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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 39,2.1926

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Heft 8 (Maiheft)
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Kaphahn, Fritz: Von einer südspanischen Reise
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https://doi.org/10.11588/diglit.8000#0118

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sich in schnellem Siegeszug fast ganz Spanien nnterwarfen, diese Kulturkraft war
es, dke dem Lande derart ihre Züge aufprägte, daß die Spuren früherer Mlker faft
völlig ausgelöfcht wurden.

Wenn man heute die großen Stätten arabifcher, oder wie wir auch sagen maurifcher
Vergangenheit in Südspanien durchwandert: die große Mofchee (jetzige Kathedrale)
zu Cürdoba und die Alhambra zu Granäda, so sind es zwei Züge, die immer wieder
in ihrer Bedeutung für das Wesen arabifchen Geiftes hervortreten: die unan-
schanliche, rein abftrakte, dabei feft gezügelte, unkonftruk-
tive Phantasie und damit zusammenhängend der überwu-
chernde Familien- und Sippensinn dieser M enschen. Die erfterc
ift der Quellpunkt für Kunft und Wissenfchaft, der letztere dic wichtigftc soziologifchc
Boraussetzung für Siedelung nnd Politik der Arabcr.

Wer Spengler gelesen, wird bei'm Betreten der Mofchee zu Cördoba und des
Palacio arabe auf der Alhambra sehr bald an die späte Gotik und daö Rokoko
denken. Und in der Tat finden sich tiefe Ahnlichkeiten: die gleiche Myftik nnd
fiebernde Religiosität in Mofchee und Kathedrale und die gleiche Sinnenluft und
losgelöfte Jntellektualltät in Petit Trianon und im Schloß Mohameds V. Aber
in noch gefteigerkem Maß macht sich das völlige Anderssein der arabifchen
gegenüber der abendländifchen Kultur geltend. Was ift das für eine Ärmlichkeit,
mit der im zweiten und dritten Mirhab (Gebetsnifche) der Mofchee zu Cördoba die
konftruktive Aufgabe der Kuppelwölbung gelöft ift! Wie technifch primitiv, man
möchte faft sagen: ausftellungsmäßig, sind die Paläfte der Alhambra gebant!
Und doch welch betörende, hmreißende Schönheit liegt in diesen fragilcn Säulen,
ihren Proportionen und ihren Anordnungen, welche magifche Anziehnngskraft in
diesen tansendfältigen Arabesken, die die Wände in ihrer vollen Ausdehnung über-
ziehen, welch märchenhafte Pracht in der braunen Holzdecke des Gesandtensaales,
dessen flimmernde Jnkruftationen die ftrahlende Schönheit des südlichen Sternen-
himmelö vortäufchen. Es gibt ei'nen Durchblick vom sogenannten Saal der beiden
Schweftern durch das zum Löwenhof führende Frrifter des oberen Stockwerks in
der Alhambra, der an künftlerifcher Fei'nheit und raffinierter Anordnung der Bau-
teile im ganzen Abendland kaum sei'nesgleichen findet. Und trotz dieser anfcheinend
unübersehbaren Ornamentik und Gruppierung keine Verwirrung, kei'ne Onal des
nachtaftenden Auges! Woher kommt das? Hier erfchließt sich eine Eigentümlich-
keit vi'elleicht nicht bloß des arabifchen, sondern des scmitifchen Geiftes überhaupt,
die ihn in seiner ganzen fcharfen Gegensätzlichkeit zum abendländifchen Gei'ft ent-
hüllt. Man hat gesagt, die arabifche Kunft ftellc kein organifches Leben, vor allem
keine Menfchen dar, weil es der Koran verbiete. Aber es ift fchon oft darauf
hingewiesen worden, daß die literarifche Kunft der Araber, namentlich ihre Lyrik,
durchaus nicht so koranfromm gcwesen ift und neben der Liebe auch den Wein
(dessen Genuß bekanntlich der Koran verbietet) und den Weinraufch gepricsen hat.
Die Erklärung für die Eigentümlichkeit der arabifchen Dekorationskunft fcheint mir
viel tiefer zu liegen. Aus einer beftimmten Grundkraft der arabifchen Seele her-
aus treibt es diese, sich nicht anfchanliche, organifch bewegte, irgendwie in unbe-
grenzten Raum ansmündende Li'nien oder Figuren vorzuftellen, sondern in fcfter,
in Rechtecken erfolgender Begrenzung der zu fchmückenden Flächen nnd in zu-
nehmend geometrisierender Abwandlung organifcher Fornien die dckorative Auf-
gabe zu lösen. Die arabifche Kunft hat sich die Darftellung orgam'fcher Formen
nicht verbieten lassen, sondern sie hat sie von sich aus nicht gewollt. Die Rokoko-
ornamentik des Abendlandes ift ertensiv, in willkürlichcn Linien nnd Rhythmen
in den unbegrenzten Ranm hinausfchwi'ngend, die arabifche Ornamentik ift lntensiv,
in feftem, oft sehr engbegrenztem Rabmen und in tausendfältigen, nbftraktcn
 
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