Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Hartmann, Florian; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Ars dictaminis: Briefsteller und verbale Kommunikation in den italienischen Stadtkommunen des 11. bis 13. Jahrhunderts — Mittelalter-Forschungen, Band 44: Ostfildern, 2013

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.34760#0256

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
6 Funktionen schriftlicher
und mündlicher Eloquenz
in den Kommunen

Die artos dzcfandz, deren soziale Wertsetzungen und Kategorisierungen hier analysiert
worden sind, gehörten einem kulturellen Kontext an, in dem der Rhetorik allgemein
eine große Bedeutung beigemessen wurde. Nicht nur die dzctatoros selbst beschworen
den Nutzen von schriftlicher und mündlicher Eloquenz, sondern auch auswärtigen
Beobachtern waren die rhetorischen Fähigkeiten der kommunalen Repräsentanten be-
wusst. Da dieser Befund jedenfalls für das 12. Jahrhundert in der Deutlichkeit allein für
die oberitalienischen Kommunen nachzuweisen ist, stellt sich die Frage nach den Ur-
sachen. Welchen Vorteil hatte diese Eloquenz für ihre Träger? Warum verwiesen auch
auswärtige Quellen gerade bei den kommunalen Amtsträgern auf die Eloquenz als
besondere Qualifikation? Warum wurde dem in den Statuten von Viterbo genannten
Magister Fratellus so reicher Lohn allein dafür in Aussicht gestellte, dass er öffentliche
Briefe verfasste?' Fratellus ist dabei nur als ein besonders aussagekräftiges Beispiel und
gewissermaßen als das Resultat einer Entwicklung zu verstehen, deren Anfänge bis-
lang nicht klar erkannt worden sind.
Ausgangspunkt für diese Fragen müssen die ersten Quellen über die Rhetorik-
lehre in den Kommunen überhaupt sein. Neben der vordergründigen Aufgabe, ihre
Schüler in der Kunst zu unterweisen, Briefe regelkonform zu verfassen, konnten die
Autoren damit weitere Absichten verfolgen, die vielleicht nicht unmittelbar für jeden
erkennbar waren. So wird in den einzelnen artos dzcfandz den Schülern meist unverhoh-
len die herausragende Bedeutung der ars dzctazwzzrzs eingeschärft und die Chancen, die
sich aus ihrer Kenntnis ergeben, vor Augen gestellt. Die ars dzctazwzzrzs ist in diesem Kon-
text als schriftliche Fassung antiker Rhetorik zu verstehen, auch wenn die Zeitgenos-
sen offenbar kaum zwischen oraler und schriftlicher Rhetorik unterschieden haben. So
schreibt Adalbertus Samaritanus um 1115 in seinen procopta dzctazwzzrrzzw.'
Przrzzzzrzz z'tazpzc Yz'Uaiozvzzz oportet ooyzzosocrc yrazzzzzzatz'oazzz, rtzotorzcarzz, ztz'atcotz'oazzz,
doprzotifzo stzzdza tzzzzc oporz nocossarza/
Könnte man die zahlreichen Lobeshymnen auf den Nutzen der ars dzctazwzzrzs in den
einzelnen artos dz'otazzdz noch gewissermaßen als fiktive Werbung in eigener Sache
abwerten/ so macht unter anderem der Bericht aus den Statuten Viterbos deutlich, dass
es um mehr ging. Eloquente Ausdrucksfähigkeit und korrekte Anwendung der Regeln
der ars dzctazwzzrzs waren zentrale Voraussetzungen erfolgversprechender Kommunika-
' Vgl. Cronache e Statuti della cittä di Viterbo, III. 36/37, S. 306.
2 Adalbertus Samaritanus: Praecepta ztz'ctazzzz'aaz?:, S. 31.
3 Die Verfasser nutzten ihre Werke offensichtlich auch dazu, ihre eigene fama als Stilist oder Leh-
rer zu konstruieren. Vgl. zum Komplex der Selbstinszenierung der dictatores, Kap. III, 2.
 
Annotationen