Und diese Konsequenzen lauten dahin, daß es im Jnteresse
unserer höheren Beamtenerziehung liegt, die einmal her-
gestellte Spaltung, die schon groß genug ist, nicht noch
größer wcrden zu lassen. Und das einzige Mittel dagegen
ist, daß man auf allen Hochschulen denjenigen Fächern, die
allein noch eine Verbindung zwischen den beiden Berufs-
kreisen darstellen, das heißt den allgemein bildenden Fächern
eine ganz besondere Pflege zu Teil werden läßt. Wir
wollen nicht, daß die »Lehrer und Regierer des Volkes«,
d. h. eben diejenigen höheren Beamten, die auf Universitäten
und technischen Hochschulen ihre abschließende Bildung er-
halten, einseitige Fachmänner werden. Sie sollen, wenn
sie ins Leben treten, nicht mit Scheuklappen umherlaufen
und sich auf den engen Gesichtskreis ihres eigentlichen
Faches beschränken, sondern den Blick frei behalten für das,
was um ste her vorgeht, für ein ideales den allgemeinen
Jnteressen dienendes Streben."
Die kunsterzieherische Aufgabe des Zeichenunterrichts
an der Universität ist zunächst, den Kursus des Gymnasiums
zu vervollständigen. Für die Gegenwart besonders, weil
die Universität die Lücke füllen muß, welche die Schule
noch läßt, sür die Zukunft, weil auch dann der Gymnasiast
im Zeichnen so wenig wie in irgend einem anderen Fach
eine ganz abgeschlossene Bildung haben wird: soll doch das
Gymnasium seinen Abiturienten als beste Mitgift das Be-
dürfnis nach weiterer Ausbildung einpslanzen. Aquarelliren
und Ölmalen nach der Natur, Bildniszeichnen, künstlerisches
Mvdelliren usw. wird der künstige akademische Zeichen-
lehrer pflegen müssen. Und er soll hier nicht eine fachliche
Ausbildung, sondern eine solche des allgemeinen Kunstsinns
in erster Reihe erstreben, worunter die Schulung der
technischen Geschicklichkeit, die für so viele „studirte Berufe"
richtig ist, ja keineswegs zu leiden braucht.
Der akademische Zeichenlehrer darf in Zukunft nicht
mehr nach alter Uberlieferung neben dem Reit-, Tanz- und
Fechtmeister rangiren, sondern er muß den Vertretern der
eigentlich wissenschaftlichen Fächer gleichgestellt werden.
Lange denkt sich die Laufbahn des zukünftigen praktischen
Kunstprofessors der Universität nach der Reform des
Gymnasialzeichenunterrichts ungefähr so, daß besonders
bewährte Gymnasialzeichenlehrer berufen würden. Aber
auch Maler, die das Gymnasium durchgemacht hätten,
könnten zur „Universitätskarriere" durch ein akademisches
Zeichenlehrereyamen zugelassen werden, das der Habilitation
der Privatdozenten entspräche. „Es wäre selbstverständlich,
daß in dem betrefsenden Epamen nicht nur die volle
künstlerische Befähigung, sondern auch ein theoretisches
Verständnis für Kunst und eine gewisse Kenntnis ihrer
Geschichte nachzuweisen wäre. Man würde dabei ferner
besonderen Wert auf eine möglichst vielseitige Kenntnis der
künstlerischen Technik, z. B. auch des Modellirens, Archi-
tekturzeichnens, Holzschnitts und Kupferstichs zu legen haben.
Kommt es doch weniger darauf an, für diese Stellen
große Künstler von schöpferischer Begabung zu gewinnen,
die natürlich niemals eine gewisse Einseitigkeit verleugnen
würden, als vielmehr geschickte, vielseitig gebildete Techniker,
die eine besondere Gabe besitzen, ihre Kenntnisse andern
mitzuteilen."
Das neue Amt müßte mit den Vertretungen anderer
Universitätsfächer in Verbindung treten, zunächst mit denen
der Archäologie und der Kunstgeschichte. Jhre Sammlungen
müßten für Lehrzwecke dem akademischen Zeichenlehrer zur
Verfügung stehen, und er seinerseits hätte die betrefsenden
Prosessoren nach der technischen Seite hin zu unterstützen.
Es gäbe eine Teilung in den Stoff, wie sie in mancher
Beziehung ähnlich etwa zwischen den Professoren und den
Lektoren für neuere Sprachen stattsindet. Lange sührt das
näher aus. Dann schlägt er noch vor, die Jnhaber der
neuen Stellen zugleich zu Zeicheninspektoren zu
machen, wie wir sie vorläufig nur in Süddeutschland
und in einigen städtischen Schulbezirken Mitteldeutschlands
besitzen, während sie sich doch in Frankreich auf das Treff-
lichstc bewähren.
Sehr wichtig und beherzigenswert ist, was Lange im
Schlußkapitel über die Ku nstwiss ensch a ft sagt. Er
weist zunächst nach, daß die Kunstgeschichte keineswegs, wie
man immer sagt, zu den jüngsten Lehrfächern der Universitäten
gehört, sondern in Göttingen schon seit 1785 gelesen wird,
daß aber gegenwärtig geradezu von einem Rückgange in
diesem Lehrfach gesprochen werden muß: denn an der
Hälfte der deutschen Universitäten ist den Studenten überhaupt
keine Gelegenheit geboten, sich über neuere Kunst zu unterrichten,
sich eine planmäßige Anschauung bedeutender Kunstwerke zu
erwerben; über 8000 Studenten liegen in Deutschland
alljährlich ihren Studien ob, ohne, selbst wenn sie es
wollten, im Stande zu sein, sich durch das Hören kunst-
geschichtlicher Vorlesungen ein Urteil über künstlerische Fragen,
eine Kenntnis der Kunstentwickelung zu verschasfen. Diese
Thatsache wiegt deshalb so schwer, weil das eigene Studium,
das Lesen von Büchern bei der Kunstgeschichte zu gar nichts
führt. Die Anschauung ist hier das A und das O. Jn
dem lebendigen Zusammenwirken der Anschauung und der
historischen Belehrung beruht der eigentliche Segen des
kunstgeschichtlichen Unterrichts. Gegenwärtig liegen aber
z. B. die reichen Kunstschätze in Würzburg sür die dortigen
Studentcn einfach brach, ebenso die Nürnberger für Er-
langen, die schwäbischen für Tübingen, die thüringischen
für Jena nsw. Ebenso traurig steht es mit wenigen Aus-
nahmen — Straßburg und Leipzig — mit dem kunst-
geschichtlichen Anschauungsstoff: jede Universttät müßte ihren
voll ausgestatteten Apparat an Photographien, Stichen u. a.
haben. Einen solchen können Museen und Kupferstich-
kabinette durchaus nicht ersetzen, da man in solchen Samm-
lungen wohl eine Reihe von Kunstwerken bei einem Rund-
gange erklären, nicht aber zusammenhängende Vorlesungen
über die Geschichte der Kunst halten kann. Dagegen
— 242 —
unserer höheren Beamtenerziehung liegt, die einmal her-
gestellte Spaltung, die schon groß genug ist, nicht noch
größer wcrden zu lassen. Und das einzige Mittel dagegen
ist, daß man auf allen Hochschulen denjenigen Fächern, die
allein noch eine Verbindung zwischen den beiden Berufs-
kreisen darstellen, das heißt den allgemein bildenden Fächern
eine ganz besondere Pflege zu Teil werden läßt. Wir
wollen nicht, daß die »Lehrer und Regierer des Volkes«,
d. h. eben diejenigen höheren Beamten, die auf Universitäten
und technischen Hochschulen ihre abschließende Bildung er-
halten, einseitige Fachmänner werden. Sie sollen, wenn
sie ins Leben treten, nicht mit Scheuklappen umherlaufen
und sich auf den engen Gesichtskreis ihres eigentlichen
Faches beschränken, sondern den Blick frei behalten für das,
was um ste her vorgeht, für ein ideales den allgemeinen
Jnteressen dienendes Streben."
Die kunsterzieherische Aufgabe des Zeichenunterrichts
an der Universität ist zunächst, den Kursus des Gymnasiums
zu vervollständigen. Für die Gegenwart besonders, weil
die Universität die Lücke füllen muß, welche die Schule
noch läßt, sür die Zukunft, weil auch dann der Gymnasiast
im Zeichnen so wenig wie in irgend einem anderen Fach
eine ganz abgeschlossene Bildung haben wird: soll doch das
Gymnasium seinen Abiturienten als beste Mitgift das Be-
dürfnis nach weiterer Ausbildung einpslanzen. Aquarelliren
und Ölmalen nach der Natur, Bildniszeichnen, künstlerisches
Mvdelliren usw. wird der künstige akademische Zeichen-
lehrer pflegen müssen. Und er soll hier nicht eine fachliche
Ausbildung, sondern eine solche des allgemeinen Kunstsinns
in erster Reihe erstreben, worunter die Schulung der
technischen Geschicklichkeit, die für so viele „studirte Berufe"
richtig ist, ja keineswegs zu leiden braucht.
Der akademische Zeichenlehrer darf in Zukunft nicht
mehr nach alter Uberlieferung neben dem Reit-, Tanz- und
Fechtmeister rangiren, sondern er muß den Vertretern der
eigentlich wissenschaftlichen Fächer gleichgestellt werden.
Lange denkt sich die Laufbahn des zukünftigen praktischen
Kunstprofessors der Universität nach der Reform des
Gymnasialzeichenunterrichts ungefähr so, daß besonders
bewährte Gymnasialzeichenlehrer berufen würden. Aber
auch Maler, die das Gymnasium durchgemacht hätten,
könnten zur „Universitätskarriere" durch ein akademisches
Zeichenlehrereyamen zugelassen werden, das der Habilitation
der Privatdozenten entspräche. „Es wäre selbstverständlich,
daß in dem betrefsenden Epamen nicht nur die volle
künstlerische Befähigung, sondern auch ein theoretisches
Verständnis für Kunst und eine gewisse Kenntnis ihrer
Geschichte nachzuweisen wäre. Man würde dabei ferner
besonderen Wert auf eine möglichst vielseitige Kenntnis der
künstlerischen Technik, z. B. auch des Modellirens, Archi-
tekturzeichnens, Holzschnitts und Kupferstichs zu legen haben.
Kommt es doch weniger darauf an, für diese Stellen
große Künstler von schöpferischer Begabung zu gewinnen,
die natürlich niemals eine gewisse Einseitigkeit verleugnen
würden, als vielmehr geschickte, vielseitig gebildete Techniker,
die eine besondere Gabe besitzen, ihre Kenntnisse andern
mitzuteilen."
Das neue Amt müßte mit den Vertretungen anderer
Universitätsfächer in Verbindung treten, zunächst mit denen
der Archäologie und der Kunstgeschichte. Jhre Sammlungen
müßten für Lehrzwecke dem akademischen Zeichenlehrer zur
Verfügung stehen, und er seinerseits hätte die betrefsenden
Prosessoren nach der technischen Seite hin zu unterstützen.
Es gäbe eine Teilung in den Stoff, wie sie in mancher
Beziehung ähnlich etwa zwischen den Professoren und den
Lektoren für neuere Sprachen stattsindet. Lange sührt das
näher aus. Dann schlägt er noch vor, die Jnhaber der
neuen Stellen zugleich zu Zeicheninspektoren zu
machen, wie wir sie vorläufig nur in Süddeutschland
und in einigen städtischen Schulbezirken Mitteldeutschlands
besitzen, während sie sich doch in Frankreich auf das Treff-
lichstc bewähren.
Sehr wichtig und beherzigenswert ist, was Lange im
Schlußkapitel über die Ku nstwiss ensch a ft sagt. Er
weist zunächst nach, daß die Kunstgeschichte keineswegs, wie
man immer sagt, zu den jüngsten Lehrfächern der Universitäten
gehört, sondern in Göttingen schon seit 1785 gelesen wird,
daß aber gegenwärtig geradezu von einem Rückgange in
diesem Lehrfach gesprochen werden muß: denn an der
Hälfte der deutschen Universitäten ist den Studenten überhaupt
keine Gelegenheit geboten, sich über neuere Kunst zu unterrichten,
sich eine planmäßige Anschauung bedeutender Kunstwerke zu
erwerben; über 8000 Studenten liegen in Deutschland
alljährlich ihren Studien ob, ohne, selbst wenn sie es
wollten, im Stande zu sein, sich durch das Hören kunst-
geschichtlicher Vorlesungen ein Urteil über künstlerische Fragen,
eine Kenntnis der Kunstentwickelung zu verschasfen. Diese
Thatsache wiegt deshalb so schwer, weil das eigene Studium,
das Lesen von Büchern bei der Kunstgeschichte zu gar nichts
führt. Die Anschauung ist hier das A und das O. Jn
dem lebendigen Zusammenwirken der Anschauung und der
historischen Belehrung beruht der eigentliche Segen des
kunstgeschichtlichen Unterrichts. Gegenwärtig liegen aber
z. B. die reichen Kunstschätze in Würzburg sür die dortigen
Studentcn einfach brach, ebenso die Nürnberger für Er-
langen, die schwäbischen für Tübingen, die thüringischen
für Jena nsw. Ebenso traurig steht es mit wenigen Aus-
nahmen — Straßburg und Leipzig — mit dem kunst-
geschichtlichen Anschauungsstoff: jede Universttät müßte ihren
voll ausgestatteten Apparat an Photographien, Stichen u. a.
haben. Einen solchen können Museen und Kupferstich-
kabinette durchaus nicht ersetzen, da man in solchen Samm-
lungen wohl eine Reihe von Kunstwerken bei einem Rund-
gange erklären, nicht aber zusammenhängende Vorlesungen
über die Geschichte der Kunst halten kann. Dagegen
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