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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 6.1892-1893

DOI Heft:
Heft 5 (1. Dezemberheft 1892)
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Tritonus: Einiges über die Oper
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https://doi.org/10.11588/diglit.11727#0072

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Lrstes Dezember-Dett t§92.



5. Stück.

Lrscbetnt^ ^ Derausgeber: ^ KesrellprLts:

jeden Monats. ^erbbt^^tb ÄVeitÄrlttS» Anzeigen: Z gesp.Nonp.-Zeile40pf.

6. Zgkrg.

Liniges über die Gper

ohl bei keiner anderu nwdernen Knnst-
nbung stoßen wir anf so viele anseinander-
gehende Meinnngen wie beim Opern-
wesen. Von diesen als knnstlerische Ge-
schmacksverirrung heftig bekämpft. gilt die Oper jenen
als höchste Errungenschast der Musilentwicklnng. Der
sieht in ihr nicht viel mehr, als eines unter den
viclen Mitteln, den Abend angenehm zu verbringen,
jenem bietet sie künstlerischen Gennß, der weiterwirkt.
Eine Verschiedenheit der Ansichten, aus der mit
Wahrscheinlichkeit doch wohl das eine hervorgeht, daß
jedenfalls die Oper als Kunstgattung lebensfähige
Kcime in sich haben mnß, die nicht zu töten sind.

Es ist lehrreich zu beobachten, daß die einander
nnnnterbrochen bekümpfenden Ansichten von alters
her thatsächlich anch die Entwicklung der Oper selbst
beeinflußt haben. Sie wnrde gehemmt, gefördert,
nach rechts, nach links abgelenkt, je nachdem die einc
oder die andere Anssassung eine Zeit lang vor-
herrschte.

Jn ihrer jetzigen Gestaltnng ist die Oper ein
Erzeugnis der neuen nnd nenesten Zeit. Zwar hat
sie nicht, wie heute noch vielfach behauptet wird
(man kann es sogar noch in neueren Musikgeschichten
lesen), plötzlich um das Jahr 1600 iu Florenz das
Licht der Welt erblickt. Die Wurzeln, woraus all-
mählich das „Drairlrna por musioa^ als eine Knnst-
sorm herauswuchs, reichen weit znrück ins Mittelalter.
Wenn auch nicht in Abrede zu stellen ist, daß mit
der Erfindung und Nutzbarmachung der Monodie
im Bunde mit gleichzeitigen gelehrten Bestrebungen von
Florentiner Altertumsfrcnnden, das griechische Drama
zn rekonstruiren, die Entwicklung der Oper am stärksten
gefördert wurde. Die alleu Völkern gemeinsame
uralte Neigung sür dramalische Schaustellungen, wie
sie in den Mysterien, den kirchlichen Schauspielen,
den Fastnachtsspielen des Mittelalters ihren Aus-

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druck fand, gab den ersten Anstoß. Glänzendc Spicle
bei fnrstlichen Hochzeiten odcr svnstigen vornehmen
Festlichkeiten zeigen sehr hänfig in ihrcm Znsammcn-
wirken von Dekorationen, Tänzen, Gesang nnd I»-
strumentenspiel die Oper schon vorgebildet, nicht
minder weisen Schäscrspicle, wie sie dem Geschmacke
des sechszehnten Jahrhunderts eigen waren, und
endlich nach nnd nach mit eingeschobenen Rezitativcn
und ariosen Sützcn crwciterte Madrigale auf sie hin.
Allerdings geschah es erst in Florenz, daß die ihrcm
Wesen nach schon vorhandene Knnstgattuiig als
Vramrna por rnusiea so zn sagen ofsiziell hervortrat.

Wir sehen, das Entstchcn der Oper war keincs-
ivcgs das Ergebnis einer nbcrspannten Gennßsucht,
noch handelt es sich um eine zufälligc Ersindnng.
sondern die Opcr wnchs organisch und mit allcr
natürlichen Folgerichtigkeit aus vorhandenen Elcmcntcn
heraus.

Um die Mitte des vorigen Jahrhunderts herrschtc
an den Höfen die durch ihre sinnlose Prniikenfaltniig
die si'irstlichcn Geldbentel erschöpfende italienische Opcr
— ein Niischmasch von dramatischem Unsinn und
leerem Singsang. So ziemlich die ganze griechisch-
römische Göttenvclt finden wir hier zu Opern ver-
arbeitct, den alten Damcnsreund Zeus-Jupitcr. den
wohl ein fetter Kastrat mit seincr Oboenstimme sang,
Frau Hera, Vcnns nnd Adonis, wie sic zierlich und
galant anf Stöckelschnhcn stelzen nnd schweben nnd
mit siißen, langgezogencn Töncn neben den Passagen
nnd Trillern ihres Koloraturgegirrs sich anschmachten.
Rcichlich so trcn, wie in den Ban- nnd Bildiverken.
spiegelt sich der Gcist dcs Rvkokos in dcn danialigcn
italienischen Opern wiedcr, ja, das damals in höchstcr
Blüte stehcnde Opcrnwesen bildet ein wichtiges Kapitcl
zur kultur- und knnstgeschichtichen Benrteilung jener
Zeit. Glucks Opernrefvrm bekämpfte in erster Reihe
den alles nberwuchernden nnd aller dramatischen

— os --
 
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