deutender wirkt der Freilichtmaler Karl Marr mit seinem
musterhaft durchgeführten Portrait.
Nun wäre noch das hener sehr zahlreich vertretene
Blumenstück zu erwähnen. Recht hübsch und anmutig ist
Marie Hermanns „Des Dirndls Fensterl". Der Schindler-
Schüler C. Moll behandelt ein ähnliches Motiv, aber mit noch
mehr virtuosem Können. Der Zyklus „Die zwölf Monate" der
Frau Olga Wisinger-Florian dürfte wohl zu dem
Vollendetsten gehören, was die Künstlerin bislang hervorge-
bracht hat. Nicht allein wegen der Behandlung der Farben
und Formen, der sinnigen und findigen Zusammenstellung des
Einzelnen, sondern weit mehr wegen der Stimmung, die diesen
Bildern innewohnt. Paul wilhelm.
* Ikuiist und Armut. (Schluß.)
Bei den älteren Niederländern und Deutschen ist der
Pobel geschildert in der rohen Menge, die den leidenden
Christns verspottet und sich unter dem Kreuze drängt.
Auch die derben Freuden des Bauernstandes, seine Tänze
und Lustbarkeiten sind seit dem fünfzehnten Jahrhnndert
ein Leliebter Gegenstand. Erfrischend ist in diesen Bildern
die nnverfälschte Natürlichkeit und die gesunde Kraft, aber
unverkennbar anch die Lust an der Rohheit und Tölpel-
haftigkeit. Für die Maler des siebzehnten Jahrhnnderts
war gerade diese burleske Seite des Landvolkes eine will-
kommene Gelegenheit, um ihre feinsten Kunstmittel in
Beleuchtung und Kolorit an scheinbar niederen Gegen-
ständen zu bewähren. Der vornehme holländische Kaus-
mann und der vlämische Kavalier erfreuten sich an diesen
Bildern eines Ostade und Teniers, wie sie mit ihren
Damen auf die Bauernkirmeß fuhren, um sich an dem
rohen Treiben der ungebildeten Menge zu ergötzen. Nur
ganz vereinzelt finden wir eine Darstellung, die Mitgefühl
uüt den Leiden der Armut verrät, desto häufiger — vor
Allem bei Rembrandt — das Behagen an der grotesken
Verkommenheit der Strolche und Landstreicher. Erst am
Ende des achtzehnten Jahrhunderts wendet sich die
Humanität der Aufklärung auch den niederen Ständen zu.
Jn unseren Tagen ist gerade in Holland durch Jsraels
die Poesie in dem einfachen Leben der Fischer und Land-
leute mit allen Reizen feinster Lichtwirkung geschildert
worden, und in allerneuester Zeit ist die demokratische
Strömung des neuen Jtaliens auch in der Künst zur
Geltung gekommen. Diese italienischen Gemälde reden
von der leidenschaftlichen Erbitterung des Proletariats,
häusiger von dem bescheidenen Sinn des Volkes, das auch
bei karger Nahrung Anmut und Feinheit der Empsindung
sich zu bewahren weiß. Jn Frankreich ist die Empörung
des niederen Volkes in einer Jdealgestalt verewigt worden,
in dem Bilde von Eugen Delacroix: »Der 28. Juli
t830« oder, wie es setzt heißt: »Die Freiheit auf den
Barrikaden«. Über den Trümmern einer Barrikade, über
getöteten Proletariern und Soldaten stürmt die Empörung
daher, Arbeiter und Bürger mit Säbel, Flinten und
Pistolen, ein halbwüchsiger Straßenjunge mit einer großen
Patronentasche und zwei Revolvern, mitten unter ihnen
aber eine übermenschliche Gestalt, zu der ein sterbender
Bursche begeistert emporschaut: ein kraftvolles Weib in
phrygischer Mütze, entblößt bis zu den Hüften, mit brauner
Haut und kühnem Profil, in der Linken die Flinte, in
der Rechten hoch die dreifarbige Fahne schwingend. Jst
es ein Sinnbild der Volkskrast oder der Freiheit? Wir
fragen nicht danach, wir sehen in dieser Allegorie die
Revolution verkörpert und in dem farbigen Dunst, der
das Bild erfüllt, hören wir den Schrei des Ausruhrs,
^ das Knattern des Gewehrfeuers, den Trommelwirbel und
das Heulen der Sturmglocken.
Jn einem eben erschienenen Buche (von E. Reich) über
die bürgerliche Kunst und die besitzlosen Volksklassen heißt
es: »Die Schlachten, welche in Uniformen geliefert werden,
sind nur allzu beliebte Motive, jene Schlachten aber, welche
die Jndustrie schlägt, die Kämpfe der Arbeiterbataillone
mit Hacke und Schaufel, von ihnen darf meist kaum ein
leiser Widerhall in jenen Kreisen nachtönen, welche heute
die bürgerliche Kunst pslegen und Leschützen.« Das ist
eine seltsame Behauptnng in einer Zeit, da Millets Ar-
beiterbilder die höchsten Preise erzielen. Solche Bilder
sind ja heute sehr beliebt, nur soll man nicht glauben,
daß die Arbeiter selbst daran besonderes Wohlgefallen
haben. Sie fordern von der Kunst wie alle Andern, ja
mehr als alle Andern Befreiung und Erhebung. Sie
wollen herausgehoben werden aus der Enge und dem
Druck der täglichen Mühsal. Dazu Lrauchen sie nicht
einmal immer ideale Gestalten. Sie haben ihre Freude
auch an Allem, was glänzend, froh und zierlich ist. Wohl
mag das Elend einzelne Gemüter so ties verbittert haben,
daß sie mißgünstig auf den heitern Schmuck des Reich-
tums sehen. Doch hört man, was arme Frauen vor
dem Bilde eines Mädchens aus den höheren Ständen
sagen, da loben sie die Klugheit und die Herzensgüte in
den feinen Zügen und nicht weniger die Kleidung und
den Zierrat, der von einem leichten anmutvollen Dasein
spricht.
Es ist nun nicht zu leugnen, daß zum Verständnis
vieler Werke Kenntnisse und auch Empsindungen gefordert
werden, die nnr eine höhere Bildung giebt. Beobachtet
man die Leute vor den Schaufenstern der Kunsthandlungen,
so wird ein jedes Bild aufmerksam betrachtet, und die
erste Frage ist: was stellt es vor? — ein Grund sür
Manchen, von der Höhe seiner ästhetischen Bildung ver-
ächtlich auf das stoffliche Jnteresse herabzusehen. Allein
ein jedes Kunstwerk hat doch etwas mitzuteilen, mag es
uun die Er-zählung eines Menschenschicksals oder die
Stimmung einer Laudschaft sein. Und alle Mittel, die
durch »die Kunst für die Kunst« geschaffen werden, sind
nur in so weit etwas wert, als sie zum Ausdruck jenes
Jnhalts dienen. Wollten wir die künstlerischen Mittel
um ihrer selbst willen gelten lassen, so kämen wir bald
zu einer Kunst für die Künstler, womit diesen am wenigsten
gedient sein möchte. Allerdings, vor dem Ausschnitt eines
Kartofselseldes oder eiuer Wiese, wie sie von der modernsten
Malerei auf den Markt gebracht werden, wird der Mann
aus dem Volke nicht begreifen, was es bedeuten soll, aber
ich muß gestehen, daß es mir nicht anders geht. Glück-
licherweise ist das menschliche Leben so unendlich reich, daß
wir nach Stofsen, die Jedem verständlich sind, nicht weit
zu suchen brauchen. Sollte ich einen Künstler nennen, der
mit dem feinsten Formensinn, der reichsten Bildung zum
Kinderherzen selbst zu sprechen wüßte, so würde ick an
Ludwig Richter erinneru. Auf seinen Werken liegt jetzt
schon ein leiser Duft wie auf vergilbten Blättern aus
vergangenen Tagen: zu ihrer Zeit haben sie in manches
arme Haus den frohen Glanz der reinsten Poesie gebracht.
Bei ihm fühlt Jeder das lächelnde Behagen an der engsten
Häuslichkeit und dann wieder die sreie Wanderlust in
Berg und Wald. Und wie er die heimatlichen Fluren, die
Lebensalter und den Gang der Jahreszeiten, Philisterei
und Märchenpoesie mit schönen reinen Linien umschreibt,
da lernen wir mit seinen Äugen sehen, wie er über der
— 281 —
musterhaft durchgeführten Portrait.
Nun wäre noch das hener sehr zahlreich vertretene
Blumenstück zu erwähnen. Recht hübsch und anmutig ist
Marie Hermanns „Des Dirndls Fensterl". Der Schindler-
Schüler C. Moll behandelt ein ähnliches Motiv, aber mit noch
mehr virtuosem Können. Der Zyklus „Die zwölf Monate" der
Frau Olga Wisinger-Florian dürfte wohl zu dem
Vollendetsten gehören, was die Künstlerin bislang hervorge-
bracht hat. Nicht allein wegen der Behandlung der Farben
und Formen, der sinnigen und findigen Zusammenstellung des
Einzelnen, sondern weit mehr wegen der Stimmung, die diesen
Bildern innewohnt. Paul wilhelm.
* Ikuiist und Armut. (Schluß.)
Bei den älteren Niederländern und Deutschen ist der
Pobel geschildert in der rohen Menge, die den leidenden
Christns verspottet und sich unter dem Kreuze drängt.
Auch die derben Freuden des Bauernstandes, seine Tänze
und Lustbarkeiten sind seit dem fünfzehnten Jahrhnndert
ein Leliebter Gegenstand. Erfrischend ist in diesen Bildern
die nnverfälschte Natürlichkeit und die gesunde Kraft, aber
unverkennbar anch die Lust an der Rohheit und Tölpel-
haftigkeit. Für die Maler des siebzehnten Jahrhnnderts
war gerade diese burleske Seite des Landvolkes eine will-
kommene Gelegenheit, um ihre feinsten Kunstmittel in
Beleuchtung und Kolorit an scheinbar niederen Gegen-
ständen zu bewähren. Der vornehme holländische Kaus-
mann und der vlämische Kavalier erfreuten sich an diesen
Bildern eines Ostade und Teniers, wie sie mit ihren
Damen auf die Bauernkirmeß fuhren, um sich an dem
rohen Treiben der ungebildeten Menge zu ergötzen. Nur
ganz vereinzelt finden wir eine Darstellung, die Mitgefühl
uüt den Leiden der Armut verrät, desto häufiger — vor
Allem bei Rembrandt — das Behagen an der grotesken
Verkommenheit der Strolche und Landstreicher. Erst am
Ende des achtzehnten Jahrhunderts wendet sich die
Humanität der Aufklärung auch den niederen Ständen zu.
Jn unseren Tagen ist gerade in Holland durch Jsraels
die Poesie in dem einfachen Leben der Fischer und Land-
leute mit allen Reizen feinster Lichtwirkung geschildert
worden, und in allerneuester Zeit ist die demokratische
Strömung des neuen Jtaliens auch in der Künst zur
Geltung gekommen. Diese italienischen Gemälde reden
von der leidenschaftlichen Erbitterung des Proletariats,
häusiger von dem bescheidenen Sinn des Volkes, das auch
bei karger Nahrung Anmut und Feinheit der Empsindung
sich zu bewahren weiß. Jn Frankreich ist die Empörung
des niederen Volkes in einer Jdealgestalt verewigt worden,
in dem Bilde von Eugen Delacroix: »Der 28. Juli
t830« oder, wie es setzt heißt: »Die Freiheit auf den
Barrikaden«. Über den Trümmern einer Barrikade, über
getöteten Proletariern und Soldaten stürmt die Empörung
daher, Arbeiter und Bürger mit Säbel, Flinten und
Pistolen, ein halbwüchsiger Straßenjunge mit einer großen
Patronentasche und zwei Revolvern, mitten unter ihnen
aber eine übermenschliche Gestalt, zu der ein sterbender
Bursche begeistert emporschaut: ein kraftvolles Weib in
phrygischer Mütze, entblößt bis zu den Hüften, mit brauner
Haut und kühnem Profil, in der Linken die Flinte, in
der Rechten hoch die dreifarbige Fahne schwingend. Jst
es ein Sinnbild der Volkskrast oder der Freiheit? Wir
fragen nicht danach, wir sehen in dieser Allegorie die
Revolution verkörpert und in dem farbigen Dunst, der
das Bild erfüllt, hören wir den Schrei des Ausruhrs,
^ das Knattern des Gewehrfeuers, den Trommelwirbel und
das Heulen der Sturmglocken.
Jn einem eben erschienenen Buche (von E. Reich) über
die bürgerliche Kunst und die besitzlosen Volksklassen heißt
es: »Die Schlachten, welche in Uniformen geliefert werden,
sind nur allzu beliebte Motive, jene Schlachten aber, welche
die Jndustrie schlägt, die Kämpfe der Arbeiterbataillone
mit Hacke und Schaufel, von ihnen darf meist kaum ein
leiser Widerhall in jenen Kreisen nachtönen, welche heute
die bürgerliche Kunst pslegen und Leschützen.« Das ist
eine seltsame Behauptnng in einer Zeit, da Millets Ar-
beiterbilder die höchsten Preise erzielen. Solche Bilder
sind ja heute sehr beliebt, nur soll man nicht glauben,
daß die Arbeiter selbst daran besonderes Wohlgefallen
haben. Sie fordern von der Kunst wie alle Andern, ja
mehr als alle Andern Befreiung und Erhebung. Sie
wollen herausgehoben werden aus der Enge und dem
Druck der täglichen Mühsal. Dazu Lrauchen sie nicht
einmal immer ideale Gestalten. Sie haben ihre Freude
auch an Allem, was glänzend, froh und zierlich ist. Wohl
mag das Elend einzelne Gemüter so ties verbittert haben,
daß sie mißgünstig auf den heitern Schmuck des Reich-
tums sehen. Doch hört man, was arme Frauen vor
dem Bilde eines Mädchens aus den höheren Ständen
sagen, da loben sie die Klugheit und die Herzensgüte in
den feinen Zügen und nicht weniger die Kleidung und
den Zierrat, der von einem leichten anmutvollen Dasein
spricht.
Es ist nun nicht zu leugnen, daß zum Verständnis
vieler Werke Kenntnisse und auch Empsindungen gefordert
werden, die nnr eine höhere Bildung giebt. Beobachtet
man die Leute vor den Schaufenstern der Kunsthandlungen,
so wird ein jedes Bild aufmerksam betrachtet, und die
erste Frage ist: was stellt es vor? — ein Grund sür
Manchen, von der Höhe seiner ästhetischen Bildung ver-
ächtlich auf das stoffliche Jnteresse herabzusehen. Allein
ein jedes Kunstwerk hat doch etwas mitzuteilen, mag es
uun die Er-zählung eines Menschenschicksals oder die
Stimmung einer Laudschaft sein. Und alle Mittel, die
durch »die Kunst für die Kunst« geschaffen werden, sind
nur in so weit etwas wert, als sie zum Ausdruck jenes
Jnhalts dienen. Wollten wir die künstlerischen Mittel
um ihrer selbst willen gelten lassen, so kämen wir bald
zu einer Kunst für die Künstler, womit diesen am wenigsten
gedient sein möchte. Allerdings, vor dem Ausschnitt eines
Kartofselseldes oder eiuer Wiese, wie sie von der modernsten
Malerei auf den Markt gebracht werden, wird der Mann
aus dem Volke nicht begreifen, was es bedeuten soll, aber
ich muß gestehen, daß es mir nicht anders geht. Glück-
licherweise ist das menschliche Leben so unendlich reich, daß
wir nach Stofsen, die Jedem verständlich sind, nicht weit
zu suchen brauchen. Sollte ich einen Künstler nennen, der
mit dem feinsten Formensinn, der reichsten Bildung zum
Kinderherzen selbst zu sprechen wüßte, so würde ick an
Ludwig Richter erinneru. Auf seinen Werken liegt jetzt
schon ein leiser Duft wie auf vergilbten Blättern aus
vergangenen Tagen: zu ihrer Zeit haben sie in manches
arme Haus den frohen Glanz der reinsten Poesie gebracht.
Bei ihm fühlt Jeder das lächelnde Behagen an der engsten
Häuslichkeit und dann wieder die sreie Wanderlust in
Berg und Wald. Und wie er die heimatlichen Fluren, die
Lebensalter und den Gang der Jahreszeiten, Philisterei
und Märchenpoesie mit schönen reinen Linien umschreibt,
da lernen wir mit seinen Äugen sehen, wie er über der
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