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Kunstwart und Kulturwart — 26,2.1913

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Heft 9 (1. Februarheft 1913)
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Vom Heute fürs Morgen
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https://doi.org/10.11588/diglit.14285#0254

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bis jetzt noch nicht gelernt. Sie
würden an den deutschen Schüler-
arbeiten gute Studien machen kön-
nen, denn es ist erstannlich, wie
die vernünftige handwerkliche Form-
begründung und Zweckfügigkeit
überall und ungewollt lebendige
Verbindungen mit der Aberliefe-
rung herstellt. Erich Vogeler

Vom Beockern

n einem großen „Kunstgewerbe-
haus" sehe ich in einer unbeachte-
ten Ecke unter einem Tisch einen
prächtigen griechischen Frauenkopf.
Er stellt sich als Nachlaß eines
allzufrüh verstorbenen Bildhauers
dar, der für einen hohen Herrn eine
Antike ergänzt und sich von seiner
Arbeit diesen Abguß aufbewahrt
hatte. Eine ganz vornehme, edle
Wirkung! Mit lebhafter Leilnahme
freue ich mich ihrer und mache mich
in kurzem Handel zum Eigentümer.
Eine kleine Beschädigung am Hals
soll von einem Angestellten aus-
gebessert werden, aber die einfach
schlichte, ruhige Tönung, die den
feinsten Geschmack des Künstlers
verrät, soll nicht angetastet werden
— das mache ich ausdrücklich zur
Pflicht. Einen Augenblick überlege
ich: Soll ich den Kopf nicht doch
lieber gleich unter den Arm neh-
men?, komme aber von diesem
ahnungsvollen Mißtrauen wegen
des guten Namens des Kunsthauses
wieder ab. Nach ein paar Tagen
bringt mir ein Bote die teure Last,
ich quittiere über die richtige Ab°
lieferung. Dann geht's mit feier-
lichem Hochgefühl ans Auswickeln.
Der Schlag will mich rühren. Ist
das noch die selbe edle, herbe,
keusche Athene wie von vorgesteru?
In den Haaren, in den Augen-
winkeln, in den Naslöchern, den
Ohren, auf den Lippen, überall
sitzt der dicke Ockerl Während ich
wie ein Rasender tobe, macht sich

mein Freund, der Maler, zur Tat
bereit. Zwei- oder dreimal vier-
undzwanzig Stunden hat der Gute
sich mit rührender Geduld abge-
müht, die Schmutzerei zu entfer-
nen. Mit mäßigem Erfolg.

Hast du aber dieses erlebt und
wagst, dich an zuständiger Stelle
zu beklagen, so wird man dich dort
erstaunt anblicken und dich fragen,
was du denn eigentlich wollest: Das
werde doch überall gemacht, das
sei „Altelfenbein" oder was Ähn-
liches, das wollten die Leute so
haben, in allen Schaufenstern der
„feineren" Geschäfte könne man es
sehen.

Daß mit solcher Anklexerei alle
gute plastische Wirkung gefühllos
zerstört wird, daß diese künstliche
Antikschminkerei ein barbarischer
Ungeschmack ist, davon ist leider nie
die Rede. K. M.

Eine neue Zndustrie

(Geldgeber gesucht)

ch habe absichtlich das Weih-
nachtsfest vorübergehen lassen,
ehe ich meine Anregnng der öffent-
lichkeit übergebe. Aus Vorsicht
habe ich auch noch die Neujahrs-
tage abgewartet, denn wie leicht
konnte der westlichste Berliner
Westen knapp vor Iahresschluß noch
dahinter gekommen sein: daß man
in Frankreich am Neujahrstag Ge-
schenke macht und diesen Gebrauch
als letzte Voruehmheit sich zu eigen
gemacht haben? Ich habe auf den
sicher winkenden, klingenden Lohn
und die Dankbarkeit aller Inter-
essenten für mindestens ein Iahr
verzichtet, ja vielleicht für immer.
Denn bis zum nächsten Dezember
haben sich gcwiß auf meine An°
regung Industrien anderer Leute
aufgebaut, und ich werde leer aus-
gehen. All das kann mich aber
nicht bestimmen, zu schweigen, ich
kenne die Pflichten dessen, der einen

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