre seine „Miuna von Barnhelm" ge-
worden, wenn er sich zwccks Mehrung
der Einfüllc einen Kompagnon en-
gagiert hätte!

Aber Schönthan ist ehrlich; er ge-
steht, datz „Dichterwerke im eigentlichen
Sinne aus dem Wege der gemein-
samen Arbeit nicht leicht cntstehen
können." „Um einen wirklichen dich-
terischen Drang im künstlerischcn Sinne
zu befriedigen, dazu brgucht man
keinen Mitarbeiter." Weitz er das,
nebenbei gesragt, aus eigener Er-
sahrung? „Jm Gegenteil", heiht es
weiter, „ein solcher würde nur stören,
und es gibt Leute unter uns, die bei
einer stimmungsoollen poetischen Ar-
beit nicht einmal die Anwesenheit
eines Zweiten in ihrer Dichterklause
vertragen." Hier, scheint uns, wäre ein
Fortschritt gegen das achtzchnte Jahr-
hundert zu verzeichnen, denn Bodmer

Uunstwart

machte bekanntlich dem ihn besuchendcn
Klopstock den Vorschlag, sie wollten
beide regelmätzig zu festgesetzter Zeit
und an demselben Tische dichten, und
war entsetzt, als er hörte, datz der
Dichtcr des Messias nur in Stunden
der Begeisterung die Feder zur Hand
nähme. Aber um Messiaden handelt
sichs ja bei Schönthan nicht. Lustige
Stücke, meint er, versprechen unbe-
stritten mehr Ersolg, wenn sie Kinder
solcher Ehen sind. „Geht's schief, nun,
dann muh sich jeder denken: Mit-
gefangen, mitgehangen! Sind's mutige
Männer, so sagen sie: darum keene
Feindschaft nich I reichen sich aufs
neue die Hände und beginnen aber-
mals ein dramatischcs Ei mit zäher
Ausdauer zu bcbrüten."

Zum Schluh gibt Schönthan noch
treffliche Regeln für solche, die sich zu
derartigen „Geistesehen" entschlietzen
wollen. Dann rät er dem, der's nicht
gerade nötig hat, sich derartig zu
„verheiraten", doch lieber mit seiner
Arbeit — Junggeselle zu blciben.
Wir nehmen mik Dank von dem Be-
kenntnisse Akt, das hier zwischen den
Zcilen steckt: nämlich dah er, Herr
von Schönthan, es nötig hat. Denn
warum thät' er cs sonst?

Franz Lüdtke-

Tke»ter.

"Dresdner Theater.

Das kgl. Schauspielhaus wird nun
übcr zwci Monatc feiern. Das ist gut.
Durch die Länge der Fericn wird
wenigstens angcdeutet, datz der Theater-
besuch etwas sein soll, was man nicht
alle Tage haben kann. Sollte sich
freilich der Plan verwirklichen, cin
zweitcs kgl. Schauspielhaus in der Alt-
stadt zu errichten, so würde man dcn
guten Brauch einschränken. Die
Fremden, die jetzt trotz der vier Elb-
brücken den Wcg nach der Neustadt
nicht finden, werden dann schon ihre
Schuldigkeit thun. Die lieben Fremden I
Deutscher Schauspielkunst haben sie
noch wenig gefrommt und werden sie

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