6. Dm Mitgliedern des Vereins dient als Organ der
Verstündigung neben jährlich zu berufenden Generalver-
sammlungen eine Zeitschrift, die Jedem für seinen Jahresbeitrag
unentgeltlich geliefert wird. Ilmfang und Häusigkeit des Er-
scheinens richten sich nach den Verhältnissen des Vereins.
Den Jnhalt würden bilden: kurze Aussätze zur Orientirung
über das Wesen und die Ziele der dramatischen Kunst, prak-
tische Borschläge, Berichte über die Zustände und Fortschritte
des Vereins, insbesondere über die Thätigkeit der Vereins-
bühnen; unparteiische Besprechung neuerer dramatischer Werke;
Sprechsaal sür die Mitglieder u. dergl.
7. Über etwaige Ausdehnung des Wirkungskreises des
Vereins und dessen weitere Organisation bleibt die Beschluß-
fassung den einzuberusenden Generalversammlungen vorbe-
halten. Bis dahin hat der den Verein begründende Ansschuß
die Leitung zu sühren. *
Wir brauchen nicht erst ;u sagcn, daß wir den Beitritt
;u dein neuen Bereine unsern Lesern cmpsehlen. Bon den
Summcn, die ihm zusließen, hängt seine Stärke ab.
Gelänge es ihm, eine Beteilignng zn sinden, wie sie der
deutsche Sprachverein gefunden hat, er könnte' schon
nnmittelbar in seinen Darbietnngen viel leisten. Aber
noch hoher schätzen wir die agitatorische Bedeutung
ein, die er gewinnen kann. Daß wir unser deutsches Bolk
in immer weiteren Kreisen zu einer Beachtung der
künstlerischen Bewegungen unsrer Zeit bringen, daß unsre
Kunst uberhaupt zu eincm kräftigen Faktor in ihrem Be-
wußtsein werde, das ist das Erste, was wir erstreben
müssen. Denn eine Erziehung zum Kunstgenuß ist kaum
möglich, wenn sie nicht der Willigkeit begegnet, sich
bilden zu lassen, dem Jnteresse, dcr simpeln Neugier,
meinetwegen, was denn die von einer kleinen Gemeinde
*) Anmeldungen sür den Verein (mit genauer Angabe
des Namens, Titels und Wohnorts) nehmen die Unterzeich-
neten entgegen. Die Beiträge sür das laufende Jahr wolle
man entweder gleichzeitig mit der Anmeldung oder spätestens
bis zum z. Mai d. I. an den Kvniglichen Regierungsbau-
meister Herrn Max Leidich in Psorta, Provinz Sachsen, ein-
senden, welcher einstweilen die Führung der Kasse über-
nommen hat.
Heinrich Hart, Jnlius Hart (Friedrichshagen bei Berlin,
Ahornallee 52). vr. Max Heinze (Geheimer Hosrat, Prosessor
an der Universität Leipzig, Grimmaische Straße 32). vr. Karl
Lamprecht (Prosessor an der Universität Leipzig, Thomasius-
straße 2). Max Leidich (Königl. Regierungsbaumeister, Pforta,
Provinz Sachsen). vr. Otto von Leixner (Berlin
Stephanstraße 66). vr. Berthold Litzmann (Professor an der
Universität Bonn, Koblenzerstraße 85a). Max Martersteig
(artistischer Direktor des Stadttheaters zu Riga). vr. Her-
mann Schreyer (Prosessor, Psorta, Provinz Sachsen). Dr.
Karl Schütze (praktischer Arzt in Kösen). August Trümpel-
mann (Superintendent in Magdeburg, Johannisbergstraße).
ALolph Gras von Westarp (Partenkirchen in Oberbayern).
(Der einstweilen die Geschäfte leitende Ausschuß wird sich
noch weiter verstärken. Ein Verzeichnis der bereits dem Ver-
ein beigetretenen nnd der neu hinzukommenden Mitglieder
wird in dem ersten Heft der Vereinsschrift, das in einigen
Wochen znr Ansgabe gelangt, mitgeteilt werden).
so gepriesenen Heilswohlthaten der Kunst für Dinge seien.
Die Freie Bühne in Berlin z. B. hat weit mehr, als
umnittelbar dnrch ihre Vorstellungen, mittelbar durch die
Erörternngen angeregt und befruchtet, die von Freund und
Feind über sie in allen Zeitungen gepslogen worden sind.
Erst wenn wir das Volk dazu erzogen haben, ein
Bedürfnis nach Kunst zu cmpsinden, erst dann wcrden
wir die Vorbedingungen zu einem wahrhast blühenden
Theaterwesen haben, das mit dem Leben der Nation in
orgamschem Zusammenhange steht. Theater, die nnr dem
Vergnügen gewidmet sind, wird, soll es immer geben.
Aber neben ihnen wünschen wir die Bühnen zu sehen,
auf denen das Volk Sprache gegeben hört dem, was unklar
in ihm nach Fassung nnd Formung, nach Ausdruck ringt,
d i e Bühnen, auf denen es seine eigene Seele wandeln
und handeln sieht mit ihrem Spielen, Träumen, Erinnern,
Hosfen, Leidcn, Wollen, crmutigend, zurechtweisend, be-
geistcrnd, bcsänftigend, vor allem: klärend. Tempel der
Eris werden diese Tempel der Knnst sein, aber sie können
auch Tempel der Duldsamkeit werden, wcil ans dem Für
nnd Widcr nirgend so leicht Verständnis auch für den
Gegner erwachsen kann, wie aus einer in die Seelen von
Freund und Feind leuchtenden wahrhaftigcn Kunst.
Und selbst wenn es eine solche überhaupt nicht geben
könnte: der freie Ausdruck des Volksempsindens auf dem
Theater wäre gewiß nicht gefährlicher, als der gehässige
Kampf der tausend und abertausend Zeitungen, nüt dem
wir uns einmal absinden müssen. Wahr ist es ja: die
Anschaulichkeit der Eindrücke geht den Tagesblattartikeln ab
und dämpft ihren Einsluß, dafür aber ist dieser Einfluß
dem Einzelnen gegenüber gänzlich ohne Regelung und
ohne Unterbrechung, eine allmähliche Vergiftung wie mit
der Morphiumspritze. Und schließlich: wir mögen es
Wollen oder nicht: eine Volksknnst wird in Deutschland
erstehen — schon das Vorgehen der Sozialdemokratie weist
mit ernsten Zeichen daranf hin. Ob sie auf lange Zeit nur
eine Tendenzkunst sein wird, die Massen gegen Massen
hetzt, oder eine echte Kunst, die mit dcm Allesvcrstehen das
Allesverzeihcn lehrt und die notwendige Umwandlnng des
Bestehenden auf friedlichem Wege fördern hilst, das wird
nicht zum Geringsten davon abhängen, wie schnell die
ästhetische Erziehung der Nation gedeiht. Wir brauchen
das heut nicht naher zu begründen, denn wir haben davon
schon srüher gesprochen. Und auch davon, welchen Wert
eine künstlerische Erziehung auch deshalb hat, weil sie weiten
Kreisen den vorläusig allein möglichen „Kaviar sürs Volk"
giebt: starke Genüsse, die mit verhältnismäßig geringen
Opfern zu erreichen sind.
Dicbtung. IKundscbAU.
* Scböne Literatur. XV. j Konsistorialrat Professor v. Köstlin, Pfarrer v. Rade,
Luthers lVerke sür das christlicheHaus. Herausgegeben Pfarrer Ew. Schneider u. A. Jn acht Bänden. (Braun-
von Diakonus Vic. Or. Buchwald, Professor O. Kawerau, schweig, C. A. Schwetschke und Sohn. Preis ?)
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Verstündigung neben jährlich zu berufenden Generalver-
sammlungen eine Zeitschrift, die Jedem für seinen Jahresbeitrag
unentgeltlich geliefert wird. Ilmfang und Häusigkeit des Er-
scheinens richten sich nach den Verhältnissen des Vereins.
Den Jnhalt würden bilden: kurze Aussätze zur Orientirung
über das Wesen und die Ziele der dramatischen Kunst, prak-
tische Borschläge, Berichte über die Zustände und Fortschritte
des Vereins, insbesondere über die Thätigkeit der Vereins-
bühnen; unparteiische Besprechung neuerer dramatischer Werke;
Sprechsaal sür die Mitglieder u. dergl.
7. Über etwaige Ausdehnung des Wirkungskreises des
Vereins und dessen weitere Organisation bleibt die Beschluß-
fassung den einzuberusenden Generalversammlungen vorbe-
halten. Bis dahin hat der den Verein begründende Ansschuß
die Leitung zu sühren. *
Wir brauchen nicht erst ;u sagcn, daß wir den Beitritt
;u dein neuen Bereine unsern Lesern cmpsehlen. Bon den
Summcn, die ihm zusließen, hängt seine Stärke ab.
Gelänge es ihm, eine Beteilignng zn sinden, wie sie der
deutsche Sprachverein gefunden hat, er könnte' schon
nnmittelbar in seinen Darbietnngen viel leisten. Aber
noch hoher schätzen wir die agitatorische Bedeutung
ein, die er gewinnen kann. Daß wir unser deutsches Bolk
in immer weiteren Kreisen zu einer Beachtung der
künstlerischen Bewegungen unsrer Zeit bringen, daß unsre
Kunst uberhaupt zu eincm kräftigen Faktor in ihrem Be-
wußtsein werde, das ist das Erste, was wir erstreben
müssen. Denn eine Erziehung zum Kunstgenuß ist kaum
möglich, wenn sie nicht der Willigkeit begegnet, sich
bilden zu lassen, dem Jnteresse, dcr simpeln Neugier,
meinetwegen, was denn die von einer kleinen Gemeinde
*) Anmeldungen sür den Verein (mit genauer Angabe
des Namens, Titels und Wohnorts) nehmen die Unterzeich-
neten entgegen. Die Beiträge sür das laufende Jahr wolle
man entweder gleichzeitig mit der Anmeldung oder spätestens
bis zum z. Mai d. I. an den Kvniglichen Regierungsbau-
meister Herrn Max Leidich in Psorta, Provinz Sachsen, ein-
senden, welcher einstweilen die Führung der Kasse über-
nommen hat.
Heinrich Hart, Jnlius Hart (Friedrichshagen bei Berlin,
Ahornallee 52). vr. Max Heinze (Geheimer Hosrat, Prosessor
an der Universität Leipzig, Grimmaische Straße 32). vr. Karl
Lamprecht (Prosessor an der Universität Leipzig, Thomasius-
straße 2). Max Leidich (Königl. Regierungsbaumeister, Pforta,
Provinz Sachsen). vr. Otto von Leixner (Berlin
Stephanstraße 66). vr. Berthold Litzmann (Professor an der
Universität Bonn, Koblenzerstraße 85a). Max Martersteig
(artistischer Direktor des Stadttheaters zu Riga). vr. Her-
mann Schreyer (Prosessor, Psorta, Provinz Sachsen). Dr.
Karl Schütze (praktischer Arzt in Kösen). August Trümpel-
mann (Superintendent in Magdeburg, Johannisbergstraße).
ALolph Gras von Westarp (Partenkirchen in Oberbayern).
(Der einstweilen die Geschäfte leitende Ausschuß wird sich
noch weiter verstärken. Ein Verzeichnis der bereits dem Ver-
ein beigetretenen nnd der neu hinzukommenden Mitglieder
wird in dem ersten Heft der Vereinsschrift, das in einigen
Wochen znr Ansgabe gelangt, mitgeteilt werden).
so gepriesenen Heilswohlthaten der Kunst für Dinge seien.
Die Freie Bühne in Berlin z. B. hat weit mehr, als
umnittelbar dnrch ihre Vorstellungen, mittelbar durch die
Erörternngen angeregt und befruchtet, die von Freund und
Feind über sie in allen Zeitungen gepslogen worden sind.
Erst wenn wir das Volk dazu erzogen haben, ein
Bedürfnis nach Kunst zu cmpsinden, erst dann wcrden
wir die Vorbedingungen zu einem wahrhast blühenden
Theaterwesen haben, das mit dem Leben der Nation in
orgamschem Zusammenhange steht. Theater, die nnr dem
Vergnügen gewidmet sind, wird, soll es immer geben.
Aber neben ihnen wünschen wir die Bühnen zu sehen,
auf denen das Volk Sprache gegeben hört dem, was unklar
in ihm nach Fassung nnd Formung, nach Ausdruck ringt,
d i e Bühnen, auf denen es seine eigene Seele wandeln
und handeln sieht mit ihrem Spielen, Träumen, Erinnern,
Hosfen, Leidcn, Wollen, crmutigend, zurechtweisend, be-
geistcrnd, bcsänftigend, vor allem: klärend. Tempel der
Eris werden diese Tempel der Knnst sein, aber sie können
auch Tempel der Duldsamkeit werden, wcil ans dem Für
nnd Widcr nirgend so leicht Verständnis auch für den
Gegner erwachsen kann, wie aus einer in die Seelen von
Freund und Feind leuchtenden wahrhaftigcn Kunst.
Und selbst wenn es eine solche überhaupt nicht geben
könnte: der freie Ausdruck des Volksempsindens auf dem
Theater wäre gewiß nicht gefährlicher, als der gehässige
Kampf der tausend und abertausend Zeitungen, nüt dem
wir uns einmal absinden müssen. Wahr ist es ja: die
Anschaulichkeit der Eindrücke geht den Tagesblattartikeln ab
und dämpft ihren Einsluß, dafür aber ist dieser Einfluß
dem Einzelnen gegenüber gänzlich ohne Regelung und
ohne Unterbrechung, eine allmähliche Vergiftung wie mit
der Morphiumspritze. Und schließlich: wir mögen es
Wollen oder nicht: eine Volksknnst wird in Deutschland
erstehen — schon das Vorgehen der Sozialdemokratie weist
mit ernsten Zeichen daranf hin. Ob sie auf lange Zeit nur
eine Tendenzkunst sein wird, die Massen gegen Massen
hetzt, oder eine echte Kunst, die mit dcm Allesvcrstehen das
Allesverzeihcn lehrt und die notwendige Umwandlnng des
Bestehenden auf friedlichem Wege fördern hilst, das wird
nicht zum Geringsten davon abhängen, wie schnell die
ästhetische Erziehung der Nation gedeiht. Wir brauchen
das heut nicht naher zu begründen, denn wir haben davon
schon srüher gesprochen. Und auch davon, welchen Wert
eine künstlerische Erziehung auch deshalb hat, weil sie weiten
Kreisen den vorläusig allein möglichen „Kaviar sürs Volk"
giebt: starke Genüsse, die mit verhältnismäßig geringen
Opfern zu erreichen sind.
Dicbtung. IKundscbAU.
* Scböne Literatur. XV. j Konsistorialrat Professor v. Köstlin, Pfarrer v. Rade,
Luthers lVerke sür das christlicheHaus. Herausgegeben Pfarrer Ew. Schneider u. A. Jn acht Bänden. (Braun-
von Diakonus Vic. Or. Buchwald, Professor O. Kawerau, schweig, C. A. Schwetschke und Sohn. Preis ?)
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