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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 6.1892-1893

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Heft 1 (1. Oktoberheft 1892)
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Rundschau
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.11727#0018

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schcmlich darstellt und die einschlägige Litercitur wohl beherrscht.
Nur iu der Frage der Farbigkeit dcr griechischen Plastik sind
ihin die neuesten Ergebnisse entgangen. Es sei noch bemerkt,
daß das Werk in Druck, Papier und Bilderschmuck eine ganz
hervorragende Leistung der Verlagsanstalt und dabei im Ver-
hültnis zu seiner Ausstattung außerordentlich billig ist. *

jdaul Schumann.

* Anmerkung der „Kunstwart-Leitung": Die Firma
Benziger Sc Co. sandte an den Kunstwart-Verlag einen Jn-
sertionsauftrag sür den „Kunstwart" und das „Kunstgewerbe",
der zu vollziehen sei, w enn nach beiliegendem Material, also

ohnc Prnfung des Werkes sclber, eine „rcdaktionelle
Empf eh lung" erschiene. So lange der „Kunstwart" besteht,
ist ein Ansinnen wie dieses, in dem wir nichts als einen
feineren Bestechungsversuch sehen können, noch nicht an uns
gestellt worden. ^ Es geht uns nichts an, wie die große katho-
lische Firma diese Geschäftspraxis mit ihren sittlichen Grund-
sätzen zu vereinigen weiß, wir halten uns aber für verpflichtet,
im Jnteresse einer sachlichen Kritik sowohl wie im Jnteresse
jenes deutschen Verlagsbuchhandels, der solche Mittelchen ver-
schmäht, den Fall zur öffentlichen Kenntnis zu bringen.
Unserer Besprechung des Werkes selber wird man irgend-
welche Befangenheit nicht ansehen.

Lose Matter

* Jn Jena ist Ndolt Iborwicz gestorben, jener
ausgezeichnete Psychologe, der besonders durch seine l867
von der Straßbnrger Akademie gekrönte Preisschrift
„Grundlinien eines Systems der Acsthetik" zu den scharf-
sinnigsten Verfechtern einer voraussetznngslosen Wissenschaft
vom Kunstschaffen und Kunstgenießen gehört.

» Auf dem letzteu iuteruationalen Ilrongress tür
Lrpcrimental-DsLcbologie wurden einige Vorträge ge-
balten, die auch nnsere Beachtung fordern. So gab Or.
Lightner Widmer aus Boston mit einer Rede über „die
ästhetische Bedcutung der mathematisch en
P roportion sür einfacheF o r m en " einen „ Beitrag
zur experimentellen Ästhetik". Er ging auoführlich auf
Zeisiugs Arbeiten über den „goldenen Schnitt" ein und
suchte die Ausführungen dieser Gelehrten als willkürlich
und fehlerhaft nachzuweisen. Mit gleichem Rechte, wie die
nureu seetio, könne man andere mathematische Verhältnisfe
auf die künstlerische Form übertragen, während sich nach
Widmers Ausfassung das Gefallen an ästhetischen Formen
schließlich in das Gesetz des ästhctischen KontrasteS auflöst.
Or. Wallaschek von London sprach dann über „die Bc-
deutnng der natürlichen Zuchtwahl für die Ent-
wicklung der Musik" — er ging auf dic Bewegung
uud den Rhythmus als Grundlagen der Ncusik zurück
und betonte besonders ihren engen Zusammenhang mit der
Entwicklung der fozialen Triebe, für die sie von se ein
wichtiges Fördcrungsmittel dargcstellt habe. Auch die vou
Richel verleseue Arbeit Lombrosos übcr „die Sensi-
bilität des Weibes" ist für uns nicht unwichtig —
den Jtaliener führcn seine Untcrsuchungen zu der Ansicht,
daß die Schmerzempsindungen bei der Frau im Allgemeinen
geringer seien, als beim Mann, daß dort die Erregbarkeit
aber größer und der Ausdrnck des Schmerzes also leb-
hafter sei. Der Berliner Professor Elbinghaus sprach
„zur Theorie des Farbenscheus", C. L. Franklin gab
„eine neue Theorie der Lichtempfindung", Professor Hugo
Münsterberg bchandelte „die psychologische Grundlage der
Gefühle". Doch führten diese Vorträge nicht zu Ergebnissen,
die für die Ästhetik wichtig scheinen. Vielleicht kommen
wir auf diese oder jene Erörterungen der Versammlung
noch zurück.

^ 'llMo bleiben die Kücberscbrünke? Das zu

sragen war man auch auf der Berlincr Ausstellung von
Wohnungs-Einrichtungen versucht. „Hie . und da trifst
man wohl aus ein kleines Anhängsel, das einen Bücher-
schrank vorstellen soll; das ist aber Alles." Und so wirft
eine kunstgewerbliche Ausstellung einen in seiner Deut-
lichkeit unmöglich zu übersehenden Schlagschatten auf das
Lileraturbedürfnis jencr Gesellschaftskreise unseres Volkes,
die von den Verfertigern von Luxusmöbeln als ihr
Publikum betrachtet werden.

* Tbeaterausslattung und Mlobnungseinricblung

waren früher ganz verschiedene Dinge, sind's aber nicht
mehr. Außerordentlich bczeichnend in dieser Beziehung
war Einiges, was die Wiener Theaterausstellung nnd die
Berliner Ausstellung von Wohnungseinrichtungen zu seheu
bot. „Wir haben jetzt in Berlin," schreibt ein Bericht-
erstattcr der „Weserztg.", „ungefähr zwölf Bühnen, die
redlich bemüht sind, ihre mehr oder minder realistischen
Aussührungen durch moderne, zum Teil sehr lupuriöse
Zimmerausstattuugen zu staffiren. Das genügt grade,
um den Geschmack weiter Kreise anzustccken. Kein Wunder
mithin, daß man auf dcr Wiener Theater- und Musitz
ausstellung bei mehreren Zimmereinrichtungen, die in nichts
abweichen von den Ausstellungen der Berliner Firmcn
Groschkus, Ehrenhaus, Vogts, Prächtel, Weinmaun, 9eein
hardt, Plakate mit den Worten sindet: »Angekauft von
Herrn Direktor B. für das Lessingtheater in Berlin,«
»Angekaust vom Theaterdirektor P. für Hamburg« usw.
Diese Einrichtungen entsprechen also — ich schließe natür-
lich den materiellen Wert und die Solidität der Möbel
aus — den Forderungen der Bühnenleiter, die doch keinen
anderen Wunsch hegen, als daß sich der Gesamteindruck
der Möbel und die Draperien vom Parket und ersten
Rang aus sehr malerisch, sehr rcizend und sehr elegant
auSnehmen. Nützlichkeit, Beguemlichkeit uud dergleicheu
sind ihnen überflüssige Gesichtspunkte. Jn den kurzen
Akten stehen ja die Schauspieler zumcist, oder es sindet
ein fortwährender Wechsel von Sitzen, Stehen und Be-
wegung statt, so daß ein wirklich bequcmes Möbcl, z. B.
eiu zweckmäßig geformter, weich gepolsterter Lehnstühl, die
auf der Bühne Spielenden^. nur hindern würde." Die
Bühnenmöbel werden immer „realistischer", die Hausmöbel
immer mehr theatermäßig —- ist das uicht eine lustige
Eutwickeluug?

^ Dle Ikoinponistiniien. Ein amerikanischer Schrift
stcllcr hat sich die Mühe gegeben, alle Mnsikkataloge seit
t875 daranfhin durchzusehen, welchen Anteil die Frauen
an der kompositorischen Arbeit der ganzen Erde habcn.
Er hat eine Liste von t55 musik-dramatischcn Schöpfungen
(Dpern, komische Dpern nnd Dperetten, Legenden, Dratorien),
die von Frauen herrühren, zusammengebraebt. Von diesen
t55 Werken cntfallen 8 7 auf Französinnen, 3-j auf
Jtalienerinnen, 20 auf Deutsche, 7 aus Engländcrinneu,
2 auf Holländerinuen, je eins auf eine Russin, Spauierin
und Schwedin.

* Für Gotttried Semper ist in Dresden ein
Denkmal enthüllt worden, eine Stiftung des Verbands
deutscher Architekten- und Jngenieurvercine, zu der auch
die Stadt Dresden 5000 Mk. beigesteuert hat. Letztere
hat es überhaupt nicht darau sehleu lasseu, ihren einstigcn
großen Mitbürger zu ehreu. Hit sie doch schou früler
 
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