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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 6.1892-1893

DOI issue:
Heft 16 (2. Maiheft 1893)
DOI article:
Schumann, Paul: Die Künstlerische Erziehung der Jugend, [3]: die Universität
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https://doi.org/10.11588/diglit.11727#0248

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Lvveites /ldai-Dekt 1693.


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16. Stück.

Lrscbeint

am Anfang und in der Mitte

Derausgeber:

Ferdinrmd Avenarius.

Kcstellpreis:
vierteljährlich 2 >/z Mark.

6. Zildra.

Dte künstleriscbe Lrziebung der Zugend.

3. Die Muversität.

uch auf unseren Universitäten ist für die Er-
ziehung zur Teilnahme am Kunstleben der
Gegenwart nur schlecht gesorgt. Zwar haben
sie einen doppelten, einen praktischen und einen
theoretischen Kunstunterricht, von welchen den einen der
akademische Zeichenlehrer, den andern der Professor der
Kunstgeschichte erteilt. Aber zu rechter Ersprießlichkeit ge-
deiht keiner von beiden.

Der Zeichenunterricht an den Univerfitäten ist uns
vom vorigen Jahrhundert überliefert worden, aber in
anderm Sinne ward er gegründet, in anderm Sinne wird
er jetzt ausgeübt, oder vielmehr: in anderm Sinne wirken
jetzt die akademischen Zeichenmeister. Denn das ist es
eben: der Zeichennnterricht ist gar nicht mehr ihre
Hauptthätigkeit, sie sind aus Lehrern von Stndenten aller
Fakultäten im Wesentlichen zu zeichnenden Hilfsarbeitern
der Prosessoren für medizinische und naturwissenschaftliche
Fächer geworden. Die Notwendigkeit solcher Hilssarbeiter
wird Niemand bestreiten, aber das Zeichnen anatomischer
Präparate zu wissenschaftlichen Zwecken ist etwas äußerlich
ähnliches, aber dem Wesen nach ganz anderes als freie
Kunst: es macht zur Erteilung des Zeichenunterrichts auf
srei künstlerische Zwecke hin untauglich. Lange glaubt,
daraus den schwachen Besnch des Zeichenunterrichts an den
Universitäten wenigstens teilweise erklären zu können. Einen
andern wichtigen Grund für seinen Verfall fieht er aber „in
dem Aufkommen einer besondern von den Univerfitäten
unabhängigen technischen Erziehung" durch die Ablösung
des technischen Hochschulwesens von der allgemeinen
aklrm mnter. „Man empfand früher viel stärker als

heutzutage die Znsammengehörigkeit der verschiedenen Bil-
dungseleniente, man war sich der Notwendigkeit einer
harmonischen Entwicklnng aller Kräfte nnd Jnteressen viel
stärker als gegenwärtig bewußt. Seitdem dagegen einer
gesteigerten Spezialisirung zu Liebe Fächer wie Architektur
gar nicht mehr zu den Universitätsfächern gerechnet wurden,
ergab fich daraus gleichzeitig die Folge, daß auch ein
damit zusammenhängendes allgemein bildendes Fach wie
das Zeichnen mehr und mehr an Bedeutung abnahm.
Die Neigung, alle Erziehung wo möglich in einzelne Fächer
zu gliedern und diese Fächer möglichst scharf von einander
zu trennen, greift gerade neuerdings immer mehr um sich.
Sie ist ja teilweise in der Entwicklung der Wissenschaften
selbst, die eine strengere Arbeitsteilung nötig macht, begründet.
Aber man sollte nicht verkennen, daß sie große Gefahren
mit sich bringt. Den größten Schaden haben davon die
technischen Hochschulen gehabt. Giebt es doch immer noch
solche, an denen allgemein bildende Fächer wie Geschichte,
Literatur, Volkswirtschaft nicht oder wenigstens nicht
ordentlich vertreten sind, und hatten doch bis vor knrzem
nicht einmal alle technischen Hochschulen ordentliche Pro-
fessuren sür Kunstgeschichte! Es mag ja in den Augen
unserer leitenden Finanzmänner schmerzlich sein, daß man
jetzt, nachdem sich die technischen Hochschulen so kräftig
entwickelt haben, diejenigen Fächer, die bisher schon auf
den Universitäten eine teure Vertretung sanden, nnn auch
noch an ihnen vertreten lassen muß. Aber da fich der
Staat einmal den Lupus gestattet hat, die wissenschaftlich-
technische Erziehnng von der rein wissenschaftlichen zu trennen,
so muß er auch die Konsequenzen dieses Schrittes ziehen.

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