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Hartmann, Florian; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Ars dictaminis: Briefsteller und verbale Kommunikation in den italienischen Stadtkommunen des 11. bis 13. Jahrhunderts — Mittelalter-Forschungen, Band 44: Ostfildern, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.34760#0046

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3 Fragen, Methoden, Ziele

Offene Forschungsfragen und ungenutzte Erkenntnismöglichkeiten, die mit der ars dzc-
htmznzs verbunden sind, stehen im Mittelpunkt der vorliegenden Arbeit. Verschiedene
und vor allem auffällige Entwicklungen in der fortschreitenden Ausformung der ars
dzcfandz sollen vor der Folie ihres je unterschiedlichen sozio-historischen Kontextes
offen gelegt und erklärt, die Tragfähigkeit moderner Konzepte über Kultur- und Wis-
senstransfer erprobt werden. Wann und in welchem Umfeld lassen sich Entwicklungs-
schübe ausmachen? Wie finden soziale und politische Spannungen an den zumeist
oberitalienischen Entstehungsorten in den einzelnen artes dzcfandz ihren Niederschlag?
Wie und warum entstehen »Innovationsräume«'? Es geht also um soziale Bedingun-
gen von intellektueller und hier speziell rhetorischer, stilistischer Innovation.
Neben der Konzeption einer kontextorientierten Gattungsgeschichte werden die
Wechselwirkungen gültiger sprachlicher Konventionen und sozialer Praktiken in den
Blick genommen. Letztere werden hier mit ANDREAS RECKwiTz verstanden als ein »Kom-
plex von kollektiven Verhaltensmustern und gleichzeitig von kollektiven Wissensord-
nungen (einschließlich Know-how- und Motivationswissen) sowie diesen entsprechen-
den Mustern von subjektiven Sinnzuschreibungen [...], die diese Verhaltensmuster
ermöglichen und sich in ihnen ausdrücken«? Denn die artes dzcfandz geben Kommuni-
kationsregeln vor, stehen also mitten im Leben der italienischen Kommunen. Die Auf-
gabe der dzcfafores beschränkte sich daher keineswegs auf bloße rhetorische Stilvorga-
ben. Es ging laut GiovANNi DE VERGOTTiNi mentalitätsgeschichtlich auch darum. Regeln
der bürgerlichen Gesellschaft und der communis opinio insgesamt zu fixieren? Als uner-
hörte neue »Verfassungskörper standen die Stadtkommunen unter einem Legitima-
tionsdruck, dem sie mit einer eigenen Ideologie begegnen mussten. Die Repräsentanten
der frühen Kommunen mussten zur Legitimation der Kommune im Allgemeinen und
ihrer individuellen Stellung im Besonderen öffentliche Situationen nutzen. Dazu dürf-
ten ihnen öffentliche Situationen wie die Volksversammlungen gedient haben. Trotz al-
ler Bedeutung nonverbaler Kommunikation, die in der jüngeren Forschung nachdrück-
lich betont wird? ist zu erwarten, dass bei diesen Gelegenheiten die Legitimation der
' Zu Begriff und Konzept vgl. ScHwiNGES, Innovationsräume und Universitäten.
^ RECKwiTz, Die Transformation der Kulturrheorien, S. 565.
3 VERGOTTiNi, Lo studio di Bologna, S. 26: »fissare le regole della societä civile e della opinione
comune«.
3 So jüngst wieder DiLCHER, Staufiscfie Renovatio, S. 622; zu den Legitimitätsdefiziten der jun-
gen Kommune in Anlehnung an und in Auseinandersetzung mit WEBER, Wirtschaft und Ge-
sellschaft, S. 108, 401, OEXLE, Kulturwissenschaftliche Reflexionen S. 153; BosL, Gesellschafts-
geschichte, S. 108; WiCKHAM, Legge, S. 47; PiNi, I maestri dello studio, S. 133; MiLANi, I comuni
italiani, S. 24.
3 KELLER/DARTMANN, Inszenierung von Ordnung und Konsens, bes. S. 218-221; DARTMANN,
Schrift im Ritual, bes. 170-172, dort auch, S. 172, mit einem Forschungsüberblick zur »symbo-
lischen Kommunikation« und mit weiteren Angaben zu einer Reihe weiterer Studien mit ähn-
licher Perspektive.
 
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