Anffyssiuiflen. Nuu wivd jedc stuikc Persönlichkeit
von den Gewohnheiten ihres Jchs lcicht zn Manie-
lismen gesührt, wcnn sie einmal ermüdet — auch
die Duse ist in solchen Fällen von Manierismen
uicht immer frei. Aber auch all jene ihrer Besonder-
heiten, die ursprünglicher Ausdrnck gerade ihrer Per-
sönlichkeit sind, würden ja sofort zu Manierismen
bei irgend einer fremden, also in jedem Nachahmer.
Die Wiitiiug dcr Duse aus das Publilum jedocb
uud durch dieses ihre mittelbare Wirkung aus
die Schauspieler wird groß scin. Zum miudestcu
das sich tragifch geberdende Kulisseureißertum ivird
bei uus küuftig zweifelsüchtiger aufgenommeu und das
Verlangen nach einer tieferen und cdlcren Anffassuug
des Schauspielerberufs wird allgemeiuer werdeu.
wenn es auch niemals allgemeiu werden kanu.
DLcdtung.
Scböne Lireratur. XI.
Letzte Lieder von Wilhelm Jordan.
a. M., W. Jordans Selbstverlag.)
Es ist eine Frende, in diesem Buche zu lesen. Jch kann
zwar Jordan beim besten Willen nicht sür einen so großen
Dichter halten, wie das seine engere Gemeinde thut und vor
allen er selber, der z. B. in einem der vorliegenden Gedichte
als ganz selbstverständlich sein Vermvgen hinstellt, einer
teuren Geschiedenen durch sein Lied „als Liebeslohn Un-
sterblichkeit zu zahlen". Was der vorliegende Band enthält,
ist auch zum grvßten Teile überhaupt uicht reine Poesie,
iondern Gabe einer begeisterten Redekunst, ist nicht ein Ge-
stalten des inneren Sehens und Empfindens, dem das voll-
endete Objektiviren des Seeleninhalts das höchste ist, sondern
ein Predigen und Preisen, das immer den Hörer im Bewußt-
sein hat, dem es ans Herz greifen will. Aber was ist
dieser Prediger und Preiser sür ein Prachtmensch, wie gesund
ist er und wie ist er Mann! Auch sür Jordan blüht das
Alter „wie greisender Wein" — es ist eine Krast, ein Feuer
in seinen Äußerungen, die das Reckenhaste seiner Natur unsern
I<in-6e-siscIs-Menschen erscheinen lassen muß wie ein leben-
diger Vorwurf, der weit unangenehmer ist, als manches
gelegentliche Krastwort des Franksurter Alten gegen ihr
„Jüngstertum".
Denn über die Gegenwart urteilt Jordan nicht immer
gerecht. Wenn er Mendelssohns feiernd gedenkt und einen
Georg Ebers gar zweimal in Versen begrüßt, die er des Ab-
drncks für wert hält, so wird er schon deshalb verzeihen müssen,
daß uns sein kritisches Urteil in Kunstdingen nicht das einer
nnbedingten Autorität ist. Die „moderne Dichlerkunst" ift
denn doch nicht bloß, „zu reizen, schüren, selbst mit Höllen-
dunst", so viel sich von dieser nützlichen Thätigkeit leider
aus ihr nicht wegläugnen läßt. Auch Jordan leidet darunter,
baß er gleich so vielen trefflichen Alten, trauernd über das
Welken von älteren Jdealen, von Jdealen seiner Jünglings-
zeit, das Keimen neuer Jdeale nicht sieht — ich meinerseits
bin überzeugt, Laß die Zukunft dem Boden der Gegenwart
gerade wegen seines Nährwertes sür von der Obrigkeit und
den sogenannten „oberen" Zehntausenden nicht gepslegte
Jdeale ein sehr gutes Zeugnis ausstellen wird. Aber Jordan
sieht bei all dem „Moderncn" nur das, was ihm Schmutz
ist, weil es im alten Sinne häßlich ist. So sagt cr dcnn den
„Modernen" zwar manche wohlverdiente Derbheit, wirst aber
verdammend Sünder und Gerechte wegen nur äußerlicher Ähn-
lichkeiten in dasselbe Höllenseuer. Er dürft' es ruhig glauben :
anch unsre Jungen werden, soweit sie wirklich Dichter und
soweit sie bereits wirklich erwachsene Leute sind, nur zu einem
kleinen Teile nicht unterschreiben wvllen, was der alte Barde
als Forderung an die Poesie seiner Sehnsucht hinstellt:
Aus jeder Staffel, welche wir ersteigen,
Die nächste vorzuschaun, nach ihr die Richtung
Zum Weiterklimmen ahnungsvoll zu zeigen:
Das bleibt der heilige Berus der Dichtllng
Bis unser Stern entstürzt dem Sonnenreigeu
Zur Neugeburt nach feuriger Vernichtung:
Doch h»lb kaum sertig, waun sich die vollzieht,
Wird ausgesungen sein das Götterlied.
Tas ist nur die Sache: „die nächste Stasfel" sieht das heut
jugendliche Geschlecht anderswo, als bas, dem noch Jordan
angehört. Jn wcm das gewaltigste Problem unsrer Zeit, das
soziale, so weit hinter andern zurücktritt, wie in Jordan, der
steht ihrem innersten Ringen zu sremd gegenüber, als daß er
ihre Jugend richtig beurteilen könnte.
Die Menschen der She. Bou John Henry
Mackay. (Berlin, S. Fischer).
Die Medanken, die John Henry Mackay, der Anarchist,
vertritt, sind nicht von ihm selber gesundcn, soudern nur an-
genommen worden, da er sie aber mit sehr starken Sicher-
heitsgefühlen in der leicht verständlichen Form von Tendenz-
dichtungen versicht, so hat er für einen unselbständigeren Teil
des jüngeren Geschlechts die Bedeutung eincs Führers. Eben
deshalb hat ein Blatt, das von der Jdeenbewegung der Zeit
Spiegelbilder geben will, die Pflicht, sich auch mit seinen
Büchern zu beschästigen.
Mackay steht auf dem Boden der sreien Liebe. Die
„Menschen der Ehe" sind für ihn die „Menschen der Enge
im Gegensatz zu den Menschen der Weite; Menschen, die nie
in Konflikt kommen mit ihrer Umgebung, da sie alle Ge-
schicke — alle, welche aus den Menschen Hände kommen
als von Gott ihnen auferlegt betrachten: Menschen der kleinen
Zufriedenheit, welche ihr Glück finden in den Winkeln des
Tages, immer an dem einen Tische unb immer an derselben
Brust; Menschen, welche nicht wissen, was es heißt, sich Ver-
sprechen aus Lebenszeit zu geben, weil sie nicht wissen, was
cs heißt: zu leben; Menschen der Stagnation, nicht Menschcn
der Bewegung; Nnmmern, aber Nummern, welche zu Zahlen
wcrden und wclche ich deshalb haffe!" Jn solchen Ehen „be-
mitlcidet dcr Mann heimlich die Frau, wührend die Frau ihn
heimlich belüchelt", und was in ihnen „Glück genannt wird,
ist Zufriedenheit. Und was Zusriedenheit scheint, ist nur
Gewöhnung — jene Gewöhuung der schwächlichcn Ohnniacht,
welche davor zurückschaudert, Ketten zu brechen, und in seiger
Nachgiebigkeit Schritt sür Schritt zurückweicht, Stück um Stück
ihrer eignen Würde, ihrer eignen Freiheit und ihres eignen
Glückes opsert, um das zu werden, was eine alberne Öffcnt-
lichkeit einen guten Ehegatten, ein treues Eheweib nennt."
Was sich dagegen sagen läßt, daß aus der Verallgemcinerung
solcher Beobachtungen ein Verdammungsurteil gegen die Ein-
richtung der Ehe überhaupt abgelcitet werde, ist hundertmal
gesagt und auch von Mackay um so weniger widerlegt worden,
als er uns gar keine Falle von unglücklichen Ehen vorführt,
in denen tiefe und ernste Ko nslikte von Pflichten und Rechten
vorliegen. Daß seine Schilderung auf eine sehr große Zahl,
möglicherweise sogar auf die große Mehrzahl der modernen Eben
Ikundscbau
lFrankfurt
»I—.
- ss -