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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 6.1892-1893

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Heft 15 (1. Maiheft 1893)
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.11727#0236

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-O.,


Daß eine so umfangreiche und tiefgehende Bewegung, wie der ^
Antisemitismus, eine Vertretung anch anf der Bühne fände,
könnte so wenig schaden, wie eine kräftige Vertretnng der
konservativen, liberalen, klerikalen oder sozialdemokratischen
Gedanken und Empfindungen auf dem Theater — wir haben
diese unsre Meinung srüher zu begründen versucht und sehen
anch angesichts der Germanischen Volksbühne keinen Grnnd,
sie zu verleugnen.

Musik.

Aobannes Krabms wird am 7. Mai sechzig Jahre
alt, und da und dort rüstet man sich, den zu seiern, der, so
hoch ihn schon Manche stellen, doch von der Nation noch lange
nicht in vollem Maße verstanden wird. Wir unserseits haben
besonders in der letzten Zeit oft und entschieden auf sein
hochbedeutendes Schaffen hingewiesen und begnügen uns deshalb
heute mit diesem kurzen Gruß.

* Mlicbtigere Musik-Aukküsirungen. XV.

Von Anton Rubinstein, der bekanntlich auch im Ora-
torien- und Opernmachen eine beinahe spanische Schreibfertigkeit
entwickelt, ist im Berliner Opernhanse ein Opern-Einakter,
„Unter Ränbern" betitelt, gegeben worden. Die Anwesenheit
des außerordentlichen Klaviervirtuosen wirkte nach den uns
vorliegenden Berichten mehr als das Werk selbst, das man,
um den großen Klavierspieler zu seiern, eben mit anhvrte.
Um die größere Hälfte des Abends auszufüllen, sührte man
zugleich ein älteres Werk, das Ballet „Die Rebe" aus, das,
mancherlei reizvolle Einzelheiten bietend, zu den gelungeneren
Bühnenkompositionen Rnbinsteins zählt. Die Oper spielt sich
etwa in einer Stnnde ab. Jhr Libretto rührt von Ernst
Wichert her und ist nach der in den vierziger Jahren beliebten
Räuberopern-Schablone gemacht. Ein Ränberchor, der pessi-
mistische Betrachtungen über die heute nicht mehr so recht rentable
Räuberbranche anstellt, leitet die vor den Thoren Madrids
spielende Handlung ein. Natürlich ist der „edle Hauptmann"
der Mittelpunkt des Ganzen. Eine stolze Spanierin mit einer
gefühlvollen Tochter, eine englische Gouvernante, ein menschen-
sreundlicher Prinz sind mit beschäftigt, die Sache in Abwicklung
zu halten, die vorwiegend aus Gesang und Tanz besteht und
in die Schlußmoral mündet, daß Wilde und Räuber im All-
gemeinen doch nicht so grundschlechte Menschen, ja meist bessere
seien. Diese Handlnng hat Anton Rnbinstein mit einer Musik
verbrämt, die die Situation ost recht treffend charakterisirt und
durchweg recht gefällig und unterhaltend ist.

» Über das „LArmende" in Magners Musik stellt
R. Heuberger in der „Neuen M.-Ztg." einige Betrach-
tungen an. Schon Mozart ist von seinen Zeitgenossen
der Vorwurf gemacht worden, er überlade das Orchester
und „decke" mit seiner Jnstrumentation die Sänger.
Dieser beliebte Vorwurf hat sich überhaupt bei allen vor-
dringenden, eigene Wege wandelnden Tonsetzern vor und
nach Mozart immer mehr oder weniger laut vernehmlich
gemacht. Und es wird wohl immer so bleiben, so lange
die Musikentwickelung in lebendigem Fluß bleibt. Die
Sänger wie das Publikum, führt Heuberger aus, be-
trachteten die Sache jedcr von einem besonderen und
anderen Standpunkte, als die Komponisten. Wenn der
Komponist glaube, seine Absichten durch ein reiches, farbiges
Orchester besonders deutlich machen zu köunen, so wärcn
dagegcn die Sänger der Meinung, daß alles selbständig
Jnstrumentale ihren Gesang „ersticke"; das Publikum
cndlich habe, besonders bei originellen, neugearteten Werken,
mit der Ausnahme des Stofflichen, der wichtigsten Umrist-
melodien so viel zu thun, daß der Orchesterpart iu dem-

selben Mafic als er sein detaillirt nnd komplizirt ausge-
arbeitct ist, die Gesamtauffassung erschweren muß.

Zu Wagner übergehend hebt der Verfasser zunächst
hervor, daß die Klagen über die „deckende" Jnstrumentation
in Mozartschen Werken längst verstummt sind, daß
man heute dafür Wagnern mit dem Vorwurfe zu Leibe
rückt, durch lärmende Jnstrumentirung, durch die „vor seiner
Zeit unbekannte Art, die Blasinstrumente zu brauchen,"
wie es jedesmal übereinstimmend heißt: „Die Stimmen
der Sänger dem Ruin, das gesprochene oder vielmehr
gesungene Wort der Unverständlichkeit ausgeliesert zu haben.
Ünd gerade Richard Wagner hat, wie wenige, dahin
gestrebt, vor Allem gerade das Wesentlichste am Drama,
das Wort, in fragloser Deutlichkeit erscheinen zn lassen.
Wüßten wir dies nicht aus eifrigem Zuhören in seinen
Opern, wir müßten es aus etlichen seiner Briefstellen ent-
nehmen. Dieselben beziehen sich auf den »Flicgenden
Holländer«, dessen Jnstrumentation der Meister zu Beginn
des Jahres 1852 eiuer Revision unterzog, einzig zu dem
Zweckc, alles Lärmende daraus zu entfernen. Am 25. März
genannten Jahres schreibt er aus Zürich u. a. an Uhlig:
»Jch wollte diese Partitur anfänglich nicht ordentlich
durcharbeiten: näher besehen, hätte ich aber die Jnstru-
mentation, wenn ich sie meinen jetzigen Erfahrungen gemäß
herstellen wollte, meist total umarbeiten müssen, und dazu
verging mir natürlich die Lust. Um z. B. das Blech
durchgehends auf ein vernünftiges Maß zurückzuführen,
hätte ich konsequenterweise alles umzuändern gehabt, denn
das Blech war hier eben nicht nur Zufalligkeit, sondern
es lag in der ganzen Art .... der Komposition so
bedingt . . . Nur wo es rein überslüssig war, habe

ich daher das Blech etwas ausgemerzt, hier nnd da etwas
menschlicher nüanzirt, und unr in der Ouverture den Schluß
gründlicher vorgenommen.« Bei nochmaliger Durchsicht
der Partitur fand der emsig bessernde Künstler noch etwas
zn mildern, was man aus der folgeuden Stelle eines 1853
an Liszt gerichteten Briefes ersehen kann. Er schreibt:
»Hier schicke ich Dir noch cine Änderung; Du wirst sogleich
sinden, wohin sie gehört; das Blech und die Pauken bei
diesem Schlage waren von zu grober, materieller Wirkung:
man soll über Sentas Schrei beim Anblicke des Holländers
erschrecken, nicht über die Pauke und das Blech.« -—
Deutlicher kann sich cin Komponist über seine Absichten
nicht anssprechen. Gerade also was ihm von vielen
Seiten als Fehler vorgeworfen wurde, das suchte er um
jeden Preis zu vermeiden: das Lärmende. Haben wir
hiermit unserer Ansicht, daß Wagner nicht lärmend
instrnmentirt habe, durch bezeichnende eigene Äußerungen
des Meisters nachgewiesen, so müssen wir anderseits doch
erklären, keinerlei Widerspruch bereit zu haben, wenn
jemand behaupten wollte, die Jnstrnmentation, namentlich
in den letzteren Werken, sei lastend. Sowohl die uner-
hörte wohlige Klangfülle der Bläser, als das dnrch die
vielen Streicherfigureu Hervorgebrachte Rauschen des
Orchesters sind oft darnach angethan, das Wort, den
Ton des Sängers zu verschlingen. Ob dieser Fall aber
in Wagnerschen Werken häufiger eintritt, als in jenen
anderer Meister, möge eiu statistisches Talent ermitteln.
Sicher ist nur, daß Wagner gcrade seine großen letzteren
Opern in Rücksicht auf ein verdecktes Orchester schrieb,
anderscits aber trotz diescr Voraussetzung nach einem ganz
cigenen System verfuhr, dem vor ihm besonders Meyerbeer
gesolgt war. Er halt nämlich gleichsam zwei Orchester
in Bereitschaft. Das eine ist der gehorsame Unterthan
 
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