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Hartmann, Florian; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Ars dictaminis: Briefsteller und verbale Kommunikation in den italienischen Stadtkommunen des 11. bis 13. Jahrhunderts — Mittelalter-Forschungen, Band 44: Ostfildern, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.34760#0305

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294

Teil IV: Fiktive Briefmuster als historische Quelle

dazu diente, geschichtliches Wissen und rhetorische Grundkenntnisse anhand von in-
serierten Musterreden zu vermitteln,^ verbanden die arfes dzchtndz beides miteinander.

1.4 Vergleich und Ausblick

Die Musterbriefe des Magisters Guido sind ein Glücksfall für die Erforschung der An-
passungsbedürfnisse von Notaren an politische Verhältnisse. Sie erklären sich in nicht
geringem Maß aus den erheblichen Umwälzungen, die mit den Ereignissen der Jahre
1158/1159 verbunden waren. Noch rund 25 Jahre zuvor war die Ausrichtung solcher
Briefsammlungen eine andere. Auch aus der Zeit des Italienzuges Lothars III. gibt es
in der Lombardischen Briefsammlung eine Vielzahl von fiktiven Musterbriefen. Der
Vergleich der beiden Sammlungen soll im folgenden Unterschiede freilegen, die sich
aus der veränderten Situation in den Jahren 1158/1159 erklären lassen. Damit soll ver-
deutlicht werden, inwieweit rhetorische Werke wie die arfes dzchtndz von den politischen
Ereignissen ihrer Zeit beeinflusst wurden.
In Gestaltung und Inhalt gleichen Guidos Briefe zunächst den ebenfalls fingier-
ten Briefen der Lombardischen Briefsammlung." Auch diese schildert tatsächliche
und vermeintlich zukünftige Ereignisse, die sich auf Lothars III. Italienzug" und die
Rückkehr Innozenz' II. nach Italien beziehen. In beiden Fällen sind die Autoren über
die politischen Entwicklungen auffallend gut informiert. Guidos Berichte zu einzelnen
Ereignissen decken sich mit den chronikalen Darstellungen, sind in Teilen sogar etwas
detaillierter. Insbesondere dem Haus der conti Guidi scheint er sehr nahe gestanden zu
haben. Wahrscheinlich in Imola oder in der direkten Umgebung beheimatet, befand er
sich zur Abfassungszeit im Mai/Juni 1159 unmittelbar im Aufenthaltsgebiet des Kaisers.
Zudem weiteten die conti Guidi gerade in diesen Jahren ihren Einfluss auf das Gebiet
Imolas aus,'" was sich in bemerkenswerter Weise in den Briefen widerspiegelt.
Für den Autor der Lombardischen Briefsammlung hat schon BEYER konstatiert,
er »hatte einen recht guten Informationsstand; er war den Ereignissen ja auch geogra-
phisch sehr nahe [...] und wusste diesen Vorteil wohl geschickt für sein Werk zu nut-
zen«.^ Allerdings beschränken sich die Lombardischen Briefe in ihrem Kern auf die
Jahre 1151/1152/°° während Guidos Briefe eine breitere zeitliche Spanne abdecken. Auch
in anderer Hinsicht sind die Unterschiede zwischen beiden Sammlungen durchaus be-
zeichnend und erlauben wichtige Rückschlüsse, gerade weil beide zum gleichen Zweck
und in einem vergleichbaren Kontext entstanden sind.

Vgl. neben ScHWEPPENSTETTE, Politik der Erinnerung, auch GÖRtCH, Sprechen vor dem Kaiser;
vgl. auch F.AiNi, Lettere politiche, mit dem Hinweis, dass die inserierten Briefe in der kommuna-
len Historiographie des iß. Jahrhunderts wahrscheinlich machen, dass diese Geschichtswerke
auch der Unterweisung in der ars dz'cHzzzz'zzz's dienten.
Die Edition steht bislang nur online zur Verfügung: http://www.uni-saarland.de/verwalt/pra-
esidial/LuSt/Lomb; zur Datierung und zur Einordnung vgl. BEYER, Der Papst kommt.
Zur Chronologie Lothars III. vgl. PETKE, Kanzlei, sowie, immer noch, BERNHARDi, Lothar von
Supplingburg.
°s Vgl. VAstNA, I conti Guidi e la Romagna, S. 100; zur aggressiven Expansionspolitik der Guidi in
der Region um Imola und Faenza vgl. auch DERS., Rapporti fra Bologna e Faenza.
99 BEYER, Der Papst kommt, S. 60.
BEYER, Der Papst kommt, S. 52.
 
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