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Hartmann, Florian; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Ars dictaminis: Briefsteller und verbale Kommunikation in den italienischen Stadtkommunen des 11. bis 13. Jahrhunderts — Mittelalter-Forschungen, Band 44: Ostfildern, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.34760#0034

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1 Ars züUamüzz's - Eine Einführung

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Die Briefe behalten auch als Fiktionen einen Wert aus mentalitätsgeschichtlicher
Perspektive und lassen zumindest in Teilen die Diskussion darüber, ob die Briefe im
Einzelnen authentisch sind oder nicht, weniger wichtig erscheinen. Es ist vielmehr er-
forderlich, einen methodischen Zugang zu diesen Briefen zu finden, auch wenn sie für
fiktiv gehalten werden. Dieses Postulat ist umso dringlicher, als das dzscnmen ucn' ac/äZsz
in einigen Fällen nahezu unmöglich istT" Denn da in einzelnen Mustersammlungen
authentische neben fiktiven Briefen stehen, ^ kann auch aus der Authentizität einzelner
Briefe nicht auf den Charakter der gesamten Sammlung geschlossen werden. Für die
Zeitgenossen spielte diese Unterscheidung offenbar ohnehin keine große Rolle; ihnen
ging es in erster Linie um den stilistischen Wert und den pädagogischen Nutzen der
Briefe, weniger darum, ob sie authentisch waren oder nicht.' '

1.6 Überlieferung

Die einzelnen arfes dzchtndz sind unterschiedlich zahlreich erhalten. Die arfes dzcfandz des
12. Jahrhunderts sind in einigen Fällen nur unikal überliefert, in anderen Fällen gibt es
zehn und mehr Textzeugen. Für die arfes dzcfandz des 13. Jahrhunderts ist die Überliefe-
rung dann insbesondere für Boncompagno da Signa, Guido Faba und Bene da Firenze
im frühen Duecento wesentlich umfangreicher. Wie bei Schulbüchern üblich, wurden
diese arfes dzcfandz mit jeder Abschrift stark verändert. Der Grad der redaktionellen
Eingriffe ist wesentlich höher, als man das bei historiographischen Werken beobach-
ten kann. Unterliegen Schulbücher als Gebrauchstexte ohnehin einer größeren Kom-
mentierungsspanne, die schnell zur Veränderung des Originaltextes führen kann, so
verstärkt sich dieses Phänomen noch bei den arfes dzcfandz. »Schulbücher verleiten den
aufmerksamen Benutzer zum Nachtragen, Verbessern oder Vereinfachen. Dies gilt be-
sonders dann, wenn der Benutzer ein solches Werk für eigene Zwecke kopiert, und in
ganz spezifischem Sinne für die Lehrbücher der Ars dzcfandz, die ja als Anleitungen zum
korrekten Schreiben (=dictare) dienen wollen und somit stets das potentielle > Opfer <
ihres eigenen Anspruchs werden können«.^ Diese Voraussetzungen haben zur Folge,
dass »nahezu jede Abschrift einer Ars dictandi eine mehr oder weniger modifizierte
Ars-dictandi-Fassung erbrachte «3^ Viele Werke werden daher in unterschiedlichen
Redaktionen überliefert, deren Entstehungskontexte mitunter nur schwierig zu rekon-
struieren sind.'*' Gerade von den umfangreicheren Werken eines Bernhard von Bologna
oder der bekannten dzcfafores des frühen 13. Jahrhunderts entstanden bald Kurzfas-
sungen, wie beispielsweise die Smunnda dzchtmznzs, die sich eng an Guido Fabas SMMWM

Zum Problem vgl. am ausführlichsten CONSTABLE, Letters and Letter-Collections, S. 32-62; da-
neben auch ScHALLER, Dichtungslehren und Briefsteller, S. 262 f.; einzelne Kriterien zur Unter-
scheidung nennt CAMARGO, Ars dictaminis, S. 33, relativiert ihre Validität aber aus guten Grün-
den an selber Stelle.
129 CAMARGO, Ars dictaminis, S. 33.
120 CAMARGO, Ars dictaminis, S. 33.
121 BEYER, Aurea Gemma, S. 12.
122 BEYER, Aurea Gemma, S. 172.
122 Am Beispiel der wirkmächtigen Summa dz'cfammum des Magister Bernhards vgl. die Darstel-
lung der Redaktionen bei KLAES, Magister Bernhard, S. 32-37; ergänzend dazu auch TuRCAN-
VERKERK, La Rah'o m dz'cfamma.
 
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