französischei, Drainatiker als seine Jünger anerkannl, die
dasselbe Ziel wie er, die Befreiung des Jndividnuins und
den „Tvtschlag der Gesellschaft" verfolgtcn, soll er auf
die Frage, ob er auch Zola zu seinem Mitarbeiter in
diesem geistigen Befreiungskamps rechnen würde, gesagt
haben: „Ja und nein. Ja, er ist mein Mitarbeiter ge-
wesen, und zwar ein mächtiger, weil er die Gesellschast
mit starker Faust erschüttert hat, wcil er, um sie sicherer
zn zerstören, ihre Schwächen klar aufgezeigt, alle ihre
Risse und Sprünge getreulich photographirt und so mit
ebenso bewundernswürdiger Beredsamkeit wie Logik gezeigt
hat, dast man den alten Ban cinreißcn nnd einen reineren
Tempel errichten müsse. Nicht, weil wir etwa denselben
Weg verfolgten, oder auch nnr dasselbe Ziel vor uns
sahen. Der Unterschied ist radikal, er entspringt aus
unseren einander gänzlich entgegengesetzten Weltanschauungen:
Er ist Sozialist und Kollektivist, ich bin Anarchist und
Jndividualist. Übrigens habe ich trotz dieser Verschiedenhcit
des Systems für diesen Autor die Bewunderung, die er
verdient. Er ist ein großer Werkmeister am Bau der
künftigen Tage." Des ferneren hat Jbsen Henri Becqnes
Drama „Ie8 Eordenux" als dassenige bezeichnet, das am
meisten Geist von seinem Geiste^wäre. „Und nnsere
Symbolisten?" fragte Bigeon. Und siehe da, Jbsen wurde
warm nnd rief: „Diese sind ja noch mehr als jene
realistischen Dramatiker mir ans Herz gewachsen! Leider
kennc ich sie zu wenig, sie sind sehr jung nnd ich bin sehr
alt, aber ich liebe sie, denn sie spüren die Schauer dcr
Zukunft, sie werden der aufdämmernden Morgenröte die
Auferstehungs-Hymne singen, sie werden die Tage, die da
kommen sollen, erfüllen. Sie und ich, wir leben in Jdeen-
gemeinschaft. Jch habe soeben erst ein Stück in drei Akten
vollendet, ein symbolischcs Stück, das angenblicklich unter
der Presse ist, und das seinen Titel von dem Namen der
Hauptperson führen wird!" Anch Zola sei ja Symbolist,
nnd sein „Germinal" und „Derre" seien „zwei Symbole
von schwindelnder Tiefe." „Aber die Symbole Zolas
sind ein Ergebnis der Handlung, der Schluß des Dranias;
meine Symbole sind die Ansänge, die Voraussetzungen,
sind der Wesensgrnnd der Dinge selbst, sie sind Realität,
während die Symbole Zolas erst durch die Wirklichkeit
verklärt werden." — Daß Jbsen nicht französisch spricht,
bemerkt Bigeon selber; vielleicht erklärt es Einiges, das
überrascht, aber nicht gerade zum Wesentlichsten gehört.
^ Die Muscugni-Mlocve in Wcrltn ist unter Aus
zeichnungen von oben und untcn her für den Komponisten,
aber ohne jede Wiederholnng des Wiener Maseagni-Fiebers
verlanfen. Ganz anssallend ist es, wie die Kritik mit jedem
Tage kühler gegen den Jtaliener wird. Die „Börsen Ztg."
spricht ofsen von Enttäuschung, Originalitäts-Sucht, „mit
erschrecklicher Deutlichkeit hervortretendem Mangel an melo-
discher Erfindung" bei den „Rantzau". „Dramatisch dürftig,
musikalisch gequält und öde" werden sie selbst von dem
Musikberichterstatter der „Frankf. Ztg." genaunt -— „der
Strom der Melodie", sagt er, „den viele in den Erst-
lingswerken Mascagnis rauschen hören wollten, ist hier
versiegt. Unnatur und Manier sühren in dieser Partitur
das große Wort, nnd die Kosten seiner größten Wirkungen
bestrcitet der Komponist aus dem Melismenschatze seiner
»Lmvnlierin«. Auch die rhythmischen und harmonischen
Diätzchen, die orchestralen Efsekte und Effektchen sind ans
den vorausgegangenen Opern des Maestro sattsam bekannt
und können daher um so weuiger über die Hohlheit und
Leblosigkeit des Ganzen hinwegtäuschen." Auch Ludwig
Hartmann spricht von den „starren Mauierirtheiten" dcr
„Rantzau", von dem „Gemachten, kühl Berechneten, Er-
findungsarmen" in ihnen: „Blütenlose Musik könnte man's
ncnnen". Die „Grenzboten" aber reden gar von der „un-
austilgbaren Blamage", die wir Deutschen uns mit unsrer
Begeisterung für die cimvnllerm geholt hätten. Geht der
der Rückschlag gegen die Mascaguitis in solcher Stärke
weiter, so wird unser Blatt, das vor einigen Monaten wegen
seines Auftretens gegeu den Maestro bei so vielen guten
Menschen helle Empörung erregt hat, womöglich nach bald
nach der entgegengesetzten Richtung hin warnen müssen.
Nuu, wir werden ja sehen, was der „Ratcliss" bringt —
wird doch Berlin den Stolz haben, ihn vor allen, auch vor
den italienischen Bühnen darzustellen. Wie opferfreudig
und eilbeflissen eine deutsche Hofoper werden kann, wcnn
sich's u»i einen Fremden handelt!
» Wenn bedeutende Ikünstler über Ikünstler
sprechen, so geben wir ihre Anssprüche, wie unsere Lescr
wissen, stets sehr gerne wieder — es ist fast immer aus
ihnen etwas darüber zu lernen, wie der Schafsende selbst
sein Schaffen empsindet. Die Einseitigkeit, die solchen
Äußerungen notwendig anhaftet, kann man zu solchem
Vorteil gewiß mit in den Handel nehmen. Deshalb seien auch
die folgenden Aussprüche Jakob Emil Schindlers
über Landschaftsmalerei verzeichnet, die der Architekt Fischel
aus dem Nachlasse dieses Malers kürzlich ans Licht ge-
zogen hat. Er that das iu einem Vortrage im wissen
schaftlichen Klub zu Wien; unsere Quelle ist ein Bericht
des „Jllustrirten Wiener Extrablatts".
„Friedrich Lessing, der Maler der deutschen Wald-
natur, ist der Eichendorff der deutschen Laudschaft, auf
seinen Kunstschöpfungen fehlte aber insgesamt das Skelett.
Jch entsinne mich einer Novelle von Eichendorff, die viele
Wochen hindurch ini Vollmonde spielt. Der Mangel an
astronomischen Bedenken brachte aber auch andere Mängel
mit sich, und da der hochbegabte, so eisig blaublütige, aber
wirklich romantische Lessing leider eine gauze Bibliothek
derartiger Mängel ist, so können wir heute seiner Bilder
nicht mehr sroh werden. — Oswald Achenbach: llm von
greifbaren, von unergründlich nachfühlbaren Dingen in
Achenbachs Bildern zu sprechen, bemerke ich, daß er wohl
unter allen lebenden und toten Malern die höchste Meister
schast in der Darstellung jener Stimmungen erreichte, der
großartigsten, komplizirtesten, die oft auf die Dauer von
Sekunden beschränkt sind und die sich vor ihm Niemand
auch nur bildlich zu denken getraut hat. llnd wie löste
er die schwierigsten aller Prvbleme? Nicht allein der
Maler, auch der Meteorologe und Physiologe stehen be
wundernd vor diesen gebannten Sekunden. Wie in einer
nach allen klassischen Regeln aufgebauten Fuge stehen
unmöglich scheinende Töne klar und richtig vor uns, und,
was man nicht von allen Fugen sagen kann, musikalisch
schön. — Andreas Achenbach: Er bezwang die Natur
durch die äußerste männliche Festigkeit und durch eine
beispiellose Ausdauer. Jeder Strich ist Mannesthat, jedes
Bild eine gewonnene Schlacht, während Oswald Achenbachs
Bilder stets nur Nachklänge selig durchlebter Stunden
sind. Andreas Achenbach wühlt in seiner Natur, wie die
Schaufelräder seiner Dampfer in der Nvrdsee, seine Welle
schlägt eisig über und an uns vorbei. Wir fühlen die
Schwingen des Ozeans und hören seinen mächtigen Flügel-
schlag von seinen Schöpfungen herab mit den Ohren unserer
Seele. -— Karl Rottmann (der klassische Romantiker): Er
dasselbe Ziel wie er, die Befreiung des Jndividnuins und
den „Tvtschlag der Gesellschaft" verfolgtcn, soll er auf
die Frage, ob er auch Zola zu seinem Mitarbeiter in
diesem geistigen Befreiungskamps rechnen würde, gesagt
haben: „Ja und nein. Ja, er ist mein Mitarbeiter ge-
wesen, und zwar ein mächtiger, weil er die Gesellschast
mit starker Faust erschüttert hat, wcil er, um sie sicherer
zn zerstören, ihre Schwächen klar aufgezeigt, alle ihre
Risse und Sprünge getreulich photographirt und so mit
ebenso bewundernswürdiger Beredsamkeit wie Logik gezeigt
hat, dast man den alten Ban cinreißcn nnd einen reineren
Tempel errichten müsse. Nicht, weil wir etwa denselben
Weg verfolgten, oder auch nnr dasselbe Ziel vor uns
sahen. Der Unterschied ist radikal, er entspringt aus
unseren einander gänzlich entgegengesetzten Weltanschauungen:
Er ist Sozialist und Kollektivist, ich bin Anarchist und
Jndividualist. Übrigens habe ich trotz dieser Verschiedenhcit
des Systems für diesen Autor die Bewunderung, die er
verdient. Er ist ein großer Werkmeister am Bau der
künftigen Tage." Des ferneren hat Jbsen Henri Becqnes
Drama „Ie8 Eordenux" als dassenige bezeichnet, das am
meisten Geist von seinem Geiste^wäre. „Und nnsere
Symbolisten?" fragte Bigeon. Und siehe da, Jbsen wurde
warm nnd rief: „Diese sind ja noch mehr als jene
realistischen Dramatiker mir ans Herz gewachsen! Leider
kennc ich sie zu wenig, sie sind sehr jung nnd ich bin sehr
alt, aber ich liebe sie, denn sie spüren die Schauer dcr
Zukunft, sie werden der aufdämmernden Morgenröte die
Auferstehungs-Hymne singen, sie werden die Tage, die da
kommen sollen, erfüllen. Sie und ich, wir leben in Jdeen-
gemeinschaft. Jch habe soeben erst ein Stück in drei Akten
vollendet, ein symbolischcs Stück, das angenblicklich unter
der Presse ist, und das seinen Titel von dem Namen der
Hauptperson führen wird!" Anch Zola sei ja Symbolist,
nnd sein „Germinal" und „Derre" seien „zwei Symbole
von schwindelnder Tiefe." „Aber die Symbole Zolas
sind ein Ergebnis der Handlung, der Schluß des Dranias;
meine Symbole sind die Ansänge, die Voraussetzungen,
sind der Wesensgrnnd der Dinge selbst, sie sind Realität,
während die Symbole Zolas erst durch die Wirklichkeit
verklärt werden." — Daß Jbsen nicht französisch spricht,
bemerkt Bigeon selber; vielleicht erklärt es Einiges, das
überrascht, aber nicht gerade zum Wesentlichsten gehört.
^ Die Muscugni-Mlocve in Wcrltn ist unter Aus
zeichnungen von oben und untcn her für den Komponisten,
aber ohne jede Wiederholnng des Wiener Maseagni-Fiebers
verlanfen. Ganz anssallend ist es, wie die Kritik mit jedem
Tage kühler gegen den Jtaliener wird. Die „Börsen Ztg."
spricht ofsen von Enttäuschung, Originalitäts-Sucht, „mit
erschrecklicher Deutlichkeit hervortretendem Mangel an melo-
discher Erfindung" bei den „Rantzau". „Dramatisch dürftig,
musikalisch gequält und öde" werden sie selbst von dem
Musikberichterstatter der „Frankf. Ztg." genaunt -— „der
Strom der Melodie", sagt er, „den viele in den Erst-
lingswerken Mascagnis rauschen hören wollten, ist hier
versiegt. Unnatur und Manier sühren in dieser Partitur
das große Wort, nnd die Kosten seiner größten Wirkungen
bestrcitet der Komponist aus dem Melismenschatze seiner
»Lmvnlierin«. Auch die rhythmischen und harmonischen
Diätzchen, die orchestralen Efsekte und Effektchen sind ans
den vorausgegangenen Opern des Maestro sattsam bekannt
und können daher um so weuiger über die Hohlheit und
Leblosigkeit des Ganzen hinwegtäuschen." Auch Ludwig
Hartmann spricht von den „starren Mauierirtheiten" dcr
„Rantzau", von dem „Gemachten, kühl Berechneten, Er-
findungsarmen" in ihnen: „Blütenlose Musik könnte man's
ncnnen". Die „Grenzboten" aber reden gar von der „un-
austilgbaren Blamage", die wir Deutschen uns mit unsrer
Begeisterung für die cimvnllerm geholt hätten. Geht der
der Rückschlag gegen die Mascaguitis in solcher Stärke
weiter, so wird unser Blatt, das vor einigen Monaten wegen
seines Auftretens gegeu den Maestro bei so vielen guten
Menschen helle Empörung erregt hat, womöglich nach bald
nach der entgegengesetzten Richtung hin warnen müssen.
Nuu, wir werden ja sehen, was der „Ratcliss" bringt —
wird doch Berlin den Stolz haben, ihn vor allen, auch vor
den italienischen Bühnen darzustellen. Wie opferfreudig
und eilbeflissen eine deutsche Hofoper werden kann, wcnn
sich's u»i einen Fremden handelt!
» Wenn bedeutende Ikünstler über Ikünstler
sprechen, so geben wir ihre Anssprüche, wie unsere Lescr
wissen, stets sehr gerne wieder — es ist fast immer aus
ihnen etwas darüber zu lernen, wie der Schafsende selbst
sein Schaffen empsindet. Die Einseitigkeit, die solchen
Äußerungen notwendig anhaftet, kann man zu solchem
Vorteil gewiß mit in den Handel nehmen. Deshalb seien auch
die folgenden Aussprüche Jakob Emil Schindlers
über Landschaftsmalerei verzeichnet, die der Architekt Fischel
aus dem Nachlasse dieses Malers kürzlich ans Licht ge-
zogen hat. Er that das iu einem Vortrage im wissen
schaftlichen Klub zu Wien; unsere Quelle ist ein Bericht
des „Jllustrirten Wiener Extrablatts".
„Friedrich Lessing, der Maler der deutschen Wald-
natur, ist der Eichendorff der deutschen Laudschaft, auf
seinen Kunstschöpfungen fehlte aber insgesamt das Skelett.
Jch entsinne mich einer Novelle von Eichendorff, die viele
Wochen hindurch ini Vollmonde spielt. Der Mangel an
astronomischen Bedenken brachte aber auch andere Mängel
mit sich, und da der hochbegabte, so eisig blaublütige, aber
wirklich romantische Lessing leider eine gauze Bibliothek
derartiger Mängel ist, so können wir heute seiner Bilder
nicht mehr sroh werden. — Oswald Achenbach: llm von
greifbaren, von unergründlich nachfühlbaren Dingen in
Achenbachs Bildern zu sprechen, bemerke ich, daß er wohl
unter allen lebenden und toten Malern die höchste Meister
schast in der Darstellung jener Stimmungen erreichte, der
großartigsten, komplizirtesten, die oft auf die Dauer von
Sekunden beschränkt sind und die sich vor ihm Niemand
auch nur bildlich zu denken getraut hat. llnd wie löste
er die schwierigsten aller Prvbleme? Nicht allein der
Maler, auch der Meteorologe und Physiologe stehen be
wundernd vor diesen gebannten Sekunden. Wie in einer
nach allen klassischen Regeln aufgebauten Fuge stehen
unmöglich scheinende Töne klar und richtig vor uns, und,
was man nicht von allen Fugen sagen kann, musikalisch
schön. — Andreas Achenbach: Er bezwang die Natur
durch die äußerste männliche Festigkeit und durch eine
beispiellose Ausdauer. Jeder Strich ist Mannesthat, jedes
Bild eine gewonnene Schlacht, während Oswald Achenbachs
Bilder stets nur Nachklänge selig durchlebter Stunden
sind. Andreas Achenbach wühlt in seiner Natur, wie die
Schaufelräder seiner Dampfer in der Nvrdsee, seine Welle
schlägt eisig über und an uns vorbei. Wir fühlen die
Schwingen des Ozeans und hören seinen mächtigen Flügel-
schlag von seinen Schöpfungen herab mit den Ohren unserer
Seele. -— Karl Rottmann (der klassische Romantiker): Er