oder Nichtberechtigung von Standesgefühlen usw. fpielen in die
Handlung, aber sie spielen eben nur hinein, der Verfasser hält sie
nicht fest; wie Nebelbilder zerrinnt immer bald, was wir gern
bis zu gemächlicher Erfassung sest stehen gesehen hätten. Neben-
sächlich ist, daß der Untertitel „Roman aus der Artistenwelt"
nicht ganz zutrifft, daß es sich mehr um einen „Roman zwischen
der Artistenwelt" handelt, da die Personen der Haupthandlung
keineswegs sür diese Artistenwelt die typischsten Gestalten sind.
Es sei das nur der Genauigkeit halber erwähnt, denn wir
sind dem Verfasser dankbarer für einige menschlich interessantere
Ausnahmen, die er uns aus Fritzens Bekanntenkreis vorführt,
als wir für eine Neuvorführung schon wiederholt gesehener
Herren und Damen aus der Zirkuswelt wären. Die Schilderung
ist lebendig und bewegt, mitunter lustig und oft anschaulich.
Alles in allem: keine Leistung, die weit über die besseren
Mittelleistungen hervorragte, aber immerhin eine tüchtige.
Und dabei eine, die aus Gründen des stofflichen Jnteresses
sehr viele dankbare Leser finden wird.
Uünstler-Dramen. Von Julius Schaumberger.
(München, E. Albert u. Co., 2 M.)
Jm Mittelpunkte des dreiaktigen Dramas „Die Freude"
steht der alte Gegensatz zwischen jener niedrigen Freude bloßer
„Genießlinge", die eigentlich „Rausch" ist, und der Künstler-
freude am Arbeiten, Sich-Ausleben, Schaffen. Ein junger
Künstler wird durch ein schönes Weib verführt, sieht im Genusse
einer sündigen Stunde den Beginn einer heiligen Verbindung,
wird zur Raserei getrieben, als sein Glaube zum Spott wird,
geht aber der Heilung entgegen in der Liebe eines Mädchens
aus dem anderen, edleren Kreise. Der Held des zweiten
Stückes, des einaktigen Dramolets „Ein pietätloser Mensch",
ist ein Maler, der mit dem Erwerb aus seinem ersten Bild-
verkauf lieber einem armen aber genialen Freunde die Aus-
führung einer großen Jdee ermöglichen, als Schwager Leute-
nants Spielschulden bezahlen will. Mit dem Selbstmord jenes
Freundes schließt das Stück. Wie mir scheinen will, ist der
Selbstmord an dieser Stelle wohl als möglich, aber nicht als
wahrscheinlich hingestellt.
Beide Dramen sind mehr Skizzen, als ausgeführte Werke;
vielleicht ist schon ihr räumlicher Umsang zu tiefdringender
Seelencharakteristik zu klein. Der Verfasser ist nicht immer
so überlegen über seinen Stoff, daß er ihn recht frei behandeln
könnte - insbesondere in der Abfertigung der Philister durch
den Maler im zweiten Stücke tritt das hervor. So kommt
es, daß uns Schaumberger mit seinem begeisterten Jdealismus
vorläufig menschlich doch noch sympathischer ist, denn als
Künstler, so unverkennbar an vielen Stellen auch dichterische
Begabung spricht.
Die Geschichte vom abgerissenen Rnopse. Von
Otto Erich Hartleben. (Berlin, S. Fischer, 2 Mk.)
Jene leichte und lustige Plauderei von einer Studenten-
liebschaft, die schon über die Bühne gegangen ist, hier in er-
zählender Form, dazu als Beigabe, „Wie der Kleine zum Teufel
wurde", eine Geschichte, deren eigentliche Heldin auch die der
ersten Geschichte ist. Dem „ethischen" und dem „Problem"--
Gehalt nach sehr leicht oder gar nichts wiegende Ware, aber so
geschickt gemachte, daß wir sie hier nicht übergehen dürfen. Denn
die Fähigkeit eines so unterhaltenden Plauderns, daß auch
künstlerische Ansprüche davon besriedigt werden, ist in Deutsch-
land selten zu finden; Hartleben verfügt über sie in gutem
Maße. Und er giebt bei aller scheinbaren Oberflächlichkeit des
Vortrages stets wirklich charakteristische Schilderungen.
* Eine kleine Gottkrled Neller-Ausstellung hat jetzt
die Züricher Stadtbibliothek veranstaltet. Vor allem, schreibt
über sie der Berner „Bund", sesseln hier die rAalerischen Skizzen
und Studien und die wenigen ausgeführten Bilder, von deren
Entstehung er im »Grünen Heinrich« so anziehende Schilderungen
entwirft. Sorgfältige Zeichnung, treues Naturstudium, ge-
wissenhafte Arbeit tritt überall als charakteristisch hervor, auch
die Stimmung ist in manchen Landschaftsbildern zu ihrem
Rechte gekommen. So in der Baumlandschaft bei Abend-
beleuchtung, in der Landschaft mit Gewitterstimmung und in
einer phantastisch komponirten ossianischen Landschast, die so
recht zum Aufenthalt der Heldengeister des schottischen Barden
geschaffen scheint. Unter den Bildnissen des Dichters treffen
wir das von C. Hitz (lssz) und das von Frank Buchser
(t872), das den genialen Zug des Dichterprofils am besten
wiedergegeben zu haben scheint, sodann die Radirung von
Karl Stauffer und die von Kißling gesertigte Marmorbüste,
die nun das Vestibül des Züricher Rathauses ziert. Hierher
gehört auch die von Kißling aufgenommene Totenmaske und
der Gipsabguß der rechten Hand, der sich im Besitze des
Testamentsvollstreckers Prof. Schneider befindet. Zahlreich
sind die Ehrengeschenke, Urkunden, Adressen, die G. Keller
namentlich in den letzten Jahren und bei Anlaß des 70. Ge-
burtstages erhalten hat. Die Regierung schenkte ihm im Juli
t876, bei Anlaß seines Rücktrittes vom Amte eines Staats-
schreibers, einen silbernen Becher. Auch von den Schweizern
im Auslande erhielt er bei seinem 70. Geburtstage einen
solchen, sowie einen silbernen Lorbeerkranz von prächtiger
Arbeit. Unter den Adressen ragt das Glückwunschschreiben des
Bundesrates zum 70. Geburtstage durch die innere Bedeutung
wie durch die gute Ausführung hervor. Die Glückwunschadresse
von Freunden und Verehrern zu Berlin enthält die gefeiertsten
Namen der deutschen Hauptstadt, Gras Moltke voran. Bei-
gesügt waren dieser Adresse zwei Aquarelle aus der Hand
Hertels, von denen eines die Bauhofstraße in Berlin, in welcher
Keller einige Zeit gewohnt hat, und das andere den von ihm
besungenen Tegeler See vorstellt.
* Gux de /IKaupasSÄNt, der geniale französische Er-
zähler, der trotz allem, was uns Deutsche an ihm sremd be-
rühren und dann und wann von ihm abstoßen mag, einer der
echtesten Dichter unsrer Zeit war, ist am 6. d. M. in der
Jrrenanstalt gestorben, dreiundvierzig Jahre alt.
Tbeater.
* über die /lkassenerzeugung von Tbeaterstücken
lesen wir in der „Tägl. Rundschau" das Folgende, das auch
unserer Auffassungsweise entspricht:
Die Anzahl der verschiedenen „Originalstücke", welche bei
den Theatern des Deutschen Reiches in einer Spielzeit ein-
gehen, beträgt etwa viertausend.
Viertausend Theaterstücke in einer Spielzeit! Man
wird da unwillkürlich an das herbe Wort Schopenhauers er-
innert: „Die Anzahl der guten Bücher zu derjenigen der
fehlerhaften verhält sich wie t: 20 000. Die meisten Bücher
wären besser ungeschrieben geblieben!" Und wie würde der
Alte, der diese starke Übertreibung in einer Anwandlung von
besonders übler Laune niedergeschrieben haben muß, erst
triumphiren, wenn er erführe, daß von diesen viertausend
Bühnenwerken im Theaterjahre l890/9 t nur etwa t20 das
Licht der Rampen erblickt haben. Welch ungeheures Mißver-
hältnis, das nicht blos sür das eine Jahr gilt, sondern über-
haupt sür die letzten Jahre besteht.
Herr Götz Verding, welchem wir diese Angaben, die er
mit Bienenfleiß gesammelt hat, verdanken, liefert in seiner
Broschüre: „Wie die deutschen Theater die Knnst fördern"
(Berlin, Richard Heinrich) eine Studie über Eingang, Apf-
— 30s —
Handlung, aber sie spielen eben nur hinein, der Verfasser hält sie
nicht fest; wie Nebelbilder zerrinnt immer bald, was wir gern
bis zu gemächlicher Erfassung sest stehen gesehen hätten. Neben-
sächlich ist, daß der Untertitel „Roman aus der Artistenwelt"
nicht ganz zutrifft, daß es sich mehr um einen „Roman zwischen
der Artistenwelt" handelt, da die Personen der Haupthandlung
keineswegs sür diese Artistenwelt die typischsten Gestalten sind.
Es sei das nur der Genauigkeit halber erwähnt, denn wir
sind dem Verfasser dankbarer für einige menschlich interessantere
Ausnahmen, die er uns aus Fritzens Bekanntenkreis vorführt,
als wir für eine Neuvorführung schon wiederholt gesehener
Herren und Damen aus der Zirkuswelt wären. Die Schilderung
ist lebendig und bewegt, mitunter lustig und oft anschaulich.
Alles in allem: keine Leistung, die weit über die besseren
Mittelleistungen hervorragte, aber immerhin eine tüchtige.
Und dabei eine, die aus Gründen des stofflichen Jnteresses
sehr viele dankbare Leser finden wird.
Uünstler-Dramen. Von Julius Schaumberger.
(München, E. Albert u. Co., 2 M.)
Jm Mittelpunkte des dreiaktigen Dramas „Die Freude"
steht der alte Gegensatz zwischen jener niedrigen Freude bloßer
„Genießlinge", die eigentlich „Rausch" ist, und der Künstler-
freude am Arbeiten, Sich-Ausleben, Schaffen. Ein junger
Künstler wird durch ein schönes Weib verführt, sieht im Genusse
einer sündigen Stunde den Beginn einer heiligen Verbindung,
wird zur Raserei getrieben, als sein Glaube zum Spott wird,
geht aber der Heilung entgegen in der Liebe eines Mädchens
aus dem anderen, edleren Kreise. Der Held des zweiten
Stückes, des einaktigen Dramolets „Ein pietätloser Mensch",
ist ein Maler, der mit dem Erwerb aus seinem ersten Bild-
verkauf lieber einem armen aber genialen Freunde die Aus-
führung einer großen Jdee ermöglichen, als Schwager Leute-
nants Spielschulden bezahlen will. Mit dem Selbstmord jenes
Freundes schließt das Stück. Wie mir scheinen will, ist der
Selbstmord an dieser Stelle wohl als möglich, aber nicht als
wahrscheinlich hingestellt.
Beide Dramen sind mehr Skizzen, als ausgeführte Werke;
vielleicht ist schon ihr räumlicher Umsang zu tiefdringender
Seelencharakteristik zu klein. Der Verfasser ist nicht immer
so überlegen über seinen Stoff, daß er ihn recht frei behandeln
könnte - insbesondere in der Abfertigung der Philister durch
den Maler im zweiten Stücke tritt das hervor. So kommt
es, daß uns Schaumberger mit seinem begeisterten Jdealismus
vorläufig menschlich doch noch sympathischer ist, denn als
Künstler, so unverkennbar an vielen Stellen auch dichterische
Begabung spricht.
Die Geschichte vom abgerissenen Rnopse. Von
Otto Erich Hartleben. (Berlin, S. Fischer, 2 Mk.)
Jene leichte und lustige Plauderei von einer Studenten-
liebschaft, die schon über die Bühne gegangen ist, hier in er-
zählender Form, dazu als Beigabe, „Wie der Kleine zum Teufel
wurde", eine Geschichte, deren eigentliche Heldin auch die der
ersten Geschichte ist. Dem „ethischen" und dem „Problem"--
Gehalt nach sehr leicht oder gar nichts wiegende Ware, aber so
geschickt gemachte, daß wir sie hier nicht übergehen dürfen. Denn
die Fähigkeit eines so unterhaltenden Plauderns, daß auch
künstlerische Ansprüche davon besriedigt werden, ist in Deutsch-
land selten zu finden; Hartleben verfügt über sie in gutem
Maße. Und er giebt bei aller scheinbaren Oberflächlichkeit des
Vortrages stets wirklich charakteristische Schilderungen.
* Eine kleine Gottkrled Neller-Ausstellung hat jetzt
die Züricher Stadtbibliothek veranstaltet. Vor allem, schreibt
über sie der Berner „Bund", sesseln hier die rAalerischen Skizzen
und Studien und die wenigen ausgeführten Bilder, von deren
Entstehung er im »Grünen Heinrich« so anziehende Schilderungen
entwirft. Sorgfältige Zeichnung, treues Naturstudium, ge-
wissenhafte Arbeit tritt überall als charakteristisch hervor, auch
die Stimmung ist in manchen Landschaftsbildern zu ihrem
Rechte gekommen. So in der Baumlandschaft bei Abend-
beleuchtung, in der Landschaft mit Gewitterstimmung und in
einer phantastisch komponirten ossianischen Landschast, die so
recht zum Aufenthalt der Heldengeister des schottischen Barden
geschaffen scheint. Unter den Bildnissen des Dichters treffen
wir das von C. Hitz (lssz) und das von Frank Buchser
(t872), das den genialen Zug des Dichterprofils am besten
wiedergegeben zu haben scheint, sodann die Radirung von
Karl Stauffer und die von Kißling gesertigte Marmorbüste,
die nun das Vestibül des Züricher Rathauses ziert. Hierher
gehört auch die von Kißling aufgenommene Totenmaske und
der Gipsabguß der rechten Hand, der sich im Besitze des
Testamentsvollstreckers Prof. Schneider befindet. Zahlreich
sind die Ehrengeschenke, Urkunden, Adressen, die G. Keller
namentlich in den letzten Jahren und bei Anlaß des 70. Ge-
burtstages erhalten hat. Die Regierung schenkte ihm im Juli
t876, bei Anlaß seines Rücktrittes vom Amte eines Staats-
schreibers, einen silbernen Becher. Auch von den Schweizern
im Auslande erhielt er bei seinem 70. Geburtstage einen
solchen, sowie einen silbernen Lorbeerkranz von prächtiger
Arbeit. Unter den Adressen ragt das Glückwunschschreiben des
Bundesrates zum 70. Geburtstage durch die innere Bedeutung
wie durch die gute Ausführung hervor. Die Glückwunschadresse
von Freunden und Verehrern zu Berlin enthält die gefeiertsten
Namen der deutschen Hauptstadt, Gras Moltke voran. Bei-
gesügt waren dieser Adresse zwei Aquarelle aus der Hand
Hertels, von denen eines die Bauhofstraße in Berlin, in welcher
Keller einige Zeit gewohnt hat, und das andere den von ihm
besungenen Tegeler See vorstellt.
* Gux de /IKaupasSÄNt, der geniale französische Er-
zähler, der trotz allem, was uns Deutsche an ihm sremd be-
rühren und dann und wann von ihm abstoßen mag, einer der
echtesten Dichter unsrer Zeit war, ist am 6. d. M. in der
Jrrenanstalt gestorben, dreiundvierzig Jahre alt.
Tbeater.
* über die /lkassenerzeugung von Tbeaterstücken
lesen wir in der „Tägl. Rundschau" das Folgende, das auch
unserer Auffassungsweise entspricht:
Die Anzahl der verschiedenen „Originalstücke", welche bei
den Theatern des Deutschen Reiches in einer Spielzeit ein-
gehen, beträgt etwa viertausend.
Viertausend Theaterstücke in einer Spielzeit! Man
wird da unwillkürlich an das herbe Wort Schopenhauers er-
innert: „Die Anzahl der guten Bücher zu derjenigen der
fehlerhaften verhält sich wie t: 20 000. Die meisten Bücher
wären besser ungeschrieben geblieben!" Und wie würde der
Alte, der diese starke Übertreibung in einer Anwandlung von
besonders übler Laune niedergeschrieben haben muß, erst
triumphiren, wenn er erführe, daß von diesen viertausend
Bühnenwerken im Theaterjahre l890/9 t nur etwa t20 das
Licht der Rampen erblickt haben. Welch ungeheures Mißver-
hältnis, das nicht blos sür das eine Jahr gilt, sondern über-
haupt sür die letzten Jahre besteht.
Herr Götz Verding, welchem wir diese Angaben, die er
mit Bienenfleiß gesammelt hat, verdanken, liefert in seiner
Broschüre: „Wie die deutschen Theater die Knnst fördern"
(Berlin, Richard Heinrich) eine Studie über Eingang, Apf-
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