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Kunstwart und Kulturwart — 26,2.1913

DOI Heft:
Heft 7 (1. Januarheft 1913)
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Nordhausen, Richard; Avenarius, Ferdinand: Rechtsanwalt und Staatsanwalt
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https://doi.org/10.11588/diglit.14285#0023

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widmen, Leute von bedeutender Gewandtheit und Klugheit, bedarf
kaum der Erwähnung. Der ewigs Kampf schärft ihr Können, und so
ist es beinahe naturwissenschaftlich zu erklären, daß sie allmählich einem
Teile der Richter, das heißt den Mittelmäßigkeiten, wie auch vielen
Mitgliedern der Staatsanwaltschaft geistig über den Kopf wachsen.
Gerade den Amts- und Staatsanwälten werden ihre autoritative
Stellung, ihre starken Vorrechte leicht zum Verdsrben. In literarischen
Prozessen habe ich wiederholt mit steigender Verwunderung bsobachtst,
wie schlecht sich die Staatsanwälte selbst dann vorzubereiten pflegten,
wenn sie auf einen Blütenkranz „berühmter Verteidiger" und eine
Phalanx eingefuchster, von diesen Verteidigern geladener Sachverstän--
digen stießen. Die beschämende Kluft deckte keine staatliche Macht--
vollkommenheit und kein Privileg zu; übermäßig schroff trat sie zu-
tags. Der Gewaltherrschaft einer gewissen Advokatur könnte schon
jetzt, vor der Durchführung der notwendigen Reformen, Abbruch ge-
tan werden, wenn man wirkliche und starke Begabungsn, absr auch
nur solche, in reicherer Fülle für die staatsanwaltliche Laufbahn aus-
wählte. s >

Richter, Staatsanwalt und Rechtsanwalt, ihre Befugnisse und ihre
Pflichten werden den Gesetzgeber der nahen Zukunft eingehend beschäs-
tigen müssen. Was soll uns die vielerwähnte Verbesserung und Mo-
dernisierung des Strafgesetzes wie des Strafprozesses, wenn es bei
allerlei kleinerem Aufputz bleibt, statt daß endlich dis Gelegenheit beim
Schopfe gefaßt und deutsches Recht gsschaffen wird? Der Richter muß,
das sei wiederholt, in Zukunft wichtiger als der Paragraph sein.
Alle überragend, leitet und urteilt er, ein tief schürfender Menschen-
kenner, der nicht nur die Tat, sondsrn vor allem die Gesinnung des
Täters wertst und stets das Motiv zu erforschen sucht. Das Mißtrausn,
das Gesetzgeber, Behörde und Publikum noch allzuoft, wenn auch
uneingestanden, gegsn ihn hegen, wird von selber schwinden, sobald
er die seiner einzig würdige Stellung einnimmt. Von Rechts wegen
hätten wir vorm deutschen Richter weder Staatsanwalt noch Anwalt
nötig, die beide Parteivertreter, also nicht uneingeschränkt wie er
Vertreter und Sucher des Rechtes sind. Falls aber und so lange
auf ihre Mitwirkung bestanden wird, muß man die Macht-
vollkommenheit des Richters steigern und ihnr zugleich wirk-
liche Anparteilichkeit ermöglichen. Gegen den Angeklagten vor-
zugehen, dessen Schuld zu erweisen, ist nicht seine Aufgabe, sondern
die der Staatsanwaltschaft. Entscheiden soll er, wsiter nichts. Daraus
ergibt sich dann die Verteidigertätigkeit von selbst. Staatsanwalt und
Verteidiger unterstehen beide der richterlichen Gewalt so gut wie
jeder andere im Lande. Man kann seine Macht ihnen gegenüber um
so unbesorgter erhöhen, als er ja dem Kampfgewühl selbst entrückt ist
und zumal mit der Verteidigung nicht entfernt so häufig wie jetzt zu-
sammenprallen wird, wo er unablässig den ihm verdächtigen An-
gsklagten zu überführen versucht, also von vornherein in eine Kampf-
stellung zu ihm und seinem Vsrtreter gerät.

Rechtsanwalts- und Staatsanwaltsprobleme ruhen im Richter-
Problems beschlossen. Mit der Hauptschwierigkeit lösen wir auch alle
kleinen — und der Weg zum ersehnten Ziel liegt dem klar vor Augen,

s Kunstwart XXVI, 7
 
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