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Hartmann, Florian; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Ars dictaminis: Briefsteller und verbale Kommunikation in den italienischen Stadtkommunen des 11. bis 13. Jahrhunderts — Mittelalter-Forschungen, Band 44: Ostfildern, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.34760#0196

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2 Sozialer Stand und »Self-fashioning« der dzchdoros

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selbst. Überraschend sind diese Hinweise auf die eigenen sozialen Kontakte nicht, denn
Nähe zur Macht bringt Renommee und einen Gewinn an Ansehen.^
Neben dem Vorteil dieser lukrativen Tätigkeiten an sich verbindet sich mit den
Kontakten, die sich den dzchüores dabei ergaben, eine weitere nicht unbedeutende
Konsequenz. Die dzchtfores waren ausgezeichnet über die politischen Geschehnisse
informiert und bisweilen im Dienste einer Kommune angestellt. Zum Teil adliger Ab-
stammung konnte ein dzchtfor im Dienst der Kommune wie die mdzces comMnes an der
Gestaltung der frühen Kommune aktiv mit wirken und war noch nicht »zum bloßen
Funktionär einer voll etablierten Kommune abgesunken «A Seine Stellung im kommu-
nalen Kommunikationszentrum brachte auch die Vertrautheit mit dem politischen Ge-
schehen mit sich. So liefert Magister Guido in seinen Briefen bemerkenswerte Details
zu den Ereignissen um Friedrich Barbarossas zweiten Italienzug. Das gleiche gilt für
die Lombardische Briefsammlung aus den iißoer Jahren: »Der Verfasser der Lombar-
dischen Briefsammlung hatte einen recht guten Informationsstand; er war den Ereig-
nissen ja auch geographisch sehr nahe [...] und wusste diesen Vorteil wohl geschickt
für sein Werk zu nutzen«/*' Ihre Spezialkenntnisse über politische Ereignisse stellten
die dzchdores als Lehrer auch deutlich zur Schau. In Zeiten begrenzten Informationszu-
gangs musste die Vertrautheit der Lehrer mit dem aktuellen Zeitgeschehen besondere
Aufmerksamkeit und Bewunderung nach sich ziehen.

2.3 Kontextualisierung des »Self-fashioning« der dicMords

Die selbstbewusste Selbstinszenierung der dzchüores ging in ihrer Wirkung über den
engen Rahmen des Lehrer-Schüler-Verhältnisses hinaus. Die Studenten wirkten gewis-
sermaßen als Multiplikatoren einer Sichtweise, die die dzcfafores entwickelt und durch
ihre stetige Lehre verbreitet hatten. Eine parallele Entwicklung kann man in Hinblick
auf die Rechtsgelehrten in den Kommunen des 12. Jahrhunderts erkennen, die ihren
Kontakt zu Friedrich Barbarossa dazu nutzten, gerade ihr Metier mit besonderer Bedeu-
tung aufzuladen und ihr Sichtweise auch zu propagieren. »[VJielleicht glaubten sie so-
gar, aus dem Imperium ein Instrument machen zu können, um das von ihnen gelehrte
Römische Recht am effektivsten verbreiten zu können«/' Am Beispiel der vier Bologne-
ser docfores, die den Kaiser in Roncaglia getroffen hatten, erkennt man, wie gezielt die
Gelehrten versuchten, ihrer jeweiligen Disziplin Ansehen und Einfluss zu verschaffen/**
Für die Lehrer der ars dzcfamhüs lässt sich diese Tendenz ebenfalls nachweisen.

Auf Barbarossa bezogen bei GÖRiCH, Fragen zum Kontext der roncaglischen Gesetze, S. 323; zu
Nachfrage nach dz'cädoros in den Kommunen vgl. auch JoNES, The Italian City-State, S. 413.
FRIED, Vermögensbildung, S. 41; DERS., Die Entstehung des Juristenstandes, S. 130 ff.
BEYER, Der Papst kommt, S. 60.
GÖRiCH, Fragen zum Kontext der roncaglischen Gesetze, S. 314; ähnlich auch CoNTE, Diritto ro-
mano, S. 173.
Vgl auch für das 13. Jahrhundert die Aussage des Juristen Albertano da Brescia: Sermone z'nedzfo,
S. 34, wonach die Adressaten seiner Schrift, Notare und caMSz'dz'cz', das Salz der Erde seien, dass,
wie die Christen von den Aposteln, so die Menschen im Rat von ihrer Weisheit geleitet und un-
terstützt würden.
 
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