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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 39,2.1926

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Heft 8 (Maiheft)
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Spunda, Franz: Ritt über den Taygetos
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https://doi.org/10.11588/diglit.8000#0114

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Alt-Wälder sind's! Die Eiche starret mächtig
Und eigensinnig zackt sich Ast an Ast;

Der Ahorn rnild, von süßem Saste trächtig,

Steigt rein empor nnd spielt mit seiner Last.

Und mütterlich im stillen Schattenkreise
Qnillt laue Milch bereit für Kind und Lamm;

Dbst ist nicht weit, der Ebnen reise Speise,

Und Honig trieft vom ausgehöhlten Stamm.

Hier ist das Wohlbehagen erblich,

Die Wange heitert wie der Mund,

Ein jeder ist an seinem Platz unsterblich:

Sie sind zufrieden und gesund.

Das lieblichste und zugleich erhabenste Bild ist vor ung: Trypi mit selnen Ahorn-,
Kastanien- und Platanenwäldern, hart an abschüssigen Abstürzen, tief unten, ganz
unbestimmbar weit die Eurotasebene und links von unö die Langadaschlucht wie
ein Höllentor, die riesigen Steilhänge des Taygetos.

Und duldet auch auf seiner Berge Rücken
Das Zackenhaupt der Sonne kalten Pfeil,

Läßt doch der Fels sich angegrünt erblicken.

Grün waltet vor. Kein Alpental kann reizvoller wirken. Jn zarten Fäden stürzen
Wasser in tiefen Sprüngen herab, der Boden dampft im feuchten Hauch Er-
qui'ckung.

Wir rasten unter dem Weinlaub des kleinen Gasthofs und genießen, Mcnsch und
Tier, die wohlverdiente Ruhe. Ein Huhn wird geschlachtet und am osfenen Feuer
qebraten. Lamprenoö träufelt P>l darüber, daß cs lustig prutzelt und prasselt. Nanö
bekommt einen Armvoll Maulbeerblätter und säuft aus dem Steintrog, bis der
Bauch zum Platzen voll ist. Wir knabbern indes an dcm leckeren Mahl, ohne
Besteck, das Öl trieft uns von den Fingern in die Ärmel; aber eS fchmeckt herrlich!
Dazu gibt es Pfirsiche, Wassermelonen, Käse, Weißbrot und Wein. Dem Agogiatcn
gefällt eS hier sehr gut und er möchte gar nicht weiter. Aber es hilft nichts, es
muß sein, wir brechen auf und ziehen weiter in die Schlucht, deren Wände immcr
enger aneinander rücken. Bald sind wir auf ihrem Grund, der von immergrünem
Buschwerk und Bäumen durchwachsen ist, so daß wir im Schatten wandern.
Hier dringt kein Windhauch jemals ein, dic Luft duftet nach verfaulendem Laub,
daß es sich beklemmend auf die Lunge legt. Manchmal ist die Sohle von Blöckcn
verrammelt, daß man am Abhang hinüberklettern oder sonstwie umgehen muß.
„Den inä khindinos", es ist keine Gefahr, sagt der Führer, abcr ich habe das
unheimliche Gefühl, daß jeden Augenblick einer der lose aufliegenden Steine
inS Gleiten kommen und uns in den Abgrund reißen könnte. Doch man stumpft
gegen die Gefahr allmählich ab, und ich vertraue mich blindlings dcn sicheren
Tritten der wackeren Nanö an.

Unzählbar sind die überraschenden Formationcn der Schlucht. Bald weitet sie sich
zu einer Mulde, in der sich das Sonnenlicht in tausend Reflexen der farbigen
Glimmerwände bricht; bald schließt sie sich zusammen zur beklemmenden Klamm,
in der der Atem stockt und der kühle Verwcsungsgeruch die Sinne betäubt; es
riecht nach verfaulten Morcheln und dnmpfigem Holz. Riesige Baumstämme,

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