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Hartmann, Florian; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Ars dictaminis: Briefsteller und verbale Kommunikation in den italienischen Stadtkommunen des 11. bis 13. Jahrhunderts — Mittelalter-Forschungen, Band 44: Ostfildern, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.34760#0202

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Inszenierung privater Freundschaft

3.1 Einführung: Freundschaft in der Kommune

Die konspirative Einung der Bürger basierte in den italienischen Stadtkommunen auf
dem Ideal der czuzhzs Dez', das in friedlicher und brüderlicher soczefzzs ihren Ausdruck
finden sollte.' Die fest gefügten Formen des Amtseids der conszdes und des Bürgereids
der Gemeinde spiegeln das zdezw ucNc ci zdezw zzoEc wider, das gewissermaßen als Grün-
dungsmythos der Kommune zugrunde lag/ Dahinter stand sicher auch mit den wieder-
holt benutzten Leitbegriffen canhzs, ziz7cAz'o, /micrnzYas, zzzzazzz'ztzz'Ds eine religiöse Idee, die
zur Grundlage der Kommune wurde/ MAX WEBER erkannte in den Eiden mehr als eine
bloße Übereinkunft der Bürger, sich gegenseitig zu unterstützen, sondern sah darin
»eine Veränderung der rechtlichen Gesamtqualität, der universellen Stellung und des
sozialen Habitus von Personen«/ In der Kommune ging es mithin um mehr als nur
um rechtliche Bestimmungen, denn in den Kommunen wuchs auch eine ganz eigene
Lebensform, die sich durch spezifisches Denken, Verhalten und soziales Handeln aus-
zeichnete/ WEBER spitzte diese These zu, indem er konstatierte, dass der kommunale
Bürger durch den Eid »qualitativ etwas anderes (wird) als bisher«/
Der Wille zu Eintracht und zu brüderlicher Einigkeit in den Kommunen machte
es notwendig, dass die Entscheidungen in der Volksversammlung aus dem Ideal der
kommunalen einträchtigen Gemeinschaft heraus nicht mehrheitlich, sondern einstim-
mig gefällt wurden. Dieses Ideal der Eintracht überdeckte als kommunaler Gedanke die
Realität politischer Auseinandersetzungen aus dem Empfinden heraus, dass »Dissens
als Ausdruck der Separation« verstanden wurde/ Deswegen war es in den Volksver-
sammlungen wohl praktisch kaum möglich, dass eine Gruppierung geschlossen durch
die Mehrheit anderer Gruppierungen überstimmt wurde. Denn das hätte die geschwo-

Vgl. KELLER, Übergang zur Kommune, S. 68; vgl. allgemein auch ZuMHAGEN, Religiöse Konflikte;
zum reformkirchlichen Diskurs in den oberitalienischen Kommunen STOCK, Implications of Li-
teracy.
Vgl. KELLER, Entstehung, S. 204.
Vgl. OEXLE, Kulturwissenschaftliche Reflexionen, S. 147; KELLER, Einwohnergemeinde und
Kommune, S. 569 f.; STOCK, Implications of Literacy.
WEBER, Wirtschaft und Gesellschaft, S. 401.
Vgl. OEXLE, Friede durch Verschwörung, S. 128.
WEBER, Wirtschaft und Gesellschaft, S. 401.
KELLER, Mehrheitsentscheidung und Majorisierungsproblem, S. 31. KELLER legt überzeugend
dar, wie die Etablierung eines Repräsentativsystems, das Problem der Unmöglichkeit von Ein-
stimmigkeit, das einem so großen Gremium wie der Volksversammlung inhärent ist, aus der
Erfahrung der Kommunen mit den Grenzen der Einstimmigkeit resultierte; zum Zwang der
harmonischen Einstimmigkeit - vielleicht etwas überzogen - DARTMANN, Zwischen demonstra-
tivem Konsens und kanalisiertem Konflikt, S. 36.
 
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