15. Ltück.
Lrscbctnt
Derausgeber:
Zferdtnand Nvenarius.
Kcsrcllprcis:
vierteljährlich 21/2 Mark.
6. Zal)r§.
Dte künstlertscbe Lrztebung der Zugend.
2. Dte Scbule.
zen Menschen so nützlich und so glücklich
wie möglich zu machen, ist die Aufgabe der
Erziehung: er soll lernen, damit er später
seine Pflichten erfüllen, er soll genußfahig sein,
damit er nach Möglichkeit des Erfreuenden teilhaftig werden
könne. Zu den höchsten Genüssen und in vielen seiner
Erscheinungen zu den am leichtesten zugänglichen gehört
der Kunstgenuß — darf die Schule seine Ausbildung gering-
schätzen? Aber zumal unser heutiges Gymnasium, die Bor-
schule für die Universität und bei weitem die meisten höheren
Berussarten, ist nicht nur außer Stande eine etwaige
schöpserische Kunstbegabung der Schüler zu entwickeln, sondern
es bildet auch die Genußfähigkeit für Werke der darstellen-
den Künste nicht oder nur höchst mangelhaft.
Konrad Lange unterzieht Alles in unsern Gymnasien,
was etwa als eine Vorschulung zum Kunstgenuß aufgefaßt
werden könnte, einer eingehenden scharfen Kritik, auf die
wir hier nur verweisen können. Die Forderung eines
systeniatischen kunstgeschichtlichen Unterrichts aus den
Mittelschulen lehnt er ab und eine ästhetische Erziehung, wie
sie da und dort etwa durch das Lesen und Besprechen von
Lessings „Laokoon" versucht wird, hält er eher für schädlich
als nützlich. Als eigentlicher Mittelpunkt der Künstunter-
weisung auf Gymnasien bleibt ihm also der Zeichenunter-
richt mit seiner doppelten Aufgabe: ein Bestandteil der
berufsmäßigen Ausbildung zu sein, insofern der Schüler
in seinem späteren Leben das Zeichnen braucht, und der
allgemeinen Bildung zu dienen, d. h. den Schüler zur
künstlerischen Genußfähigkeit zu erziehen.
Lange weist die Notwendigkeit einer Erweiterung des
Zeichenunterrichts schon aus der außerordeutlichen prak-
tischen Wichtigkeit der Fähigkeiten nach, die er bildet. Obli-
gatorischer Zeichenunterricht durch das ganze Gymnasium
sei zu sordern, wöchentlich zweimal anderthalb Stunden für
seine Ausübung seien als das Jdeal anzustreben. Der
Verfasser lehnt den Einwand, daß die Erfüllung seiner
und unserer Wünsche eine „Überbürdung" mit sich brächte,
trefsend mit dem Hinweise ab, daß das Zeichnen wie Singen
und Turnen bei richtiger Behandlung eher eine Erholung,
denn eine Mehrbelastung bedeute, da bei diesen Gegen-
ständen des Könnens ganz andere Organe in Thätigkeit
treten, als bei den Fächern des Wissens. Eine richtige
Behandlung sreilich biete weder der alte systemlose, noch
trotz seiner zahlreichen Verdienste der neue methodische
Zeichenunterricht, der beinahe aus der Künst eine Wissen-
schast machen wolle.
Lange widmet der Methode des Zeichenunterrichts
„das wichtigste Kapitel dieser Schrift", das dem Studium
der Fachleute denn auch ganz besonders empfohlen werden
darf, dessen Besprechung uns aber in diesem Blatte weit
seitwärts führeu würde. Zur Kennzeichnung seines Stand-
punktes dienen die folgenden Sätze: „Die Zeichenlehrer, die
diese Methode ausgebildet haben, leben in der sanguinischen
Überzeugung, daß die immer größere Anerkennung, die sich
der Zeichenunterricht erwirbt, in erster Linie auf die Vor-
trefstichkeit der von ihnen ausgebildeten Methode zurückzu-
führen sei. Genau das Gegenteil ist der Fall. Die
neuerdings entstandene Bewegung für den Zeichenunterricht
beruht aus einer allgemeinen Richtung unserer Kultur. Diese
Bewegung würde noch viel größere Erfolge aufzuweiseu
Lrstes /Ikai-Dett 1SSZ.
M KMlk
— 225 —
Lrscbctnt
Derausgeber:
Zferdtnand Nvenarius.
Kcsrcllprcis:
vierteljährlich 21/2 Mark.
6. Zal)r§.
Dte künstlertscbe Lrztebung der Zugend.
2. Dte Scbule.
zen Menschen so nützlich und so glücklich
wie möglich zu machen, ist die Aufgabe der
Erziehung: er soll lernen, damit er später
seine Pflichten erfüllen, er soll genußfahig sein,
damit er nach Möglichkeit des Erfreuenden teilhaftig werden
könne. Zu den höchsten Genüssen und in vielen seiner
Erscheinungen zu den am leichtesten zugänglichen gehört
der Kunstgenuß — darf die Schule seine Ausbildung gering-
schätzen? Aber zumal unser heutiges Gymnasium, die Bor-
schule für die Universität und bei weitem die meisten höheren
Berussarten, ist nicht nur außer Stande eine etwaige
schöpserische Kunstbegabung der Schüler zu entwickeln, sondern
es bildet auch die Genußfähigkeit für Werke der darstellen-
den Künste nicht oder nur höchst mangelhaft.
Konrad Lange unterzieht Alles in unsern Gymnasien,
was etwa als eine Vorschulung zum Kunstgenuß aufgefaßt
werden könnte, einer eingehenden scharfen Kritik, auf die
wir hier nur verweisen können. Die Forderung eines
systeniatischen kunstgeschichtlichen Unterrichts aus den
Mittelschulen lehnt er ab und eine ästhetische Erziehung, wie
sie da und dort etwa durch das Lesen und Besprechen von
Lessings „Laokoon" versucht wird, hält er eher für schädlich
als nützlich. Als eigentlicher Mittelpunkt der Künstunter-
weisung auf Gymnasien bleibt ihm also der Zeichenunter-
richt mit seiner doppelten Aufgabe: ein Bestandteil der
berufsmäßigen Ausbildung zu sein, insofern der Schüler
in seinem späteren Leben das Zeichnen braucht, und der
allgemeinen Bildung zu dienen, d. h. den Schüler zur
künstlerischen Genußfähigkeit zu erziehen.
Lange weist die Notwendigkeit einer Erweiterung des
Zeichenunterrichts schon aus der außerordeutlichen prak-
tischen Wichtigkeit der Fähigkeiten nach, die er bildet. Obli-
gatorischer Zeichenunterricht durch das ganze Gymnasium
sei zu sordern, wöchentlich zweimal anderthalb Stunden für
seine Ausübung seien als das Jdeal anzustreben. Der
Verfasser lehnt den Einwand, daß die Erfüllung seiner
und unserer Wünsche eine „Überbürdung" mit sich brächte,
trefsend mit dem Hinweise ab, daß das Zeichnen wie Singen
und Turnen bei richtiger Behandlung eher eine Erholung,
denn eine Mehrbelastung bedeute, da bei diesen Gegen-
ständen des Könnens ganz andere Organe in Thätigkeit
treten, als bei den Fächern des Wissens. Eine richtige
Behandlung sreilich biete weder der alte systemlose, noch
trotz seiner zahlreichen Verdienste der neue methodische
Zeichenunterricht, der beinahe aus der Künst eine Wissen-
schast machen wolle.
Lange widmet der Methode des Zeichenunterrichts
„das wichtigste Kapitel dieser Schrift", das dem Studium
der Fachleute denn auch ganz besonders empfohlen werden
darf, dessen Besprechung uns aber in diesem Blatte weit
seitwärts führeu würde. Zur Kennzeichnung seines Stand-
punktes dienen die folgenden Sätze: „Die Zeichenlehrer, die
diese Methode ausgebildet haben, leben in der sanguinischen
Überzeugung, daß die immer größere Anerkennung, die sich
der Zeichenunterricht erwirbt, in erster Linie auf die Vor-
trefstichkeit der von ihnen ausgebildeten Methode zurückzu-
führen sei. Genau das Gegenteil ist der Fall. Die
neuerdings entstandene Bewegung für den Zeichenunterricht
beruht aus einer allgemeinen Richtung unserer Kultur. Diese
Bewegung würde noch viel größere Erfolge aufzuweiseu
Lrstes /Ikai-Dett 1SSZ.
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