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Kunstwart und Kulturwart — 26,2.1913

DOI Heft:
Heft 7 (1. Januarheft 1913)
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Nordhausen, Richard; Avenarius, Ferdinand: Rechtsanwalt und Staatsanwalt
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https://doi.org/10.11588/diglit.14285#0024

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der den innigen Zusammenhang zwischen uralten deutschen Rechts-
instinkten nnd heutigem deutschen Rechtsempfinden sieht.

Richard Nordhausen
^ ch möchte um die Erlaubnis bitten, Nordhausens auch meiner Äber-
<)zengung nach durchaus berechtigten Worten noch einige über die
Ausübung des staatsanwaltlichen Beruss anzuschließen. Wenn
der Verteidiger amtspflichtmäßig nur geltend zu machen hat, was
seinen Klienten entlastet, wenn er einer Erwägung zu dessen Un-
gunsten nicht einmal Worte geben darf, wenn es damit sür ihn zur
Voraussetzung seiner Tätigkeit wird, daß er bewußt oder unbewußt
stch in die Aberzeugung von Itnschuld oder Mindsstschuld seine^
Klienten zuweilen geradezu hineinsuggerieren muß — so muß das
auf den Vertreter der Anklagebehörde ganz notwendig im entgegen-
gesetzten Sinne wirken. Er sieht also und er betont, was ihm gegen
den Angeklagten zu sprechen scheint, und wiedernm: nur dies. Ä:ber
wie begreiflich das ist und wie selten es den Laien stören mag: es
ist doch falsch. Der Staatsanwalt ist nach unsern rechtsgültigen Ve-
stimmungen nur der Form nach gegen den Angeklagten vorgehende
Partei, er ist nicht beauftragt, allein das diesem Rngünstige gcltend
zu machen, wie der Verteidiger allein das ihm Günstige. Er hat dsn
staatlichen Auftrag, die Wahrheit zu ersorschen, auch zur Ent-
lastnng des Angeklagten, er ist befugt, Rechtsmittel auch zu seineu
Gunsten einzulegen. Es kommt ja vor, daß hiervon Gebrauch ge-
macht wird, aber wie verschwindend selten sind bei uns solche tZallc,
sind die Fälle eines Bemühens der Staatsanwaltschast, dem <ln-
geklagten zu helfen, wenn seine Schuld zweifelhaft ist oder im Lau,
der Verhandlung zweifelhaft wird! Man srage auch unter den Ge-
bildeten herum, die gelegentlich Gerichtsverhandlungen beiwohnen
oder sie mitmachen müssen: es sollte mich wundern, wenn auch nur
unter zehnen einer den Eindruck hätte, daß der Staatsanwalt ern
Beamter sei, der genau ebenso sorgfältig wie jedes belastends auch
jedes entlastende Moment verfolge. Den meisten wird die Auffassung
ganz selbstverständlich scheinen: der Staatsanwalt ist eben der be-
rufene Gegner, der eine Bestrafung anstrebt. Geht doch sogar
im Publikum die Sage: seiner vorgesetzten Behörde gegsnüber ser e^>
sür den Staatsanwalt sataler, wenn das Gericht einmal über seinen
Strafantrag hinausgriffe, als wenn es darunter bliebe, ja sogar: als
wenn es gegen seinen Antrag freispräche. ..

Die Äbermacht des Formalen in der modernen deutschen Rechts-
Pflege macht das Gericht zu einer Art Paragraphen-Anwendungs-
Apparat. Das Verhalten so vieler Rechtsanwälte kann nr serner
Widerlichkeit nicht oft genug geschildert und nicht energisch genug ae-
bändigt werden. Gewiß. Aber auch das herabsinken vieler Staars-
anwälte von unparteiischen Wahrheitsermittlern zu parteiischen Gsg-
nern des Angeklagten trägt zur Abneigung des Volkes gegen dre
Iustiz ein gutes Maß bei.' Gestehen wir uns endlich ein, wre iauer
es ankommt: wir mögen den Rechtskundigen der verschiedenen Berufe
als Msnschen noch so sehr vertrauen, unsrer Rechtspflege als Einrich-
tung vertrarren wir in sehr vielen Fällen nicht mehr. Auch da nicht
mehr, wo wir die Richter für stark genug halten, den Einflüssen, die

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