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Hartmann, Florian; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Ars dictaminis: Briefsteller und verbale Kommunikation in den italienischen Stadtkommunen des 11. bis 13. Jahrhunderts — Mittelalter-Forschungen, Band 44: Ostfildern, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.34760#0183

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172

Teil III: Die artes dzcfnnd; als Spiegel des Diskurses

1.3 Fragen und Probleme

Wie aber ist es den Vertretern und Trägern der kommunalen Eloquenz gelungen, der
Rhetorik, der stilgerechten Ausdrucksfähigkeit in der lateinischen Sprache und der Elo-
quenz in kommunalen Versammlungen im Verlauf der ersten Hälfte des 12. Jahrhun-
derts eine Bedeutung zu verschaffen, an der innerhalb der Kommunen schon in der
Mitte des 12. Jahrhunderts niemand mehr zweifelte? Während man also an der Kurie
noch nach außen die Sichtweise vertrat, der Einsatz von Rhetorik sei im Kern wahr-
heitsfern, während nördlich der Alpen rhetorische Fähigkeiten der Großen des Reiches
kaum Erwähnung fanden und während man sich im Umfeld Barbarossas schließlich
über die langen Satzperioden der kommunalen Repräsentanten lustig machte,^ wird
in den Kommunen Eloquenz zur Voraussetzung sozialer Anerkennung. Gerade dieser
regionale Vergleich illustriert die Besonderheit der Kommunen in Bezug auf die Hoch-
schätzung der Eloquenz und macht deutlich, wie wenig selbstverständlich dieser ra-
sche Bedeutungsanstieg der Eloquenz ist.
Dieser Prozess ist in der Forschung bislang noch gar nicht als besonderes Problem
erkannt, geschweige denn erörtert worden. Allenfalls findet man bei ENRico ARTiroNi,'"
RENATo BoRDONE* ' und MAssiMo GiANSANTE ° Analysen darüber, welchen Stellenwert
die Rhetorik in den Kommunen vornehmlich im 13. Jahrhundert erreicht hat. Ein Grund
für diese Forschungsperspektive ist sicher in der besseren Quellenlage für das 13. Jahr-
hundert zu suchen. Die Podestä-Literatur und die arfes azvnyandz sowie die ersten gro-
ßen Rhetoriken dokumentieren die Bedeutung der Rhetorik im Leben der Kommunen. ^
Allerdings wird die Hochschätzung der Rhetorik dabei stets als selbstverständlicher
Automatismus verstanden und allein in seiner Ausprägung, nicht dagegen in seiner
Genese seit dem 11. oder 12. Jahrhundert beschrieben. Rhetorik gewinnt aber nicht von
sich aus eine herausragende Bedeutung, sondern sie muss ihr erst zugeschrieben wer-
den. Und diese zunächst beliebige Zuschreibung muss anschließend weithin Anerken-
nung finden. Wer diese Bedeutungszuschreibung verantwortet hat, wie es gelungen ist,
diese zunächst subjektive Setzung in allgemein anerkanntes Wissen umzusetzen und
aus welchen Gründen, wurde bislang nicht untersucht.
Die Ursachen für die besondere Hochschätzung der Eloquenz in den Kommunen
müssen erst noch gesucht werden. Rhetorik, ihre Unterweisung und die Stadtkommune
scheinen allerdings in einem Wechselverhältnis zu stehen, das für das 12. Jahrhundert
noch nicht ausreichend analysiert worden ist. Dabei erweisen sich die arfes dzcfandz als
hervorragende Quelle nicht nur für die Stellung der Rhetorik im kommunalen Leben,
sondern auch für die Verfassung der Kommunen selbst, für kommunale Normvorstel-
lungen und Wertesysteme. Ausgehend von dem Befund dieses Kapitels über den Stel-
lenwert der Rhetorik in den Kommunen geht es im Folgenden zunächst um die Auto-
rität und das Selbstverständnis der dzcfafores und ihres Genres in den Kommunen. Wer

Otto von Freising: Gosfa Frz'don'cz, II, 30, S. 136: Ad /zaoc rox tarn saperFo t?Maz?z z'naszYato oratz'ozzz's
fonoro z'asta z'ndzgnatz'one z'zz/Iazzzzzzatzzs carsazz: pozhoz*az?: z'dorazz: de saao rez paUz'cae ac z'zzzperz'z z'astz'cz'a
zzzozv Raiz'co iozzga cozdz'zzaah'ozzo perz'odorazzz^ae cz'rcazYzhas serzzzonezz: pz*odacfaz*z's z'zdozvapzf.
ARTiFONi, Sull'eloquenza politica; DERS., Gli uomini dell'assembla.
BoRDONE, Societä cittadina.
GtANSANTE, Retorica e politica nel duecento.
ARTiFONi, Boncompagno da Signa, i maestri di rhetorica e le cittä comunali, S. 26, beklagt gleich-
wohl immer noch den unzureichenden Forschungsstand auch zur Rhetorik der Kommunen im
13. Jahrhundert.
 
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