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Hartmann, Florian; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Ars dictaminis: Briefsteller und verbale Kommunikation in den italienischen Stadtkommunen des 11. bis 13. Jahrhunderts — Mittelalter-Forschungen, Band 44: Ostfildern, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.34760#0088

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2 Die Rezeption der ars däTaanazs in Norditalien

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Diese Frage ist berechtigt, denn damit ist letztlich auch immer, wie BRIAN STOCK be-
merkt, die Frage nach den Machtverhältnissen in der Gesellschaft gestellt, die sich den
Innovationen öffnet: »if a new means of communication makes its appearance, who are
its patrons? If new knowledge is produced, who Controls it and for what ends? <d°
Um diese Frage zu beantworten, ist zunächst zu konstatieren, dass die Autoren der
ersten kommunalen ades dzdandz, Adalbertus Samaritanus und Hugo von Bologna, von
Alberichs Werk wie von einem bereits etablierten Standardwerk handelnd Sie selbst
sind also nicht die eigentlichen Importeure, sondern allein die ersten uns bekannten
Zeugen dafür, dass in Bologna im zweiten Jahrzehnt des 12. Jahrhunderts die ars dzc-
famznzs auf Grundlage von Alberichs BrcAan'aa; gelehrt wurded Der eigentliche Über-
bringer ist mit den Zeugnissen von Adalbertus und Hugo also noch nicht ausgemacht.
Diesen Transferprozess tatsächlich auf eine Person zu beziehen, wird auch im Folgen-
den nicht möglich sein. Vielmehr gilt es, die Rezeption und die ersten in Bologna greif-
baren Zeugnisse für die Akzeptanz von Alberichs Werk in den historischen Kontext
einzubetten.

2.2 Stellungnahmen zum Investiturstreit
in den ersten kommunalen dicümdi

Wie oben geschildert, stand Alberichs BrcAan'aa; im Kontext der »Propaganda«^ zu-
gunsten der Gregorianischen Partei im Investiturstreit. Politische Positionierungen
spielten in der ars dzdawmzs demnach eine Rolle; im Fall des BrcAan'aa; ist ein politi-
scher Konflikt offenbar sogar Anlass zum Verfassen der ars dzdandz gewesen."" Wenn die
»Erfindung« der ars dzdamzüzs mit den Bedürfnissen des Investiturstreits in Verbindung
steht, dann wird man eine ähnliche Motivation bei ihrer Verbreitung nach Bologna
nicht ohne weiteres ausschließen können. Alberichs Haltung gegen Heinrich IV. ist ein-
deutig belegt durch sein - verlorenes - Werk contra Hcnrzcnw zmporaforom de dcdz'onc
ponfz/i'ds A Dass sich Alberich in diesem Werk auf die Wahl des Gegenpapstes Clemens
(III.) bezog, wird durch die stilistisch vielfältig vorgeführte Verleumdung jenes Gegen-
papstes wahrscheinlich gemacht, mit der Alberich in Synonyme und Exornahonos ein-
führt. Dort bezeichnet er Clemens (III.) zusammen mit dem ebenfalls als Gegenpapst
titulierten Cadalus als sanefo porsoenforos er des/'c, dzsdpdne cncrsorcs aposiohrc, saüdz's znz-
mzd JmmaneA

STOCK, Listening for the Text, S. 21.
Hugo von Bologna: Raü'oaes dz'cfaad;' prosaz'ce, S. 53 f.; Adalbertus Samaritanus: Praecepfa dz'cfaan-
aaa:, S. 31.
Vgl. SCHMALE, Das Bürgertum in der Literatur des 12. Jahrhunderts, S. 417.
Der Begriff schon bei ERDMANN, Die Anfänge der staatlichen Propaganda. Der Begriff ist freilich
anachronistisch. Dass im Kontext des Investiturstreits gleichwohl versucht wurde, Öffentlich-
keiten zu erreichen und für sich zu gewinnen hat MELVE, Inventing public sphere, zeigen kön-
nen; vgl. aber SucHAN, Publizistik im Zeitalter Heinrichs IV.
Nochmals sei verwiesen auf HARTMANN, Enchiridion; und oben Kap. II, 1.
Petrus Diaconus: De düs z'Hasfnhas, Sp. 1033.
Alberich, Breviarium, 71, S. 62; er setzt die Reihung negativer Beschreibungen fort mit den Wor-
ten peccah radz'ces, dz'aM;' precoaes, Aaü'c/zn'sü' aposfoh, sagz'de az'aa'raa: & p/zareüa Safaae prodaefe.
 
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